Frauenbundhaus in Berlin-Charlottenburg

Gemeinschaftsgefühl am Lietzensee

Lietzensee in Berlin
Ein Bootshaus am Lietzensee in Berlin-Charlottenburg. © imago/Raimund Müller
Von Gunnar Lammert-Türk · 17.04.2016
Vor 85 Jahren nahm das Frauenbundhaus "Helene Weber" am Lietzensee in Berlin-Charlottenburg seine ersten Bewohnerinnen auf, vor allem Alleinstehende. Bis heute finden jüngere und ältere Frauen gute Gründe, warum sie gerne dort wohnen.
Rebecca Pham Xuan: "Wenn ich tatsächlich in Berlin Arbeit finde, dann werde ich auch versuchen, hier bleiben zu können. Weil ich das schon sehr genieße, hier zu sein."
Klara Ullrich: "Es geht mir gut, weil ich in Charlottenburg mitten in der Stadt vor meinem Fenster nur Bäume und einen See habe. Das glaubt mir kaum jemand, aber es ist so."
Sie wohnen gern in dem Haus in Berlin-Charlottenburg, die 25-jährige Studentin Rebecca Pham Xuan und die 81-jährige Klara Ullrich. Neben manchen anderen Vorzügen schätzen sie die Lage des Hauses am Ufer des Lietzensees, mitten in der Stadt und doch wie auf einer beschaulichen Insel. 150 Frauen leben hier: Studentinnen, Seniorinnen und Berufstätige.
Ihnen allen gemeinsam ist, dass sie alleinstehend sind. Für solche, vor allem für die Berufstätigen unter ihnen, hatte der Katholische Deutsche Frauenbund von 1931 bis 1932 am Sitz seiner Berliner Geschäftsstelle zwei Flügel mit Wohnungen an das bestehende Haus anbauen lassen. Eine Pionierleistung, war es doch allein stehenden berufstätigen Frauen seinerzeit kaum möglich, ein Zimmer zu mieten. Eine Wohnung zu bekommen, scheiterte in der Regel daran, dass nur Männer Mietverträge abschließen durften. Als erste Bewohnerinnen zogen etwa 100 Frauen ein, die bei der Deutschen Reichspost beschäftigt waren. Sie konnten die Wohnungen verbilligt mieten. Dafür beteiligte sich die Post an der Finanzierung des Neubaus mit seinen ebenso modernen wie zweckmäßigen 168 Einzimmerwohnungen.
"Es gab die Bettnische, wo das Bett sozusagen in dem einen Zimmer versteckt sein konnte, damit dieser Wohnzimmercharakter auch wirklich zur Geltung kam."
Erklärt die Geschäftsführerin des Diözesanverbandes Berlin des Katholischen Deutschen Frauenbundes Maja Petrauschke.
"Man hatte im Flur eine kleine Kochnische mit Abzug und ein separates Bad mit Badewanne für sich. Und weil sich dieses ganze Konzept ja an berufstätige Frauen richtet, hat man natürlich noch versucht, Dienstleistungen im Haus zu schaffen. So gab es eine Wäscherei im Haus und es gab auch einen Speisesaal, wo die Frauen, wenn sie wollten, auch essen konnten. Dann gab es für die Entspannung auch zwei wunderschöne Dachterrassen, wo es sich heute noch lohnt, hoch zu gehen und mal den Blick über Berlin schweifen zu lassen. Es gab eine Tag und Nacht besetzte Pforte, also es war immer ein Ansprechpartner im Haus für alle Sorgen, Nöte oder Reparaturen, die durchgeführt werden mussten."
Diese Art Rundumkonzept besteht bis heute. Freilich: Neben Einzimmerwohnungen gibt es nun auch welche mit zwei und drei Zimmern. Und es leben nicht mehr nur deutsche, sondern auch Frauen aus anderen Gegenden der Welt im Haus. Geblieben ist die Pforte als Servicestelle und Kommunikationszentrum der Bewohnerinnen. Geblieben ist auch, dass die Frauen neben den Veranstaltungen, die der Träger des Hauses für sie anbietet, den einen oder anderen Abend selbst organisieren. Filme werden gezeigt, es gibt Vorträge und Gespräche zu politischen und religiösen Fragen, etwa zur Umweltenzyklika von Papst Franziskus. Christa-Maria Kramer weiß das zu schätzen:
"Ich muss sagen, es ist eine ziemliche Vielfalt hier. Und das ist eigentlich das, was dieses Haus von einem normalen Wohnhaus unterscheidet, dass man eben auch so ein bisschen mal Freizeit zusammen verbringt und solche Sachen."

Starker sozialer Zusammenhalt

Überhaupt scheint im Haus ein recht starker sozialer Zusammenhalt zu herrschen. Klara Ullrich sieht einen seiner Vorzüge darin,
"...dass es so viele Menschen gibt, die auch zupacken, wenn Not am Mann ist, immer wieder."
Und Rebecca Pham Xuan, die vietnamesische Studentin, empfindet die Aufmerksamkeit füreinander als wohltuend:
"Was ich auch sehr genieße, ist, dass die Leute sehr aufeinander achten, dass den Damen auch auffällt, wenn ich länger weg bin. Das ist auch gerade in Berlin, finde ich, sehr schön, dass man dann irgendwie nicht alleine ist, obwohl es eine Großstadt ist."
Vielleicht hat die Art, wie die Frauen aufeinander Acht geben, damit zu tun, dass es sich um ein christlich geprägtes Haus handelt. Aber auch wenn sein Träger katholisch ist, die Bewohnerinnen müssen es nicht sein. Sie müssen überhaupt keiner Religion angehören. Die einzige Bedingung lautete von Anbeginn: Frau und allein stehend. Und so genießen auch Frauen, die sich als Atheisten verstehen, die Umgangsformen und die Vorzüge des Hauses, wie Katharina Orgaß:
"Am Anfang hab ich durchaus erlebt, dass Freundinnen gesagt haben, also was willst Du denn in einem Haus... nur mit Frauen und dann ist das auch noch vom Katholischen, Du bist doch nun also gar nicht religiös. Ich habe dann gesagt, ich mache das, ich bin überzeugt, dass das richtig ist. Und jetzt nach fünf Jahren und... natürlich mich dann die Freundinnen hier auch besuchen und das erleben, haben durchaus schon welche gesagt, ach, wenn meine Kinder mal aus dem Haus und so, könnte ich mir das auch gut vorstellen. Gemacht hat es noch keine, aber diese Vorurteile haben sich erledigt inzwischen."
Mehr zum Thema