Franziskus

Die bislang beste Papst-Biografie

Papst Franziskus mit ernstem Gesicht, davor drei Hinterköpfe von Bischöfen
Papst Franziskus spricht während seines Südkorea-Besuchs vor Bischöfen aus 22 asiatischen Ländern. © AFP/ Vincenzo Pinto
Von Philipp Gessler · 12.09.2014
Hat Papst Franziskus zwei seiner Mitbrüder während der argentinischen Diktatur verraten? Paul Vallely geht in seiner Biografie "Papst Franziskus" dem Fall nach und kommt zu einem Urteil, das den Argentinier nur teilweise entlastet.
Es gibt mittlerweile auf Deutsch einige Bücher über Jorge Mario Bergoglio, der vor anderthalb Jahren zum Papst gewählt wurde und den Namen Franziskus angenommen hat. Doch die meisten Biografien über den Argentinier auf dem Thron Petri sind Schnellschüsse, die weder sprachlich noch inhaltlich, in der Analyse dieser Person oder der Grundlinien seines Pontifikats überzeugen konnten.
Vor allem fehlte es fast allen Lebensbeschreibungen von Papst Franziskus an einer gründlichen Recherche über das frühere Leben des Jorge Mario Bergoglio in Argentinien, wo der 77-Jährige bis zu seiner Wahl 2013 fast alle seine Jahre verbracht hat. Somit blieb bis jetzt die Grundfrage einer jeglichen Biografie im Wesentlichen unbeantwortet: Wie wurde Bergoglio der, der er heute ist?
Paul Vallely, ein renommierter, vielfach ausgezeichneter Publizist und Kirchenfachmann aus Großbritannien, beantwortet diese Frage endlich. Jorge Marios Bergoglios Werdegang vom frommen Sohn einfacher italienischer Einwanderer zum verehrten wie umstrittenen Erzbischof von Buenos Aires und schließlich zum Papst fesselt durchaus - zumal die Brüche und Niederlage des heutigen Kirchenoberhauptes ausführlich geschildert werden.
Am faszinierendsten aber ist das elegant geschriebene Buch vor allem bei einer immer noch dunklen Geschichte in der Vita des Jorge Mariol Bergoglio: Es geht um den möglichen Verrat Bergoglios an zwei seiner jesuitischen Mitbrüder während der Zeit der argentinischen Militärdiktatur Mitte der 70er-Jahre. Die beiden Geistlichen, für die Bergoglio als Ordenschef seines Landes Verantwortung trug, wurden von den Militärs gefoltert, waren fünf Monate unter schlimmsten Bedingungen in Haft und haben nur ganz knapp überlebt. Hat Bergoglio sie, was die beiden ihm später vorwarfen, nicht geschützt, weil sie ihm zu ungehorsam und zu links erschienen?
Paul Vallely kommt nach gründlichen Recherche und einer kritischen Würdigung der Fakten zu einem Urteil, das Bergoglio nur teilweise entlastet. Das Interessante ist zudem, dass es Vallely schlüssig gelingt, gerade aus dieser auch für Bergoglio traumatischen Erfahrung eines fatalen Scheiterns als Führungsfigur den atemberaubenden Wandel der Person Bergoglio zu erklären: von einem autoritären, reaktionären Geistlichen zu einem demütigen und offenen Priester für die Armen, einem Mann, der als Papst mit seinem Programm einer "armen Kirche für die Armen" für die katholische Weltkirche fast Revolutionäres vorhat.

Paul Vallely: Papst Franziskus. Vom Reaktionär zum Revolutionär
Übersetzt von Axel Walter, Theiss Verlag, Stuttgart
239 Seiten, 24,95 Euro

Mehr zum Thema