Frankreich

Streit um wirtschaftspolitischen Kurs führt zum Regierungsrücktritt

Frankreichs Premierminister Manuel Valls hat den Rücktritt seiner Regierung eingereicht.
Frankreichs Premierminister Manuel Valls hat den Rücktritt seiner Regierung eingereicht. © AFP / Patrick Kovarik
Von Ursula Welter · 25.08.2014
Nach dem Rücktritt der französischen Regierung soll Premierminister Manuel Valls umgehend ein neues Kabinett bilden. Doch der Streit um die richtige Wirtschaftspolitik wird auch das neue Kabinett belasten - denn die Sozialisten sind sich nicht einig.
Der Premier hatte es gesagt, der Präsident hatte es gesagt – "an der wirtschaftspolitischen Linie wird nicht gerüttelt". Nur der Wirtschaftsminister, ausgerechnet der sah das anders. Arnaud Montebourg, der wortgewaltige Vertreter vom linken Flügel der Partei, Globalisierungskritiker und Kritiker europäischer Haushaltsregeln von jeher, nutzte erst diverse Zeitungen und dann ein traditionelles Fest in der Provinz, um zwei Dinge klar zu stellen:
Erstens, er wünsche und fordere vom Präsidenten der Republik eine grundlegende Änderung der Wirtschaftspolitik. Und zweitens: Frankreich müsse nicht der maßlosen Obsession der deutschen Konservativen folgen, jener Ideologie der Sparens, die die europäischen Ökonomien zerstöre.
Neuverschuldung wieder über vier Prozent
Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg vertritt diese Auffassung seit Langem. Jetzt aber, da die Zahl der parteiinternen Kritiker am Kurs des Präsidenten wächst, da die Unruhe in den Reihen der Sozialisten zunimmt, weil Nullwachstum und Rekordarbeitslosigkeit die Misere verschärfen, hielt Montebourg nicht mehr still . An seiner Seite Bildungsminister Benoit Hamon: Auch der sieht die 50-Milliarden Euro Sparbeschlüsse der französischen Regierung kritisch. Auf die Tatsache, dass Frankreichs Neuverschuldung auch in diesem Jahr jenseits der 4 Prozent-Marke liegen wird, gingen beide Minister nicht ein. Sie argwöhnten öffentlich, die Spar-Politik werde Frankreich von Europa und Deutschland aufgezwungen.
Schon gestern Abend hieß es am Sitz des Premierministers, diese Kritik der beiden Minister gehe zu weit. Vor allem der Wirtschaftsminister habe eine Linie überschritten. Um kurz vor halb zehn heute früh teilte der Elysée-Palast dann mit, der Premier haben den Präsidenten über den Rücktritt der gesamten Regierung informiert, Francois Hollande habe Manuel Valls gebeten, bis morgen eine neue Kabinettsliste zusammenzustellen – im Einklang mit den politischen Orientierungen ,die der Präsident für das Land definiert habe.
"Das war eine Überreaktion"
Die Entlassung des gesamten Kabinetts - "das war eine Überreaktion", sagte Eric Woerth für die konservative Oppositionspartei UMP. Auch in den Reihen der Sozialisten sah das mancher so. Andere, wie der Bürgermeister von Lyon, Gérard Collomb, meinten, Premier und Präsident hätten die richtige Entscheidung getroffen. Ein Wirtschaftsminister dürfe der Regierungslinie nicht widersprechen. Nicht zuletzt die Investoren, das höre er täglich, benötigten Klarheit über den Kurs.
Bis morgen soll die neue Kabinettsliste stehen. Ob und wie die linken Kritiker vertreten sein werden, ist offen. Parlamentspräsident Claude Bartolone begab sich inhaltlich an die Seite des Wirtschaftsministers, der den Regierungsrücktritt provoziert hatte. Alle linken Kräfte müssten jetzt zusammenstehen, damit der Präsident in Europa eine Politik für mehr Wachstum und weniger Austerität, also Sparzwang, durchsetzen könne.
Auch Kulturministerin Aurelie Filippetti schwenkte auf die Linie der internen Rebellen ein: Sie stehe für das neue Kabinett nicht mehr zur Verfügung, sie wolle lieber ihren Ideen treu bleiben, statt Regierungssolidarität üben zu müssen. Angesichts der Debatten im Lager der regierenden Sozialisten über den weiteren wirtschaftspolitischen Kurs, forderte der rechtsextreme Front National einmal mehr Neuwahlen. Das Volk müsse jetzt gehört werden, sagte FN-Chefin Marine Le Pen, und forderte die Auflösung der Nationalversammlung.
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