Frank-Gehry-Bau in Paris

Wie eine Wolke in den Bäumen

Die Fondation Louis Vuitton in Paris, ein Bau des kanadischen Architekten Frank Gehry
Die Fondation Louis Vuitton in Paris, ein Bau des kanadischen Architekten Frank Gehry © AFP / Franck Fife
Von Kathrin Hondl · 06.10.2014
Mit der Fondation Louis Vuitton hat Stararchitekt Frank Gehry in Paris ein eizigartiges Gebäude geschaffen. Ende Oktober wird es eröffnet. Schon jetzt ehrt ihn das Centre Pompidou mit einer Retrospektive.
Die Fondation Louis Vuitton im Bois de Boulogne wird erst Ende Oktober eröffnet. Als Vorabpremiere zeigte der Luxuskonzern den spektakulären Neubau aber schon zur Pariser Fashionweek – und die Mode wurde fast zur Nebensache.
"Ein Schiff, umgeben von einem riesigen Wald, gemacht aus 3600 Glasplatten und 15.000 Tonnen Stahl“, so präsentierte da die metallische Stimme eines Models das jüngste Werk von Frank Gehry, das tatsächlich ein bisschen an ein Schiff erinnert. Ein ziemlich komplexes Segelschiff allerdings mit zwölf gigantischen, aus den 3600 Glasplatten zusammengesetzten Segeln, die leicht gewölbt einander überlappen.
Wie eine gläserne Wolke hängt der Bau inmitten der Bäume des Bois de Boulogne – eine luxuriöse biomorphe Riesenplastik, die gleichzeitig aber auch die sie umgebende französische Architektur des späten 19. Jahrhunderts verinnerlicht zu haben scheint. Das Grand Palais lässt grüßen. Mit der Fondation Louis Vuitton hat Frank Gehry, so viel ist sicher, wieder eines dieser einzigartigen ikonischen Gebäude geschaffen, für die sein Name seit Jahrzehnten steht: Von seinem eigenen Wohnhaus im kalifornischen Santa Monica über das Vitra Design Museum in Weil am Rhein bis zum legendär effektvollen Guggenheim-Museum in Bilbao.
Aber anders als es auf den ersten Blick scheint, das hebt die Retrospektive im Centre Pompidou immer wieder hervor: Frank Gehry ist nicht nur ein Schöpfer ikonenhafter Architektur-Objekte – er ist immer auch Urbanist und Stadtplaner. Und das beste Beispiel dafür ist, so Kurator Frédéric Migayrou, das berühmte Guggenheim Museum in Bilbao, eine spektakuläre Akkumulation orthogonaler und gekrümmter Volumen aus Glas, Titan und Kalkstein.
"Was für eine außergewöhnliche Skulptur, sagt man sich. Aber es ist eben mehr. Anfangs sollte das Museum in der Stadt gebaut werden. Gehry aber als erfahrener Urbanist sagt: Nein, das ist nicht der richtige Ort. Das Museum muss in ein benachteiligtes Viertel, in die Hafengegend. Gehry ist es, der diesen Standort auswählt und dann auch die ganze Infrastruktur, die Brückenverbindung mit der Stadt schafft. Bei ihm kommt immer beides zusammen: Eine Formensprache und – suche, die an die äußersten Grenzen der technologischen Möglichkeiten geht und eine urbane Vision, die das Projekt erst erfolgreich macht. Woanders hätte diese Skulptur vielleicht überhaupt nicht funktioniert."
Und der berühmte "Bilbao-Effekt" wäre womöglich ausgeblieben, den seither so viele strukturschwache Städte mit Bauten von Stararchitekten nachzuahmen versuchen.
Die Kritiker ordneten seine Architektur dem Dekonstruktivismus zu
Die Retrospektive im Centre Pompidou zeichnet das Werk des Stararchitekten Frank Gehry von den frühen 60er-Jahren bis heute mit einer Fülle an Dokumenten nach. 225 Zeichnungen und 67 Modelle sind zu sehen, und zwar nie die Modelle des fertiggestellten Gebäudes sondern die sich immer weiter verändernden Vorstufen. So wird der oft lange und immer sehr experimentierfreudigen Arbeitsprozess von Gehry anschaulich. Thematische Titel gliedern die Ausstellung: Der Bilbao-Geniestreich zum Beispiel findet sich im Abschnitt mit der Überschrift "Fusion – Interaktion“. Unter dem Titel "Komposition – Assemblage“ wird gezeigt, wie Gehry dem Minimalismus und Funktionalismus der Nachkriegsarchitektur den Rücken kehrte, indem er ihre geometrischen Grundformen auseinandernahm.
"Gehry beginnt diese Schachteln zu sprengen und gibt ihnen Autonomie", sagt Kurator Aurélien Lemonier. "Wenn er also zum Beispiel zwei Schlafzimmer, ein Wohnzimmer und ein Büro entwirft, wird jedes als einzelnes Element unabhängig von den anderen verstanden. Er eignet sich damit das so genannte "One Room Building“-Konzept des Architekturtheoretikers Philipp Johnson an, also: ein Zimmer, eine Funktion erfordert auch seine eigene Konstruktion. Dahinter steht fast schon die metaphorische Idee eines Dorfs – ein Haus wird ein ganzes Dorf."
Dekonstruktivismus nannten Kritiker später die Methode, mit der Frank Gehry ab den späten 70er Jahren sein eigenes typisch amerikanisches Einfamilienhaus in Santa Monica völlig neu organisierte und mit Wellblech und Maschendraht erweiterte. Mit so genannten "armen“ Materialien schuf er ein fantastisches neues Gebäude, mit dem seine Karriere als internationaler Stararchitekt begann.
Auch wenn Gehry heute wie bei der Fondation Vuitton luxuriöse Baustoffe wie Glas und Stahl verwendet und mit hochentwickelten Computerprogrammen arbeitet, ist es ein überraschend kohärentes Gesamtwerk, das das Centre Pompidou in dieser Ausstellung zeigt. Die stetige Suche nach neuen aufregenden Formen ist bis heute Frank Gehrys Markenzeichen. Und die Ausstellung wird dem mehr als gerecht, weil sie die Architektur nicht wie oft üblich mit ultra-glatten Modellen und ausgefeilten Projektionen zeigt, sondern als permanentes Experiment.