Foto-Band über Katarina Witt

Die Brooke Shields des Eiskunstlaufs

Katarina Witt posiert mit dem Foto-Band "Katarina Witt - So viel Leben".
Die zweifache Eiskunstlauf-Olympiasiegerin und mehrfache Weltmeisterin Katarina Witt präsentiert am 14.10.2015 bei einem Fototermin am Stand des Edel Verlags auf der Buchmesse in Frankfurt am Main den Bildband "Katarina Witt - So viel Leben". © picture alliance / dpa / Arne Dedert
Von Andreas Ulrich · 29.11.2015
Sie gewann zwei Mal bei Olympia und zahlreiche weitere Titel: In den 1980er-Jahren wurde die DDR-Eiskunstläuferin Katarina Witt zum Star. Zu ihrem 50. Geburtstag erzählt sie im Foto-Band "So viel Leben" von Höhen und Tiefen ihrer Karriere - und wie sie in den USA zum "schönsten Gesicht des Sozialismus" wurde.
Katarina Witt im schwarzen Laufkleidchen, Katarina Witt in Rot, in Grün, in Weiß, mit Rüschen, Palletten, Perlen, mit Federboa. Die Frau, die das Eiskunstlaufen in den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts geradezu neu erfand.
"Ich war tatsächlich die erste bei den Damen, die jetzt nicht einfach ein Kürprogramm abgespult hat, sondern versucht hat, über all die Jahre immer eine Geschichte zu erzählen. Wo wir dann provoziert haben: Mozartkleidung. Ich mit Knickerbocker-Hosen auf dem Eis. Und da haben natürlich alle die Hände über'm Kopf zusammen geschlagen. Wie geht das? Mädchen, das ist die Disziplin der Frauen. Die müssen doch einen Rock tragen. Und da wurden anschließend auch wirklich die Regeln geändert, dass auf jeden Fall ein Rock getragen werden muss."
Technisch gab es Bessere als die Karl-Marx-Städterin, die mit Salchow und Toeloop gerade mal zwei Dreifachsprünge sicher beherrscht. Kein Zufall, dass im Fotoband zum Geburtstag Aufnahmen raffinierter Sprünge fehlen. Witts Stärke war der künstlerische Ausdruck. Sie schafft es, ihr Publikum zu berühren. Vor allem in den USA kannte sie schon nach ihrem Olympiasieg 1984 fast jeder. Und schuld daran war eine Verwechselung:
(Ausschnitt aus dem Song "Love theme - the blue lagoon" von Basil Poledouris)
Die Titelmusik aus Blue Lagoon. Eine Hollywood-Romanze aus den frühen 80ern. In der weiblichen Hauptrolle die gerade 18-jährige Brooke Shields, die zum Schönheitsideal einer ganzen Generation wurde. Und Katarina Witt sah aus wie Brooke Shields.
"Es ist wirklich so, wir könnten fast Schwestern sein. Wir haben uns dann auch später mal getroffen und es war echt lustig. Wir sind aufeinander zu und haben gesagt: 'Endlich, nach zehn Jahren treffen wir uns mal'. Und das hat mir dort natürlich immer geholfen. Weil plötzlich hieß es 'Ah, das ist die Brooke Shields des Eiskunstlaufens'."
"So, Dir zeig' ich's jetzt!"
Witt erzählt diese Geschichte im Buch. Nicht nur wegen dieser Ähnlichkeit mit dem Hollywoodstar wird sie in den USA geliebt, bis heute. Das "Schönste Gesicht des Sozialismus" titelte das Time Magazine in den 80er-Jahren.
Im Buch dazu: Katarina Witt mit Frank Sinatra, mit Aretha Franklin oder der Rock-Band Kiss. Die Frau aus Karl-Marx-Stadt war und ist Teil der nordamerikanischen Pop-Szene. Unterdessen lieferte sie sich als Sportlerin ausgerechnet mit einer US-Amerikanerin, mit Debbie Thomas, die heftigsten Duelle. Auf einem der Fotos stehen beide nebeneinander und schauen betont aneinander vorbei.
"Fünf Mädchen oder Frauen hatten die Chance, Weltmeister zu werden und ich sah dann auch Debbie Thomas, die sich ganz provozierend ans Eis gestellt hatte, Arme verschränkt, was ich dann ein Jahr später wiederholt habe bei den Olympischen Spielen - bei ihr allerdings. Und ich hab sie da stehen sehen und hab gedacht: 'So, Dir zeig' ich's jetzt!'".
Witt triumphierte, wurde Weltmeisterin und setzte sich auch bei Olympia '88 gegen die Amerikanerin durch. Ende der 80er-Jahre – davon zeugen euphorische "Bild"-Zeitungsartikel im Buch – war Witt auch in Westdeutschland ein Star. Der Deutschlandfunk sendete sogar live aus Witts Heimatstadt:
Ausschnitt aus dem "DLF-Sportgespräch" von 1987:
"Guten Abend meine Damen und Herren, unser heutiges Sportgespräch kommt aus Karl-Marx-Stadt. Es gab eine Umfrage in der Bundesrepublik, in einem großen Sportmagazin, wo also nun die Sportlerin und der Sportler mit der größten Ausstrahlung, mit dem Sexappeal, wenn man so will - und da sind Sie gewählt worden, Sie sind die Sportlerin, die in der Bundesrepublik also am populärsten ist."
Nach der Wende von der Zicke zum "Star aus dem Osten"
Im eigenen Land dagegen sank ihre Popularität. Vor allem, dass sie die Welt ungehindert bereisen konnte, missgönnten ihr manche Landesleute. Ebenso – auch diese Fotos fehlen nicht – ihre Treffen mit Staatschef Honecker. Wenn Witt heute zurückblickt, dann war die Zeit nach der Wende...
"'Ne wirklich auch emotional schwere Zeit für mich, die auch emotional schwer zu verarbeiten war, wo ich da ziemlich ein paar auf den Deckel gekriegt habe, mit 'Rote Socke' und 'SED-Ziege'. Also da hat man mir schon ganz schön alles um die Ohren gehauen, bis hin zu, ich hätte meine Sportfreunde ausgespitzelt und lauter solche Sachen. Das waren so drei, vier Jahre, die wirklich hart gewesen sind."
Von den Vorwürfen ist nichts übrig geblieben. Die Zicke wandelt sich zum "Star aus dem Osten", der die Medien inzwischen durchaus zu handeln weiß: Als Sport-Kommentatorin in der ARD, als Showmasterin bei Pro 7 und RTL. Das Fachmagazin Kicker kürt sie 1999 gar zur "Sportlerin des Jahrhunderts". "So viel Leben" – das ist auf 300 Fotos die bisherige Lebensgeschichte einer starken, einer bemerkenswerten Frau. Die – wie sie im Buch gerne noch mal erzählt – mit ihren Akt-Fotos dem Magazin Playboy zu einem weltweiten Verkaufsrekord verhalf. Diese Foto allerdings fehlen im Buch. Vielleicht gab es ja Rechte-Gründe.

So viel Leben – Katarina Witt
300 Fotos und Abbildungen
Edel Books, Hamburg 2015
19,95 Euro

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