Folgen der Pkw-Maut

Blechlawinen, die durch Dörfer rollen

Ein Hinweisschild für die Mautpflicht vor blauem Himmel.
Für deutsche Autofahrer soll die Pkw-Maut über die Kfz-Steuer ausgeglichen werden. © Jens Büttner, dpa
Von Simone Schmollack · 11.12.2014
Nicht nur für Lastwagen, sondern auch für Pkw soll auf deutschen Autobahnen eine Maut bezahlt werden. So will es die Koalition. Doch dieses Mautsystem ist nicht durchdacht, findet Simone Schmollack. Sie sagt kilometerlange Blechlawinen auf den Ausweichstraßen voraus.
Ungerecht soll sie sein, teuer und wirtschaftsschädigend - die Maut, nun auch für Pkw. Also wurde mächtig an ihr herumgeschraubt, bis scheinbar alle zufrieden waren: Politik, Wirtschaft, Autofahrer.
Der Kompromiss, der herauskam, ist allerdings alles andere als zufriedenstellend. Dabei war die Ursprungsidee von CSU- Verkehrsminister Alexander Dobrindt gar nicht mal so schlecht: Eine Abgabe für alle, die ihre Fahrzeuge auf Autobahnen, Bundes- und Landstraßen bewegen.
Was ist daran falsch? Europäische Länder wie Frankreich, Italien und die Schweiz kassieren schon lange dafür, dass man ihre Straßen benutzen darf. Selbst in Montenegro, in Island und in Albanien gibt es eine Maut. Wer dahin in den Urlaub fährt, zahlt selbstverständlich die Abgabe. Sicher ungern, aber er zahlt.
130 Euro im Jahr soll die Maut hierzulande kosten, im Gegenzug dafür die Kfz-Steuer gesenkt werden. Es wird also erst mal gar nicht teurer für Autofahrer mit deutschem Kennzeichen. Erst später, 2018, nach der nächsten Bundestagswahl, könnte die Gebühr steigen.
Und selbst wenn, wo liegt das Problem? Für Benzin sind Autofahrer bereit, nahezu jeden Preis zu zahlen. Das Problem liegt vor allem bei den Knausrigen, die versuchen, allein an der Maut zu sparen.
Wenn schon eine Maut, dann bitte eine für alle Straßen und Fahrtzeuge!
Und das ist ganz einfach: Sie fahren nicht mehr auf Autobahnen, sondern nur noch auf Bundes- und Landstraßen. Auf denen muss man - dank Verkehrsminister Dobrindt - nämlich nichts zahlen. Solche Reisen dauern zwar länger. Sie sind auch anstrengender, weil man in Kurven bremsen und in den Dörfern sowieso langsamer fahren muss.
Aber egal, Hauptsache die Mauteintreiber sind gelinkt. Das ist nicht neu. So verfahren etwa seit etwa zehn Jahren jede Menge Spediteure, die ihre Lkw über kleinere Straßen und damit durch Ortschaften jagen, in denen es vorher genügsam und lauschig zuging.
Unabhängig davon, dass die Kommunen ihre ohnehin schon schmalen Kassen schröpfen müssen, um Wege zu reparieren, leiden ihre Bürger unter dem ständig wachsenden Straßenverkehr, schlafen schlecht, weil Trucks selbst nachts durch Dörfer donnern und können tagsüber ihre Kinder nicht mehr unbeaufsichtigt vor dem Hof spielen lassen. Häuser bekommen Risse, Dächer werden undicht, Immobilienpreise sinken.
Zukunftsperspektive: Rucksack-Radfahrer werden von Transportern bedrängt
Auch der Wirtschaft, dem Tourismus schadet eine Maut, die dazu verführt, Fernverkehr durch die ländliche Region zu leiten. Rucksack-Radfahrer werden von Transportern bedrängt. Reisende meiden kleine Hotels und Cafés am Landstraßenrand, weil die Umgebung laut und dreckig geworden ist. Manche kleiner Betriebe müssen schließen.
Landbewohner haben gar nichts gegen das Autofahren, sie sind selbst darauf angewiesen. Bei ihnen ist der öffentliche Nahverkehr eben nicht so attraktiv wie in der Stadt. Doch die Mautpreller machen ihnen das Leben schwer, besonders entlang beliebter Ausweichstrecken. Und niemand schert sich um den wirtschaftlichen Schaden der Dörfler.
Damit lässt sich einmal mehr belegen: Eine Maut, die nur für Autobahnen gilt, ist eine komplett falsche Entscheidung. Wenn schon, dann richtig: für alle Straßen und alle Fahrzeuge. Und diese Abgabe darf auch ein bisschen teurer sein.
Wen das schmerzt, ob Spediteur oder Privatfahrer, der hätte ein Alternative: Er könnte umladen oder umsteigen auf die Bahn. Die dürfte – volkswirtschaftlich kalkuliert – kostengünstiger unterwegs sein, vorausgesetzt sie erhöht nicht jedes Jahr ihre Preise und treibt so ihrerseits den Verkehr über Asphalt und Kopfsteinpflaster.
Simone Schmollack, geboren 1964 in Berlin, ist Redakteurin bei der "Tageszeitung" in Berlin und Autorin zahlreicher Bücher, darunter "Kuckuckskinder. Kuckuckseltern", "Deutsch-deutsche Beziehungen. Liebe zwischen Ost und West" und "Damals nach der DDR. Geschichten von Abschied und Aufbruch". Sie beschäftigt sich vor allem mit Themen an der Schnittstelle von Politik, Wirtschaft und Privatheit. Sie studierte Germanistik, Slawistik und Journalistik in Leipzig, Berlin und Smolensk.
Simone Schmollack
Simone Schmollack© Dietl
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