Fluten von Steinkohlebergwerken

Wer zahlt die Zeche?

Im Bergwerk Saar der "RAG Deutsche Steinkohle" in Ensdorf im Saarland hängt neben zwei Schildern ein Foto mit ehemaligen Arbeitern
Im Bergwerk Saar der "RAG Deutsche Steinkohle" in Ensdorf im Saarland hängt neben zwei Schildern ein Foto mit ehemaligen Arbeitern © Imago / Becker & Bredel
Von Tonja Koch  · 16.03.2015
Der Bergbau-Konzern RAG möchte eine Genehmigung für die Flutung der früheren Gruben an der Saar. Umweltverbände und Anwohner laufen Sturm. Sie befürchten unter anderem, dass Schadstoffe - etwa PCB – ausgespült werden könnten und das Trinkwasser verseuchen.
Dass die Pumpen ewig laufen werden, wenn der Bergbau gegangen ist, das hat sich bis heute in den Köpfen der Menschen festgesetzt.
"Ja, ja, im Prinzip schon, müssen sie."
Walter Hörster ist Mitglied der Interessengemeinschaft zur Abwendung von Bergschäden. Nachdem die Steinkohleförderung 2012 im Saarland eingestellt wurde, war es ruhig geworden um die Bürgerinitiative. Inzwischen aber stehen die Zeichen wieder auf Alarm, sagt Manfred Reiter.
"Hier geht es um das Wohl oder Wehe einer ganzen Region, wenn tatsächlich mit dem Trinkwasser etwas passiert."
Seitdem bekannt geworden ist, dass die RAG an der Saar einen anderen Weg gehen möchte und die Pumpen abstellen möchte, treffen sich die Mitglieder der Interessengemeinschaft wieder häufiger. Sie sitzen abends um 8 im Nebenzimmer einer Kneipe und beratschlagen darüber, wie sie mit der Ankündigung der RAG umgehen sollen. Schließlich gehe es um gewaltige Dimensionen, um ein Viertel der Landesfläche.
"Wir gehen davon aus, dass mindestens ein Gebiet betroffen ist von 600 km², 600.000 Menschen und 23 Kommunen."
Peter Lehnert ist die Gallionsfigur des Bergbauwiderstandes an der Saar. Er weiß was auf dem Spiel steht. Denn wenn das Grubenwasser steigt, dann kann dadurch das Trinkwasser gefährdet werden, es können Erdbeben auftreten oder unkontrollierte Gasaustritte. Es muss auch damit gerechnet werden, dass sich die Erde an verschiedenen Stellen hebt oder senkt. Lehnert ist heute Bürgermeister der Gemeinde Nalbach. Trotz aller Unsicherheiten, zählt er zu denjenigen, die einer Flutung der Steinkohle-Gruben im Saarland etwas Gutes abgewinnen können.
"Ich würde hier einmal als verantwortungsbewusster Mensch reden wollen, jemand, der an Generationengerechtigkeit glaubt. Wir müssen dieses Problem innerhalb einer gewissen Zeit
lösen. Es kann keine Lösung sein, das Problem nach hinten zu verschieben und zu sagen, wir lassen die Pumpen auf ewig laufen, denn an das ewig glaube ich nicht."
Die Beunruhigung der Bevölkerung ist noch gewachsen, seit öffentlich geworden ist, dass Giftstoffe unter Tage sind, darunter Asbest und PCB. Die mit dem Weichmacher PCB angereicherten Hydraulik-Öle wurden bis zu ihrem Verbot, Ende der 1980 Jahre, verwendet. Ein sorgloser Umgang hat dazu geführt, dass der größte Teil unter Tage an vielen verschiedenen Stellen ins Erdreich gesickert ist. Sie können kaum noch lokalisiert werden. Anders bei Asbest. Wo die Zementfässer lagern, weiß die RAG genau. Nur für beide Stoffe gilt, sie lassen sich nicht mehr bergen.
Axel Schäfer: "Das muss man klipp und klar sagen, dass kann nicht mehr gehoben werden."
Das Gebirge hat die Hohlräume längst zugedrückt. Im Hinblick auf eine mögliche Belastung des Grubenwassers mit giftigen Stoffen sei dies von Vorteil, argumentiert der Hydrologe Professor Jürgen Wagner.
"Das sind Räume, die sozusagen weg vom eigentlichen Hauptströmungsgeschehen liegen. Das Wasser nimmt den Weg des geringsten Strömungswiderstandes und der ist in den Strecken in den offenen Hohlräumen natürlich sehr gering, dort kann das Wasser ungehindert fließen, während es in den konvergierten Bereichen, dort wo Gebirge nachgefallen ist, da ist ein Widerstand zu überwinden. Folglich werden solche Bereiche kaum durchströmt und die Stoffe, die dort sind, verharren quasi stationär in vielen Fällen."
Bergbaubetroffene fürchten vor allem erneute Beben
Ob quasi stationär bedeutet, dass sich diese Stoffe überhaupt nicht vom Fleck rühren, wenn sie vom Wasser erfasst werden oder ein bisschen, das müsse der Bergbaubetreiber mit Hilfe von Modellrechnungen klären. Nötig sei überdies eine exakte Kartierung sämtlicher vom Menschen eingebrachter Stoffe unter Tage, um darauf ein leistungsfähiges Überwachungsmanagement stützten zu können. Wenn all dies beachtet würde, sei eine Gefährdung der Trinkwasserversorgung durch die Flutungen als gering einzuschätzen, sagt Professor Wagner.
"Die Schichten des Karbon sind Grundwasser-Nicht-Leiter oder Grund-Wasser-Geringleiter, die wasserwirtschaftlich keine Rolle spielen."
Allerdings ist bislang noch kein Flutungsversuch in der geplanten Größenordnung unternommen worden. Die Bergbaubetroffenen fordern mehr wissenschaftliche Begleitung. Erst wenn alle möglichen Szenarien untersucht seien, dürften die Pumpen abgestellt werden und das Grubenwasser steigen, denn sie seien schließlich keine Versuchskaninchen, sagt Peter Lehnert.
"Wenn keine Gutachten vorliegen und ich dreh' einfach den Hahn auf, lass die Badewanne volllaufen und guck mal ob der Überlauf funktioniert, finde ich Versuchskaninchen noch geschmeichelt."
Die Bergbaubetroffenen fürchten vor allem erneute Beben, wenn das Wasser steigt. Die vom Bergbau ausgelösten Erdbeben hatten die Menschen über Jahre in Angst und Schrecken versetzt. 2008 wurde eine Stärke von 4,0 auf der Richterskala gemessen. Daraufhin wurde die Kohleförderung an der Saar vorzeitig beendet.
"Wir haben wieder verstärkt Meldungen über ein starkes, deutlich spürbares Erdbeben in der Region und es waren auch wieder mehrere kleinere, und es sind auch wieder die ersten Schadensmeldungen da."
Die Beben werden mehr, wenn der Fels nasse Füße bekommt, davon ist auch Hydrologe Jürgen Wagner überzeugt.
"Eine Flutung ohne irgendwelche Auffälligkeiten und Anzeichen wird es nicht geben. Auch das, was jetzt äußerlich ruhig erscheint, ist begleitet von vielen mikroseismischen Ereignissen, wo also praktisch Mini-Erschütterungen stattfinden, die überhaupt nicht registriert werden. Das ist aber durchaus was Positives, denn dann wird diese akkumulierte Restspannung im Gebirge sich nicht aufstauen, bis ein großer Betrag akkumuliert ist und dann zu einer plötzlichen starken Bewegung führt. Das heißt nicht, dass nicht tatsächlich ein stärkeres Ereignis passieren kann, aber die Wahrscheinlichkeit ist gering."
Selbst wenn die Wahrscheinlichkeit gering ist, die Kommunen würden dadurch auf Jahre in ihrer Entwicklung gehemmt, fürchtet der Nalbacher Bürgermeister.
"Wer zieht schon in ein Gebiet das derart mit Unsicherheiten belegt ist."
Lehnert fordert daher einen finanziellen Ausgleich für die Gemeinden, die diesem großräumigen Feldversuch ausgesetzt sind. Die Zielsetzung des Bergbaubetreibers RAG, die Pumpen früher abzustellen, nur um Geld zu sparen, sei nicht hinnehmbar.
"Wenn sie dieses Geld schon spart, es geht um 16-20 Millionen, dann muss dieses Geld in die Kommunen fließen, um einer negativen Entwicklung der Altlasten des Bergbaues entgegen zu wirken."
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