Flüchtlinge in Deutschland

"Viele tausend kleine Gesten"

Flüchtlinge werden am Hauptbahnhof München von Menschen hinter einer Absperrung begrüßt.
Viele Menschen kamen am Wochenende zum Münchner Hauptbahnhof, um die dort ankommenden Flüchtlinge zu begrüßen. © picture alliance / dpa/ Sven Hoppe
Moderation: Katrin Heise und Vladimir Balzer · 07.09.2015
Manche schwärmen schon von einem "zweiten Sommermärchen": Etliche Münchner haben den Flüchtlingen an diesem Wochenende einen herzlichen Empfang bereitet. Über diese freundliche Seite Deutschlands sprechen wir mit den Journalisten Peter Bild und Heribert Prantl.
"Deutschland erlebt derzeit ein zweites Sommermärchen. Menschen stehen an den Bahnhöfen des Landes und empfangen Tausende Flüchtlinge", heißt es in der "Huffington Post". Die "New York Times" widmet der neuen deutschen Hilfsbereitschaft sogar ihre Titelseite. Vor allem die Bilder, die an diesem Wochenende bei der Ankunft von Flüchtlingen in München zu sehen waren, haben viele beeindruckt.
"Das waren grandiose Szenen", sagt auch der SZ-Journalist Heribert Prantl im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur.
"Die biblische Geschichte vom dankbaren Samariter war am letzten Wochenende in München ganz nah an der Wirklichkeit. Ein kleiner syrischer Junge strahlt, wenn er die Mütze eines bayerischen Polizeibeamten aufsetzen darf. Ein erschöpfter Mann wischt sich eine Träne aus dem Auge, ein anderer lacht übers ganze Gesicht und formt mit den Händen ein Herz. Die Bürgerinnen und Bürger am Bahnsteig klatschen Beifall. Das sind viele tausend kleine Gesten, die möglich geworden waren, weil sich die Bundeskanzlerin zu einer großen Geste entschlossen hatte: Deutschland nimmt die Flüchtlinge aus Syrien auf, und die Entscheidung fiel mit einer Klarheit, die ich ihr eigentlich nicht zugetraut hätte."
"Deutschland ist kein Neonaziland, Deutschland leistet Hilfe"
Die schnelle Aufnahme sei eine Ausnahemeentscheidung in einer Ausnahmesituation – dennoch aber eine "historische Entscheidung", sagte Prantl. Die neue Herzlichkeit löse natürlich nicht die Probleme bei der Integration der Flüchtlinge. "Deutschland hat sich nicht über Nacht in ein Paradies der Nächstenliebe verwandelt", sagte der SZ-Journalist. Die Gesellschaft sei hin und her gerissen zwischen Hilfsbereitschaft, Hilflosigkeit und Hetze. In dieser Situation habe Angela Merkel ein Signal setzen wollen: "Deutschland ist kein Neonaziland, Deutschland leistet Hilfe." Jetzt beginne die Mühe der Umsetzung.
Auch der britische Journalist Peter Bild, ehemaliger Deutschlandkorrespondent bei "Times" und "Guardian", zeigte sich beeindruckt von der deutschen Hilfsbereitschaft. In Großbritannien hätten Deutschland und besonders Angela Merkel lange als unterkühlt gegolten. Dieses Image gerate nun in Bewegung. "Die Bilder sind sehr imponierend", sagte Bild.
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