Florine Stettheimer

Das Leben als Schönheitswettbewerb

Die Gestaltung der Ausstellungsräume im Münchner Lenbachhaus ist inspiriert von Stettheimers Kunst der Inszenierung.
Die Gestaltung der Ausstellungsräume im Münchner Lenbachhaus ist inspiriert von Stettheimers Kunst der Inszenierung. © picture alliance / dpa / Peter Kneffel
Von Astrid Mayerle  · 26.09.2014
Die New Yorker Malerin Florine Stettheimer liebte die große Geste. Ein Ausstellung im Kunstbau des Lenbachhauses in München gibt Einblicke in das schillernde Leben der Avantgardistin, die hierzulande völlig unbekannt ist.
Miss Spring gleicht einer blonden Josephine Baker, Miss Atlantic City trägt ein Sterntalerkleid - blauweißrot wie die US-amerikanische Flagge - und die üppige Miss Deal Beach hat einen weißen Lilienstrauß in der Hand. Während die afroamerikanischen Musiker links im Bild höchstwahrscheinlich heitersten Jazz spielen, beobachtet - ja - die Künstlerin selbst von einer Hängematte aus das Geschehen. "Beauty Contest", also "Schönheitswettbewerb" nannte sie das Bild, das wie viele ihrer Werke auf unglaublich kapriziöse Weise von gesellschaftlichen Vergnügungen in den USA der 20er- und 30er-Jahre erzählt. Susanne Böller, eine der beiden Kuratorinnen der Ausstellung im Kunstbau des Lenbachhauses hat die Hintergründe im Detail recherchiert:
"Die beauty contests gab es schon im 19. Jahrhundert und der erste, der das gemacht hat, war dieser P.T. Barnum und dem widmet sie - in Anführungszeichen - auch dieses Bild. Das war eine beliebte Unterhaltung und 1921 in Atlantic City in New Jersey gibt's einen nationalen beauty contest und zwar weil eigentlich die Geschäftsleute wollten, dass sich die Saison noch in den September hineinzieht. 1924 ist Stettheimer nachgewiesenermaßen auch in Atlantic City und schaut sich diese Sachen an."
Mitglieder des Kunstbetriebs auf ihren Bildern verewigt
In ihren überbordenden Szenen taucht nicht nur die Malerin selbst immer wieder auf, sondern auch ihre unzähligen Bekannten und Freunde lässt sie vorkommen. Zum Teil verkehrten diese in jenem Salon, den sie mit ihrer Mutter und ihren beiden Schwestern in New York unterhielt. Allein in "The Cathedrals of Arts" treten auf: der Galerist und Fotograf Alfred Stieglitz, Gertrude Vanderbuilt, Gründerin des Whitney Museums, der Kunstkritiker Henry McBride und mindestens ein halbes Dutzend weitere Zeitgenossen.
Der rote Teppich, der durch das Geschehen führt, findet sich ebenso wie weiße Kunststoffvorhänge aus anderen Bildern in der Dramaturgie der Ausstellung wieder. Die Inszenierung schafft eine fast persönliche Umgebung, indem sie Stettheimers Ideen, Materialien und Vorlieben aufnimmt - auch Details ihrer Entwürfe etwa für die Oper "Four Saints in three Acts", bei der sie Bühne und Kostüme gestaltete und die als historische Aufnahme in der Ausstellung zu sehen ist. Außerdem, so die Kuratorin Karin Althaus:
"Florine Stettheimer hat ihre Kunst selber nie ein einem kahlen Ausstellungsraum gezeigt. Der klassische white cube war nicht das, was sie haben wollte für ihre Bilder, sondern sie hat sie inszeniert mit Vorhängen, mit Baldachinen, mit selbst entworfenen Möbeln, und das haben wir versucht, nachzuahmen. Es ist eine von Stettheimer inspirierte Inszenierung, die die Bühnenbildnerin Katrin Frosch aus Köln für uns entworfen hat.
Flucht nach Amerika
Florine Stettheimer stammte aus einer wohlhabenden deutsch-jüdischen Familie. Vor dem Ersten Weltkrieg reiste sie sehr viel und besuchte auch München und die damalige Villa Lenbach.
1914 flüchtete sie bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs nach New York und lebte dort bald als überzeugte Amerikanerin. Allein 28 amerikanische Flaggen enthält ihr Bild "Liberty". Es zeigt, wie Präsident Wilson 1918 per Dampfer nach den Friedensverhandlungen aus Europa zurückkehrt. Dennoch: eine politische Haltung will Susanne Böller darin nicht erkennen:

"Sie hat sich als 'patriotische Amerikanerin' bezeichnet, hat in ihrem Studio eine George Washington Nische eingerichtet, er kommt auch immer wieder in ihren Bildern vor. Ich würde das eher als Folklore bezeichnen denn als politisch gedachten Patriotismus."
Zuarbeit von Marcel Duchamp
In den USA ist Florine Stettheimer bekannt, hierzulande wurde sie bislang völlig übersehen. Daher liefert das Lenbachhaus mit dieser Ausstellung eine wirkliche Entdeckung. Am Ende erfährt man hier auch noch, dass sich der spröde Avantgardist Marcel Duchamp nicht zierte, ein handgefertigtes Objekt für eine Puppenstube der Stettheimers zu liefern: Seinen berühmten "Akt die Treppe herabsteigend" malte er in Briefmarkengröße für dieses vielleicht berühmteste "Dollhouse" der Welt.
Genau so sind auch die Bilder der Künstlerin: voller amüsanter Details und Überraschungen, die mehr über verrückte Vorlieben und privaten Momente der Avantgarde verraten als es etwa Facebook je könnte. Irrsinnig komisch und schillernd!