FIFA-Skandal

Warum die Sponsoren Blatter "gescheit" machen werden

Sepp Blatter beim 65. FIFA-Kongress in Zürich 2015
Sepp Blatter beim 65. FIFA-Kongress in Zürich 2015 © Imago / Ulmer
Jean Ziegler im Gespräch mit Miriam Rossius · 30.05.2015
Der Weltfußballverband FIFA bestätigt ungeachtet des größten Skandals seiner Geschichte Sepp Blatter als Präsident. Korruption, Veruntreuung, Bestechung - unter dem Druck der Sponsoren wird Blatter im FIFA-Apparat jetzt aufräumen, meint der Soziologe Jean Ziegler.
Nach Ansicht des Schweizer Soziologen und Globalisierungskritikers Jean Ziegler wird der wiedergewählte FIFA-Präsident Sepp Blatter auf Druck der Sponsoren das Problem der Korruption im Zentrum des Weltfußballverbandes anpacken.
"Es gibt einen ganz zwingenden Grund und das sind die Sponsoren," begründete Ziegler im Deutschlandradio Kultur seinen Optimismus, dass Blatter angesichts des neusten Korruptionsskandals im FIFA-Apparat aufräumen werde.
Der Soziologe und Schriftsteller Jean Ziegler
Der Soziologe und Globalisierungskritiker Jean Ziegler © picture-alliance / Frank May
Angesichts des Imageschadens drohen Sponsoren mit Kündigung
Angesichts der Drohung mehrerer der großen Sponsoren, die Verträge mit der FIFA zu kündigen, "unter dieser Bedrohungssituation wird Sepp Blatter gescheit (...) und das Menschenmöglich tun, um den Ruf wieder herzustellen," meint Ziegler und verwies auf die "unglaubliche Mengen an Geld" aus den Sponsorenverträgen mit Firmen wie Adidas, Nike, McDonalds, um die es bei der FIFA gehe.
Neue Dimension der Korruption im FIFA-Apparat
Im Unterschied zu früheren Korruptionsskandalen zeigten die Ermittlungen der amerikanischen Staatsanwaltschaft wegen Betrugs und Geldwäsche und die Prüfung der Schweizer Bundesanwaltschaft eine ganz andere Dimension, erklärte der 81-jährige emeritierte Soziologieprofessor der Universität Genf, der auch dem Beirat der Bürger- und Menschenrechtsorganisation Business Crime Control angehört. "Die Verhaftungen von sieben der 22 Mitglieder im FIFA-Exekutiv-Komitee sowie von Mitarbeitern aus dem Marketingbereich, das ist eine ganz neue Situation", so Ziegler. Die Verantwortlichen würden in den USA und der Schweiz zur Rechenschaft gezogen.
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Das vollständige Interview im Wortlaut:
Miriam Rossius: Wann wird Sepp Blatter verhaftet? Einer greifbaren Antwort auf diese Frage gibt der ein oder andere eventuell noch eine Chance, denn es kam zu neuen Festnahmen bei der FIFA, aber erst einmal ist Sepp Blatter wiedergewählt. Jean Ziegler ist Soziologe, Mitglied im UNO-Menschenrechtsrat und er hat gerade das Buch veröffentlicht "Ändere die Welt! Warum man die kannibalische Weltordnung stürzen soll". Ich grüße Sie, schönen guten Morgen nach Genf, Herr Ziegler!
Jean Ziegler: Guten Tag!
Rossius: Die Blatter-Allianz, die steht, haben wir gesehen. Afrika und Asien, wie bekannt, gegen den europäischen Fußballverband. Welchen Grund gibt es denn jetzt überhaupt noch für Joseph Blatter, aufzuräumen oder so zu tun, als hätte er das vor?
"Es gibt einen ganz zwingenden Grund, und das sind die Sponsoren"
Ziegler: Es gibt einen ganz zwingenden Grund, und das sind die Sponsoren. Sie wissen, dass unglaubliche Mengen Geld im Spiel sind, wenn es um die FIFA, um den Weltfußball geht, und viele, viele dieser Millionen kommen von den Sponsorenverträgen: Adidas, Nike, McDonalds und viele andere. Und mehrere dieser ganzen Weltunternehmen, die diese Sponsorenverträge tragen, haben schon gedroht, sie werden diese kündigen, wenn der Ruf nicht wiederhergestellt wird, also wenn eine Säuberungsaktion nicht gemacht wird innerhalb des FIFA-Apparates. Und unter dieser Bedrohung und in dieser Situation wird Blatter, wie ich ihn kenne – denn er ist gescheit und rasch und weiß auch, um was es geht –, sofort das Menschenmöglichste tun, um diesen Ruf wiederherzustellen der FIFA.
Rossius: Glauben Sie denn, dass das wirklich sehr viel mehr oder dass es eine ernstgemeinte Drohung ist, denn Skandale rund um die FIFA gab es ja immer wieder, und dann haben sich die Sponsoren zwar besorgt geäußert, aber sehr viel mehr ist nicht passiert, auch diesmal noch nicht.
Ziegler: Aber jetzt ist eine ganz andere Situation. Es gibt eine Staatsanwältin in New York, die Frau Loretta Lynch, die hat ein Rechtshilfegesuch an die Schweiz gestellt. Von den 22 – die Regierung der FIFA, des Weltverbandes, besteht ja aus dem Exekutivkomitee und dem Präsidenten –, von den 22 Mitgliedern des Exekutivkomitees sind sieben verhaftet worden und dann noch fünf Menschen aus dem Marketingbereich verhaftet worden, sitzen jetzt in Haft in Zürich, in verschiedenen Gefängnissen des Kantons Zürich, in sogenannter Auslieferungshaft, werden also ausgeliefert nach Amerika. Die Deliktvorwürfe sind Geldwäscherei, Betrug, Urkundenfälschung und Korruption, also sehr schwerwiegende Delikte, die theoretisch bis zu 20 Jahren Haft einbringen könnten. Es ist eine ganz neue Situation also. Und dann hat die Schweizerische Bundesstaatsanwaltschaft, eine eigene Untersuchung wegen Geldwäscherei eröffnet.
Rossius: Herr Ziegler, es geht eben um organisierte Kriminalität. Müsste man denn dann nicht am besten gleich die ganze Organisation abschaffen, wenn sich was ändern soll? Viele rufen ja nach dem Rücktritt Blatters, aber wäre die FIFA ohne ihn wirklich besser dran?
Ziegler: Das kann man so nicht sagen, glaube ich. Erstens einmal möchte ich sagen, der Fußball hat einen unglaublichen nicht nur wirtschaftlichen Einfluss, auch moralischen Einfluss auf diese Welt. Es ist erstens einmal ein unglaublich kluges Spiel, elf Menschen, also 22, in einer Mannschaft sind elf Männer oder Frauen, die die kollektive Intelligenz eines Fußballspiels, gespielt zum Beispiel von der deutschen Mannschaft, das ist etwas Hochintelligentes, das ist nicht nur Athletik ...
Rossius: Keine Frage.
"Der Weltverband für den Fußball hat große Leistungen erbracht"
Ziegler: ... das ist intellektuell hochinteressant, das Zusammenspiel, die kollektive Intelligenz, die da sichtbar wird. Der Weltverband für den Fußball, der diese Perzeption universalisiert hat, der hat große Leistungen erbracht, indem er den Fußball befördert hat, vor allem auch – das ist das Verdienst von Blatter – in den ärmsten Gegenden der Welt. Es gibt ja 209 Fußballverbände, sehr große, der deutsche, über sechs Millionen Mitglieder, und der kleinste ...
Rossius: Herr Ziegler, bei den sechs Millionen, da sind wir ja auch bei den Fans, bei den Zuschauern, inwiefern die das System vielleicht auch mittragen oder anders gefragt: Würden wir beide dieses Gespräch überhaupt führen, wenn der Fußball nicht so viele Anhänger hätte?
Ziegler: Na ja, Sie hätten mich sicher nicht interviewt und der große Deutschlandfunk würde nicht darüber berichten, wenn es nicht eine Weltbewegung wäre.
Rossius: Deutschlandradio Kultur, aber der Deutschlandfunk ist unser Schwesterhaus.
Ziegler: Entschuldigung, Deutschlandradio Kultur. Letztes Jahr, also beim Finale mit dem Sieg der deutschen Mannschaft ja in der Tat in Brasilien, da haben nach Schätzungen 1,5 Milliarden Menschen das Finalspiel gesehen. Es gibt keine andere menschliche Tätigkeit, die so viele Zuschauer und Mitfiebernde hat wie ein Weltcupfinale des Weltfußballs. Was da gezeigt wurde, einmal an athletischem Können, an eben kollektiver Intelligenz, das war ganz unglaublich großartig und hat eben diese Menschenmengen zum Mitmachen, Mitfühlen, Mitfiebern gezogen. Jetzt kommt Russland 2018, dann Katar 2022 ...
Rossius: Aber ist gegen all das ein Kraut gewachsen, Herr Ziegler?
"Konkrete Delikte, die werden jetzt auch geahndet wahrscheinlich"
Ziegler: Es wird so weitergehen, der Weltfußball, der wird sich noch ausdehnen, und ich glaube, die FIFA hat, was immer auch diese Delinquenten sind, die jetzt verhaftet worden sind und die in der Auslieferungshaft sitzen für ganz konkrete Delikte, die werden jetzt auch geahndet wahrscheinlich, von der schweizerischen und vor allem von der amerikanischen Justiz, die da kein Spaß versteht.
Rossius: Wann geht's Herrn Blatter an den Kragen?
Ziegler: Das glaube ich nicht, warum sollte er ... Also in diesen Untersuchungen, die es jetzt gibt, der Justizskandal, - was man jetzt liest - da ist er ja nicht betroffen, und auch der Generalsekretär ist nicht betroffen. Dazu kommt, dass es ein Ethikkomitee gibt, also der Josef Blatter, ein Arbeitersohn aus dem Oberwallis, blitzgescheit ...
Rossius: Dann wird er sich, so blitzgescheit, wie er ist, sagen Sie vorher, das System Blatter wird noch eine Weile existieren. Haben Sie vielen Dank für Ihre Einschätzungen! Jean Ziegler war das, Soziologe und Globalisierungskritiker.
Ziegler: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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