FIFA-Skandal

Sepp Blatters Flucht nach vorne

Die Silhouette Joseph Blatters
Joseph Blatter geht - nur kurz nach seiner Wiederwahl. © Patrick Seeger, dpa picture-alliance
Von Matthias Friebe · 06.06.2015
FIFA-Präsident Sepp Blatter will als großer Mann des Fußballs, als Mann der guten Tat in Erinnerung bleiben - und kündigt Reformen an. Dabei ist er vor allem eines: ein gewiefter Taktiker. Ein Kommentar von Matthias Friebe.
"Wichtiger als alles andere ist mir, dass, wenn all dies vorüber ist, der Fußball als Sieger hervorgeht." Das waren Sepp Blatters letzte Worte in seiner Rede, mit der er seinen Rücktritt ankündigte.
Das mediale Echo auf der Welt war gewaltig, seit Papst Benedikt hat kein Rückzug die Welt derart bewegt wie der von Blatter. Sondersendungen in Radio und Fernsehen, zum Teil ganzseitige Bilder auf allen wichtigen internationalen Zeitungen. Und noch mehr, die Meinung einhellig. Kein Wort von Bedauern oder Erschüttern. Vielmehr war von "Zeitenwende" zu lesen und von Neustart im "Weltverband".
Dabei ist eins klar, Sepp Blatter ist ein hochintelligenter Mann. Eine Rücktrittsankündigung nur vier Tage nach seiner Wiederwahl macht der gewiefte Taktiker nicht ohne Kalkül. Das ist auch von seinen Kritikern unbestritten. Bis zur Wahl seines Nachfolgers hat Blatter mehr denn je das Heft des Handelns in der Hand. Wieder einmal kündigt er Reformen an. Es soll dabei auch um Strukturen gehen, bis hin zur Zusammensetzung des Exekutivkomitees, der FIFA-Regierung. Die Botschaft dahinter: Blatter wird bis zur Wahl seines Nachfolgers alles tun, um einen Nachfolger aufzubauen. Und das soll ein Mann sein, der nach außen hin für Transparenz und eine reformierte FIFA stehen wird, der aber nicht allzu sehr die FIFA-Zentrale in Zürich durchforsten wird. Ein Mann, der den Blick nach vorne richtet und nicht in der Ära Blatter Dreck aufwühlt und den Schweizer im Nachhinein beschädigt.
Korruptionssumpf bis in höchste Kreise
Sein Ansehen, das hat Blatter immer wieder betont, ist ihm sehr wichtig. Er will als großer Mann des Fußballs, als Mann der guten Tat in Erinnerung bleiben. In vielen Teilen der Fußball-Welt wird er genau so auch gesehen. Wie sonst sind 133 Stimmen aus 209 Verbänden zu erklären?
Um den schier allmächtigen Patron der großen FIFA-Familie zu Fall zu bringen, brauchte es die US-Justiz. Niemand im Fußball hatte die Mittel, die Kraft oder den Willen, Sepp Blatters Präsidentenstuhl ernsthaft anzusägen. Erst Ermittlungen der Behörden in den USA haben eine Lawine losgetreten, die dem Schweizer FIFA-Boss zu nah kam. Eine Lawine, die mit Verhaftungen in einem Züricher Nobelhotel unmittelbar vor seiner Wiederwahl begann. Bis in höchste Funktionärskreise hinein reicht der Korruptionssumpf, über den seitdem täglich, manchmal stündlich mehr ans Licht kommt. Am Morgen vor Blatters Rückzug gerät sogar Generalsekretär Jerome Valcke, Blatters rechte Hand zum ersten Mal ins Visier. Er wird in Verbindung gebracht mit einer Schmiergeldzahlung im Zusammenhang mit der WM 2010 in Südafrika. Und die Lawine ist längst noch nicht im Tal angekommen. US-Justizministerin Loretta Lynch sprach selbst davon, dass dies erst der Anfang gewesen sei. Weitere Enthüllungen kommen sicher. Und auch jetzt ist die Lawine schon sehr nah gekommen. So nah, dass Blatter die Flucht nach vorne angetreten hat.
Ein Neustart geht nicht ohne UEFA
Was aber muss geschehen, damit jetzt wirklich ein Neustart gelingt? Das geht nur, wenn Europas Fußball-Union UEFA endlich Willen beweist, zu einem Neustart bereit zu sein. Blatters Rücktritt ist eine reelle Chance für einen Neuanfang im Weltfußball, diese Chance muss von der UEFA genutzt werden. Beim FIFA-Kongress vor einer Woche hat sie sich noch lächerlich gemacht. Blatter abwählen war das Ziel, mit dem von der UEFA ins Rennen geschickten Gegenkandidaten Prinz Ali war das kaum möglich. UEFA-Präsident Platini forderte Blatter angeblich unter Tränen zum Rücktritt auf, um ihm nach der Wiederwahl auf die Schulter zu klopfen. Alle UEFA-Vertreter, mit Ausnahme des Briten David Gill, haben ihren Dienst in der FIFA-Regierung, dem Exekutivkomitee, angetreten. Dazu gehört auch DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. Ein immer wieder ins Feld geführter WM-Boykott war auch kein Thema mehr. Insgesamt ein erbärmliches Bild, das die 53 europäischen Verbände in Zürich abgaben.
Es gibt nur eine Chance für einen wirklich Neustart: Die UEFA muss einen starken Kandidaten finden und gleichzeitig einen Weg, wie man für ihn auch Stimmen in anderen Konföderationen bekommt. Gelingt das nicht, ist Blatters Rücktritt kein Neustart, sondern nur ein "Weiter so" mit anderem Chef. Sepp Blatter selbst will, dass am Ende der Fußball der Sieger ist. So aber gelingt nicht einmal das.
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