Festival

Moderne Tänze, Thrill und Kirchengesang

Die US-Regisseurin Francesca Zambello
Die US-Regisseurin Francesca Zambello © picture alliance / dpa / Benjamin Beytekin
Von Bernhard Doppler · 19.08.2014
Es ist ein nahezu europäischer Repertoirebetrieb, der sich dem Festivalbesucher am Otsego Lake im US-Bundesstaat New York bietet: Konzerte, Liederabende und natürlich eben große Opern -für Festival-Intendantin Francesca Zambello hat all das hochaktuelle Referenzen.
Das Bühenbild für Giacomo Puccinis "Madame Butterfly", eine amerikanische Behörde, das amerikanische Konsulat in Nagasaki - Cio-Cio San glaubt Amerikanerin zu sein. Doch der amerikanische Leutnant Pinkerton hat die japanische Hochzeit mit ihr nicht ernst genommen. 39 Jahre ist das Festival in Glimmerglass alt , und immer mehr setzt es auf amerikanische Operntradition und amerikanische Themen. Intendantin Francesca Zambello hat Madame Butterfly inszeniert:
"Ich fühle: Madame Butterfly ist, was wir machen in Afghanistan, Syria und Iran/Irak. Wir waren immer in anderen Länder, wo uns eigentlich - wie ich denke - das Motiv fehlte, dort zu sein. Der ganze Stück spielt im Konsulat Nagasaki."
Wenn man von New York oder Boston ins ca 300 Kilometer entfernte am Otsego Lake gelegene Glimmerglass fährt, kann man einen geradezu europäischen Repertoirebetrieb erleben. Jahr für Jahr vier Neuproduktionen, lange Probezeiten, ein eingespieltes Ensemble, ein mit nicht ganz 1000 Sitzen kleines Haus und ständiger Spielbetrieb. Neben vier Opern kann man an einem Wochenende Konzerte, Liederabende und Diskussionen besuchen. Zum Beispiel zur Produktion von Tobias Picker "An American Tragedy" - zur Zeit ein überaus erfolgreicher Komponist. Seine sechs Opern sind allesamt 2014 und 2015 auf verschiedenen amerikanischen Bühnen zu sehen.
Für Glimmerglass hat Picker seine in der MET 2005 uraufgeführte Oper "An American Tragedy" nach Theodore Dreisers gleichnamigen Roman für Glimmerglass bearbeitet und auf zweieinhalb Stunden gekürzt. Dies bekommt dem Werk, ebenso der intimere Rahmen. Die Musik ist effektvoll: moderne Tänze, Thrill, Kirchengesang. Die Handlung spielt nicht weit entfernt von Glimmerglass. Dreisers Held Clyde Griffith ist ein Aufsteiger, der in der High Society Fuß gefasst hat, Als seine Verlobte, die ihm dabei im Weg steht, im See verunglückt, glaubt man, er sei der Mörder und verurteilt ihn zum Tode.
Was in Glimmerglass nicht fehlen darf, ist die Pflege des alten amerikanischen Musicals, gewissermaßen in historischer Musizierpraxis, ohne Microports, aber mit einem 40 Mann starken Orchester und Opernsängern spielt man Rodgers' und Hammersteins "Carousel". Ryan McKinny, der Fliegende Holländer vom letzten Jahr, ist der Carousel-Ansager Billy Bigelow, der amerikanische Liliom, der nach seinem Tod noch einmal auf die Erde zurück darf. Auch so ein problematischer, amerikanischer Mann.

Richard Wagners Ortrud und ein TV-Lied von Stephen Sondheim. das ist es auch, was Christin Goerke vorführt. Sie begann vor 20 Jahren als Young Artist in Glimmerglass. Nun unterweist sie dort die jungen Sänger, die auch in vielen Rollen eingesetzt werden. Fast 1000 haben dieses Jahr für Glimmerglass vorgesungen, 40 sind genommen worden. Unter ihnen Adam Cioffari. Erfahrungen hat er bereits im Studio der Komischen Oper gesammelt. In der Produktion von Ariadne auf Naxos spielt er den Musiklehrer:
"Es ist eine moderne Inszenierung: Dabei bin ich von einer Agentur für Komponisten, nicht ein alter Musiklehrer, sondern eine junge Agentur von New York. Er ist immer am Handy."

Das Opernhaus in Glimmerglass war ursprünglich eine Truthanfarm und in Francesca Zambellos Inszenierung scheint der alte Zustand wieder hergestellt. Hühner und Ziegen kommen auf die Bühne, und dann auch ins Foyer. Hier auf dem Land soll also ernsthaft Oper gemacht werden?
"Das ist ein Konflikt zwischen High art und Pop Art: also große, heilige Musik und populäre Musik. In Europa, in Amerika heißt es: 'Können wir nicht ein junges Publikum finden? Können wir nicht helfen, dass mehr Leute sehen, warum Opern eben so lang sind? - Das spiel in New York. das spielt in einem sehr schönen Landhaus von zwei sehr reichen Gentleman Farmers. Und der erste Akt, der Prolog, ist auf Englisch, und der zweite Akt der Oper ist auf Deutsch."
Neben Christine Goerke als Ariadne beeindruckt vor allem eine glasklare, atemberaubende Zerbinetta,Rachel Gilmore, auch den sketpischen Landsheriff und die skeptischen Farmer. Und auch das herovrragende Orchester unter Kettlyn Kelly entfacht schließlich geheimnisvollen Zauber.