Festival

Mit Flöte und Zither improvisieren

Eine Geige, eine Flöte, eine Mundharmonika und ein Banjo liegen auf einem Notenblatt.
In Schwerin sollen unterschiedliche Stile zusammenkommen. © picture-alliance / dpa / Wolfgang Thieme
Moderation: Oliver Schwesig · 04.09.2014
Jamsessions sind nicht nur was für Jazzmusiker - das beweisen die Teilnehmer des Windros-Festivals für traditionelle Musik in Schwerin. Über das Geheimnis der Improvisation sprechen wir mit Festivalleiter Wolfgang Meyering.
Oliver Schwesig: Vom 5. bis 7. September findet in Schwerin-Mueß das zweite Windros-Festival statt. Ein Treffen von traditionellen Musikern aus Europa und den USA, die dort Konzerte geben und in gemeinsamen Projekten zusammenarbeiten. So lernen sie die Musiktraditionen der jeweils Anderen hautnah kennen. Bevor ich gleich mit Wolfgang Meyering, dem künstlerischen Leiter des Festivals spreche, hier ein wenig Musik von der irischen Gruppe Keeva, die morgen Abend dort zu hören sein wird.
Die irische Gruppe Keeva um den Flötisten Alan Doherty. Er hat unter anderem die Flötenparts für die Filmmusik von Peter Jacksons Verfilmung von "Herr der Ringe" eingespielt. Und er ist morgen Abend zusammen mit seiner Band in Schwerin-Mueß beim zweiten Windros Festival zu erleben.
Der Untertitel des Festivals ist "Meeting of TradMusic and Art". Welche Idee steckt dahinter?
Wolfgang Meyering: Das Festival will ein Treffpunkt sein für Musiker aus ganz Europa, die sich mit Musiktraditionen auseinandersetzen. Dabei geht es nicht einfach nur darum, Konzerte zu geben, sondern dass die Musiker wirklich die Möglichkeit haben, sich zu begegnen und sich auszutauschen - und sei es bei gemeinsamen Konzerten, bei gemeinsamen Projekten, bei Sessions oder bei Gesprächen. Und das ist etwas, das Musiker oft viel mehr reizt als nur ihr "normales" Konzertprogramm zu spielen. Aber oft ist nicht genug Zeit zur Verfügung. Die Musiker reisen an, spielen und reisen wieder ab zum nächsten Konzert. Das ist in Mueß anders. Und dort gibt es Vielfältige Möglichkeiten für Veranstaltungen.
Schwesig: Wo finden die Veranstaltungen statt?
Meyering: Das Windros-Festival befindet sich in erster Linie im Museum für Volkskunde Schwerin Mueß. Das ist ein Freilichtmuseum am Südrand des Schweriner Sees. Dort hat man das alte Fischerdorf Mueß in den 1970er-Jahren zum Museum erklärt. Das Alte Dorf sieht heute im Prinzip noch genauso aus wie damals. Es sind nur ein paar wenige Gebäude aus der Region dazugekommen. Die Konzerte finden auf drei Open-Air-Bühnen auf diesem parkähnlichen Gelände statt. Aber auch in den alten Bauernhäusern aus dem 17. bis 19. Jahrhundert, die dort stehen. Und wir beziehen die Architektur der Gebäude auch mit in die Bühnen ein, indem wir die alten Gebäude als Kulissen verwenden und der anderen Straßenseite sind die Musiker untergebracht und dort gibt es Probenräume und dort werden Programme und Projekte Entwickelt.
Das Festival lebt vom stilistischen Mix
Schwesig: Was für Programme und Projekte sind das?
Meyering: Das Windros Festival ist als "Projektfestival" konzipiert. Das bedeutet, wir laden die Musiker zu bestimmten Projekten ein, die wir auf dem Festival machen wollen. Sie spielen auch ein Konzert mit ihrem "normalen Programm", aber die Projekte sind der eigentliche Grund, warum sie zum Festival kommen. Daher sind einige Musiker auch schon einige Tage vor dem Festival da, lernen sich kennen und arbeiten an verschiedenen Programmen. Deboarh aus New York, eine international bekannte Klezmer-Musikerin, spielt ein Konzert zusammen mit Musikern aus Norddeutschland, und dabei werden die beiden Stilistiken miteinander verwoben. Und die beiden ungarischen Musiker Tünde Ivanovic und Geza Fabri spielen zusammen mit dem griechischen Laouto-Virtuosen und Sänger Dimitris Varelopoulos ein gemeinsames Konzert. Die beiden Ungarn beschäftigen sich schon seit langem mit der Musik der ungarischen Minderheit in Rumänien und gehören zu den spannendsten Musikern der ungarischen Szene, wie ich finde.
Schwesig: Das Ungarische Duo Tünde Ivánovic & Geza Fabri mit einem Titel. Sie gehören zu den circa 70 Musikern, die bei den knapp 30 Veranstaltungen an diesem Wochenende beim zweiten Windros-Festival in Schwerin-Mueß zu erleben sind.
Schwesig: Und die beiden sind auch noch an einem anderen Projekt auf dem Festival beteiligt – dem Windros-Orchester?
Meyering: Das Windros-Orchester ist, wie der Name schon vermuten lässt, ein großes Ensemble mit Musikern aus verschiedenen Ländern Europas. Musiker aus nahezu allen Ensembles, die auf dem Festival spielen, kommen zwei Tage vor Festivalbeginn nach Mueß und proben dort gemeinsam für ein Konzert am Samstagabend. Insgesamt sind es zwölf Musiker an ganz unterschiedlichen Instrumenten, von Flöten über Geige, Akkordeon, Bass, Percussion, Zither und so weiter. Jeder macht Vorschläge von Stücken, die er gerne spielen möchte und dann wird an den Tagen vor dem Festival geprobt. Das ist für alle Beteiligten sehr spannend und da die Wahrscheinlichkeit sehr gering ist, dass all diese Musiker noch einmal zusammenkommen, ist es auch eine wirklich einmalige Sache, ein sehr exklusives Konzert, das man eben nur beim Windros-Festival erleben kann. Und das hat einen großen Reiz, für die Musiker ebenso wie für das Publikum.
Musikalische Lesungen in der Region
Schwesig: Finden die Konzerte nur auf dem Gelände des Festivals statt oder geht das Festival sozusagen auch in die Region?
Meyering: In diesem Jahr sind erstmals auch Konzerte an anderen Orten als in Mueß selbst. So gibt es am Freitagabend auch eine Veranstaltung mit einem slowakischen Ensemble in der alten Synagoge in Hagenow, das liegt südlich von Schwerin. Wir tragen das Festival mit kleineren Veranstaltung auch in die Schweriner Innenstadt und es wird eine musikalische Lesung geben in der Kirche in Consrade südlich von Mueß. Dort werden Szenen aus dem Reineke Fuchs gelesen, aus der deutschen Erstausgaben von 1498 aus Lübeck. Und dazu erklingt Musik aus der Zeit um 1500. Das passt sehr gut an diesen Ort, gab es diese Kirche damals doch schon. Wir hoffen, dass wir noch mehr Orte in den nächsten Jahren einbeziehen können in das Festival.
Schwesig: Das bedeutet, dass das Festival auch mit anderen Regionalen Veranstaltern kooperieren will?
Meyering: Wir wollen sozusagen auch regionale und internationale Kulturschaffende zusammenbringen, auch das entspricht dem Projektgedanken. Es gibt zum Beispiel ein Kinderprojekt zusammen mit einer Musikschule in Schwerin und Musikern aus Niedersachsen. Und wir kooperieren mit dem neuen "Zentrum für traditionelle Musik", das sich jetzt in Volkskunde Museum in Mueß befindet, in einem der alten Gebäude. Wir kooperieren aber auch mit Musikeinrichtungen in Schweden, Dänemark oder Estland, von wo wir Musiker einladen und wohin wir gute Kontakte haben. Wir wollen ein Treffpunkt sein, wo sich Musiker, Veranstalter und Publikum auf Augenhöhe treffen können, um gemeinsam ein Festival zu machen. Und jeder kann daran Teilhaben an diesem Projektfestival: die Musiker und Veranstalter mit den Projektkonzerten, das Publikum kann an Tanzveranstaltungen teilnehmen oder kann sich über traditionelle Musik informieren oder Instrumente ausprobieren. Man kann sich mit den Musikern unterhalten oder auch nur über das parkähnliche Gelände des Museums schlendern und der Musik von den Bühnen lauschen.