Fantasy-Filmfest

Ein Charakterdarsteller namens Schwarzenegger

Schauspieler Arnold Schwarzenegger gibt Autogramme bei einer Werbeveranstaltung für seinen neuen Film "Maggie" (aufgenommen 2015)
Auch als sensibler Rollendarsteller gefragt - Arnold Schwarzenegger ist mit seinem neuen Film "Maggie" auf dem Filmfest vertreten. © imago/ZUMA Press
Von Stefan Keim · 10.08.2015
Endlich wieder deutschsprachige Genrefilme bietet das diesjährige Fantasy-Filmfest - und auch sonst einige Überraschungen: Vampire in Therapie bei Sigmund Freud, einen zerbrechlichen Arnold Schwarzenegger und andere krasse Kinoperlen. Das Filmfest startet in Berlin - und tourt danach durch verschiedene Städte.
"Mehr noch als alles andere belastet mich die Gegenwart meiner Frau. Wir sind zu lange zusammen."
Graf Geza von Közsnöm hat kein normales Eheproblem. Denn seine Frau Elsa und er sind Vampire und teilen als Untote die Ewigkeit miteinander. Komödien über Alltagsprobleme von Dracula und seinen Artgenossen rutschen oft in die Albernheit.
Der Vampir als Freudianer
Doch Regisseur David Rühm hat mit "Therapie für einen Vampir" einen stilvollen, eleganten und hintergründigen Film gedreht, der in Wien in den 1930er-Jahren spielt. Unter dem Titel "Der Vampir auf der Couch" lief er schon erfolgreich in den österreichischen Kinos. Graf Geza von Közsnöm hat sich nicht irgendein Sofa ausgesucht, sondern das von Sigmund Freud, dessen Werk er auswendig zitieren kann.
"Wir wissen, dass die Toten mächtige Herrscher sind. 'Totem und Tabu', Kapitel 4. – So habe ich diesen Satz nicht gemeint. – Dieser Satz ist in seiner wahren Bedeutung noch gar nicht richtig begriffen worden. Vielleicht unterschätzen sie sogar selbst seine Dimension."
Tobias Moretti spielt den Blutsauger mit Burnout sanft ironisch und voller Gefühl. In einer jungen Frau glaubt er, seine wahre Liebe wiederzuentdecken, die schon vor vielen Jahrhunderten verstorben ist. Graf Geza will sie zur Vampirin machen und den Rest der Ewigkeit mit ihr verbringen. Aber nicht nur Gemahlin Elsa, sondern auch der Lebensgefährte der jungen Dame stellen sich ihm in den Weg.
"Etwas hat mich gebissen. – Jetzt will ich, dass du wieder so bist, wie du warst, bevor ich wollte, du wirst, wie ich wollte, dass du bist."
Surreales Meisterwerk aus heimischer Produktion: "Der Bunker"
Lange Zeit gab es keine nennenswerten deutschsprachigen Filme beim Fantasy-Filmfest. Neben der gängigen Krimiware führt das Genrekino hierzulande immer noch ein Schattendasein. Umso erfreulicher ist es, dass in diesem Sommer sogar ein surreales Meisterwerk aus heimischer Produktion beim Festival läuft. "Der Bunker" erzählt von einem Studenten, der in Ruhe lernen und arbeiten möchte. Er mietet sich bei einer seltsamen Familie ein, die tief im Wald in einem unter Schneemassen fast verborgenen Bunker wohnt. Da gibt es einen achtjährigen Sohn.
"Das ist Klaus. – Er lernt so schlecht. Ab jetzt soll der Student den Unterricht übernehmen. – Was? – Sie würden uns ein wenig helfen, wenn Sie unserem Kleinen ein bisschen was beibringen können. Sie sind doch Akademiker. – Ein paar Stunden. Bitte."
Klaus hat den Kopf eines Erwachsenen und die Größe eines Kindes. Der kleinwüchsige Schauspieler Daniel Fripan verkörpert einen verletzlichen Jungen, der sich nach Liebe sehnt und noch nie in seinem Leben gespielt hat. Weil die Eltern wollen, dass er Präsident wird. Und das wird man, so glauben sie, wenn man die Hauptstädte der Welt aufsagen kann.
"Hauptstadt von Frankreich? – Brüssel. – Nein. Hauptstadt von Frankreich? – Kreta. Nein. Hauptstadt von Frankreich? – Italien. - Nein. Hauptstadt von Frankreich? – Paris. – Nein. Haupt... Ja."
Nach der Uraufführung bei den Berliner Filmfestspielen schrieb Spiegel Online über den "Bunker": "Als hätte David Lynch ein Drehbuch von Helge Schneider verfilmt". Besser kann man es nicht ausdrücken. Dem 36-jährigen deutsch-griechischen Regisseur und Drehbuchautor Nikias Chryssos ist etwas Außergewöhnliches gelungen.
Zombie-Requiem mit Schwarzenegger
Klare Trends gibt es nicht bei der Auswahl des Fantasy Filmfests. Filme mit politischen Untertönen sind ebenso vertreten wie schräge Fantasien und knallige Unterhaltungsware. Der neuseeländische Film "Deathgasm" bietet selbstironischen Splatterspaß um eine Heavy-Metal-Band, der ebenso packende wie ernsthafte irische Thriller "The Hallow" zeigt eine Familie mit Baby im Kampf gegen Waldgeister. Hinter einem der bekanntesten Namen des Festivals verbirgt sich eine Überraschung. Arnold Schwarzenegger präsentiert sich im Film "Maggie" als sensiber Charakterdarsteller. Und – kein Scherz – er ist großartig als Vater eines Mädchens, das vom Zombievirus infiziert ist und sich langsam verwandelt.
"Ich habe deiner Mutter versprochen, auf dich aufzupassen."
Auf solche Sätze aus dem Mund eines Schwarzenegger-Charakters konnte man sich früher verlassen. Diesmal muss er hilflos ansehen, wie der Körper seiner geliebten Tochter langsam zerfällt. Während sie bei vollem Bewusstsein ist. Seine ganze Kraft bringt ihm nichts, Schwarzenegger wirkt alt, verletzlich und verloren.
"Dad, du hast mich mein Leben lang beschützt. Jetzt werde ich dich beschützen. Das Leben ist auf deiner Seite, nicht auf meiner."
Henry Hobsons Film ist eine graue Elegie, ein Zombie-Requiem, das durch Schwarzeneggers Präsenz große emotionale Kraft entwickelt.
Erotische Allmachtsfantasien eines Angestellten
Keinesfalls verpassen sollte man auch "Scherzo diabolico", einen sehr schrägen Film aus Mexiko. Zu klassischer Klaviermusik lebt ein Angestellter, der in seiner Firma unter riesigem Druck steht, erotische Allmachtsfantasien aus. Diese Mischung aus Gesellschaftskomödie und finaler Blutorgie ist eine kleine, krasse Kinoperle, wie man sie auf dem Fantasy-Filmfest immer wieder entdecken kann.
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