EZB und Kapitalströme

Scheues Reh oder dummes Schaf?

Die Euro-Skulptur am Willy-Brandt-Platz vor der EZB-Zentrale in Frankfurt am Main
Mit massiven Geldspritzen versucht die Europäische Zentralbank das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. © dpa /picture alliance / Daniel Kalker
Von Jan Uwe Stahr · 17.11.2015
60 Milliarden Euro pumpt die Europäische Zentralbank jeden Monat zusätzlich in den Geldkreislauf - in der Hoffnung, Wirtschaftswachstum zu erzeugen und europäische Volkswirtschaften aus der Schuldenkrise zu holen. Doch wie lassen sich Kapitalströme dorthin lenken, wo sie Nutzen für alle bringen?
Monat für Monat steigt die Geldflut in Europa weiter an – um 60 Milliarden Euro. Die Europäische Zentralbank, EZB, hat die Schleusen geöffnet. Das zusätzliche Kapital soll Europas Krisenländer zu Wirtschaftswachstum verhelfen.
Mit sicheren Geldanlagen, wie zum Beispiel Staatsanleihen, gutes Geld zu verdienen ist seitdem nicht mehr möglich. Denn durch die EZB-Aktivitäten sind deren Preise immer weiter gestiegen und die Verzinsung gleichzeitig gesunken. Ein Problem besonders für die scheuen Rehe, die Pensionsfonds und Lebensversicherer. Groß-Kapitalmanager Asoka Woehrmann:
"Das heißt auch der professionelle Geldmanager muss sich in einem neuen Ansatz denken, wie kann man Werterhaltung, Wertvermehrung für unsere Kunden schaffen? Und welche Ansätze gibt es? Heute hat Vermögensmanagement eine ganz anderen Drift bekommen, eine Richtungsänderung durch verfallene Zinsen."
Investoren suchen also schon jetzt händeringend nach Anlagemöglichkeiten für ihre gewaltigen Kapitalmengen. Viele folgen dabei einem Herdentrieb - investieren in Aktien, Immobilien und scheinbar sichere Märkte. Doch die sind mit Risiken verbunden.
Der vorsichtige, wie anpassungsfähige Investmentstratege Asoka Woehrmann sucht – obwohl eigentlich ein Aktien-Fan – auch nach neuen, solideren Möglichkeiten – besonders für langfristige Kapitalanlagen. So wie sie zum Beispiel Pensionsfonds und Versicherungen benötigen. Er denkt dabei auch an öffentliche Themen wie die dringend erneuerungsbedürftigen Straßennetze und an die Energiewende.
"Infrastruktur-Investitionen spielen eine wesentliche Rolle"
"Ja, ich denke insbesondere Infrastruktur-Investitionen spielen eine wesentliche Rolle. Insbesondere Umbau der Energieversorgung und (wo) vielleicht der Staat die Hälfte finanziert und auch Anleger, die langfristig investieren wollen, dort investieren sollten und solche Projekte mittragen sollten. Das ist, glaube ich, ein Markt, der entstehen wird. Der entsteht jetzt schon."
Es gibt Regionen und Wirtschaftszweige, die nach Geld dürsten, auch in Europa. Mit dem vielen Geld ließe sich zum Beispiel - durchaus profitabel - die Energie- und Klimakrise bekämpfen.
György Horuczi, der in den 90er-Jahren mitgeholfen hat, die ungarische Energieversorgung zu privatisieren und Konzepte zur Erschließung erneuerbarer Energien für Ungarn entwickelte möchte Märkte erschließen, die langfristig profitabel sind. So sucht er zum Beispiel nach großen Unternehmen, die bereit sind, in Energienutzung aus Erdwärme zu investieren.
"Ich habe die Märkte, ich habe die Technologie – ich habe nicht das Kapital. Aber wird das Kapital diese Märkte erschließen, mit unserem Wissen, unserer Infrastruktur und unserer Technologie – das ist der Punkt."
Die Frage ist also: Wie lassen sich Kapitalströme dorthin lenken, wo sie Nutzen für alle bringen, anstatt neue, gigantische Blasen aufzupumpen, die uns in die Gefahr eines erneuten Finanzcrashs bringen?
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