EU-Kommission

Deutschland hat nur scheinbar Einfluss verloren

Jean-Claude Juncker bei der Vorstellung der neuen EU-Kommission
Juncker bei der Vorstellung seiner neuen Kommission. Alle neun Vizekommissare sind Kandidaten aus kleinen Ländern. © afp / JOHN THYS
Von Volker Finthammer · 13.09.2014
Deutschland ist bei der Postenbesetzung in der neuen Juncker-Kommission nur scheinbar in die zweite Reihe gerückt. Tatsächlich behält Kanzlerin Merkel beste Verbindungen nach Brüssel, meint Volker Finthammer.
Armes Deutschland möchte man meinen. Noch nicht mal mehr einen Vizekommissar hat die Bundesregierung in die neue EU-Kommission hieven können. Günter Oettinger wurde mit der Digitalen Agenda abgespeist. Ein Zukunftsthema sicherlich, aber bislang keines von Gewicht.
Die Zuständigkeit für Handelsfragen, die Berlin angesichts des Streits um das Freihandelsabkommen mit den USA gerne besetzt hätte, wurde an die Schwedin Cecilia Malmström vergeben.
Der Kommissar für die Finanzmarktregulierung wurde mit dem Briten Jonathan Hill besetzt. Ein Mann der Londoner City. Und für den Haushalt und die Währungsstabilität soll der Franzose Pierre Moscovici zuständig sein, der als französischer Finanzminister wenig von den Grenzen des europäischen Stabilitätspaktes hielt.
Und selbst Italien hat es geschafft, mit der Außenbeauftragten Federicia Mogherini einen gewichtigen Posten in der neuen EU Kommission zu ergattern. Vordergründig scheint es so, als habe Jean Claude Juncker gegenüber Berlin eine Rechnung beglichen, weil er nicht der wirkliche Favorit der deutschen Bundeskanzlerin für den Posten des EU Kommissionpräsidenten war.
Noch immer steht jedem Mitgliedsland ein Kommissar zu
Dieses Bild gebietet das Denken in nationalen Eitelkeiten, das im Konzert der EU-Staaten immer noch und immer wieder gerne gepflegt wird. Der genaue Blick auf das Personalportfolio von Jean Claude Juncker zeigt aber ein ganz anderes Bild.
Denn faktisch sind – mit der Ausnahme der italienischen Außenbeauftragten – alle großen Länder in die zweite Reihe gerückt, selbst wenn sie im Einzelfall gewichtige Posten innehaben sollten. Aber mit den neun Vizekommissaren, die allesamt mit Kandidaten aus kleinen und überwiegend osteuropäischen Ländern besetzt wurden, hat die Juncker-Kommission eine neue Kontroll- und Korrekturebene bekommen.
Die Aufwertung der Vizepräsidenten soll der mit 28 Kommissaren besetzten Kommission ein größeres politisches Gewicht geben und den Wildwuchs begrenzen. Ob sich Jean Claude Juncker damit wirklich den nationalen Einflüssen entziehen kann, bleibt eine offene Frage.
Das darunterliegende Strukturproblem bleibt zumindest ungelöst. Wir erinnern uns: Mit dem Vertrag von Lissabon sollte die Zahl der Kommissare eigentlich deutlich verringert werden. Das ist an den nationalen Eitelkeiten gescheitert.
Nach wie vor steht jedem Mitgliedsland ein Kommissar zu. Daran wird sich so schnell nichts ändern. So gesehen ist das nicht mehr als ein interessanter Versuch, eine zweite Führungsebene einzuziehen, um die vielsprachigen Interessen in der europäischen Exekutive etwas mehr zu bündeln.
Ganz nach dem Geschmack Angela Merkels
Letztlich darf das nur ein Zwischenstadium zu einer wirklich verkleinerten Kommission sein. Von einer wirklich europäischen Kommission wird man erst sprechen können, wenn die nationalen Interessen nur noch am Rande eine Rolle spielen.
Davon kann noch lange keine Rede sein. Auch wenn der deutsche Kommissar Günter Oettinger nur einen Posten in der zweiten Reihe bekommen hat, bleibt der deutsche Einfluss gewaltig.
Der Christdemokrat Martin Selmayr wird als Kabinettschef von Jean Claude Juncker ein sehr gewichtiger Strippenzieher für die künftige Ausrichtung der Kommission sein. Im Europäischen Rat führt der Merkel-Vertraute Uwe Corsepius die Geschäfte und selbst im Parlament führen stehen gleich zwei Deutsche politisch und geschäftsführend an der Spitze.
Das dürfte ganz nach dem Geschmack Angela Merkels sein. Erlaubt es doch den stillen Draht in alle wichtigen europäischen Institutionen, ohne große öffentliche Debatten führen zu müssen. Wie lange sich das die anderen Staaten gefallen lassen, wird sich zeigen müssen. Im EU Parlament regt sich bereits Widerstand gegen die Vielzahl der deutschen Strippenzieher in Brüssel.
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