Erfolgreichstes Theater im Nordosten

Frischer Wind am Mecklenburgischen Staatstheater

Das Mecklenburgische Staatstheater in Schwerin
Mecklenburgisches Staatstheater © Deutschlandradio / Dammann
Von Silke Hasselmann · 24.09.2016
Nach 23 Jahren mit demselben Intendanten zieht das Mecklenburgische Staatstheater mit neuer Hausleitung in die nächste Spielzeit. Das Schweriner Publikum kann sich nun erstmals davon überzeugen, was dieser frische Wind bringt. Die Schauspielsparte startet mit gleich drei Premieren in die neue Saison.
Gestern Abend: "Faust". Im Dialog: Der Nämliche und Mephistopheles, dargestellt durch Julia Keiling. Die Teufelsbesetzung durch den weiblichen Neuzugang - in dieser Inszenierung von Martin Nimz das Höchstmaß an Extravaganz.
"Also hier den 'Faust' zu spielen war für mich nicht ausschlaggebend."
Sagt derweil Andreas Anke auf die Frage, warum er nach sieben erfolgreichen Jahren am Staatstheater Saarbrücken nach Schwerin aufgebrochen ist.
"Viel wichtiger ist für mich, mit wem ich das mache. Und da wiederum war Martin Nimz ausschlaggebend dafür."
Martin Nimz heuerte im Sommer als Schauspieldirektor an und kam damit nach über drei Jahrzehnten zurück nach Schwerin.
"Das ist einfach mal eine wunderbare, schöne Stadt. Und Schwerin war mein erstes Theater, wo ich auf der Bühne gestanden habe. Was ich damals gesehen habe, war auch die 'Faust'- Inszenierung. Und ich hab' ja praktisch die Chance, hier mit einem neuen Ensemble wirklich einen Neubeginn zu starten mit vielleicht auch 'ner etwas neueren und anderen Ausrichtung als sie bisher war."

Rückbesinnung auf große Klassiker

Besonders gespannt sind die "Freunde des Theaters", zu denen auch Stephan Förster zählt. Seit Mitte der 90er Jahre lebt der Beamte in der nordöstlichen Landeshauptstadt und kennt das Mecklenburgische Staatstheater nur unter der Leitung des "ewigen" Intendanten Joachim Kümmritz. Der versucht jetzt das dauerkrisengeplagte Volkstheater Rostock zu stabilisieren. Zuvor hatte das Schweriner Publikum ihn sowie den Großteil von künstlerischer Leitung und Ensemble im Juli ausgesprochen wohlwollend verabschiedet. Und nun? Mehr Bedauern oder Freude über frischen Wind?
Der scheidende Intendant des Mecklenburgischen Staatstheaters in Schwerin, Joachim Kümmritz
Der scheidende Intendant des Mecklenburgischen Staatstheaters in Schwerin, Joachim Kümmritz© picture alliance / ZB
"Beides. Das würde ich schon hoffen, dass die Personalwechsel, die ja wohl ziemlich weitreichend sind, das 'rüberbringen, dass also wirklich frischer Wind kommt. Wobei ich hoffe, dass das keine heiße Luft wird. Ich würde mir wünschen, dass es ´ne Ankopplung an Theatertraditionen gibt, auch gerne Osttraditionen von Theater. Müller zum Beispiel kann ja sehr spannend sein. Und dass die Inszenierungen jetzt keinen Pomp machen oder an den Haaren herbeigezogen sind, sondern dem Stück dienen."
Dem Manne kann geholfen werden. Martin Nimz, der schon in Dortmund, Bonn und Berlin inszeniert hat, plant genau das:
"Bei uns heißt es so'n bisschen 'back to the roots'. Wieder zurück aufs Wort, auf den wirklichen Dialog, auf die eigentliche Situation und so zum Nachdenken anregen. Und: Immer über das Zentrum Schauspieler und nicht so sehr über äußere Effekte und Mittel versuchen, die Gunst des Publikums zu erlangen."
Mehr noch: Goethes "Faust" gestern und Kleists "Zerbrochener Krug" morgen stehen für die geplante Rückbesinnung auf große Klassiker. Vor allem deutschsprachige Texte werde es geben in Kombination mit diversen, gerade auch jungen Regiehandschriften, die das gesamte Spektrum der aktuellen deutschen Theaterlandschaft abbilden sollen, sagt Lars Tietje.

Künftig unter einem GmbH-Dach

Von Nordhausen nach Schwerin gekommen, hat der neue Intendant und Geschäftsführer im August ein gerade neustrukturiertes Haus übernommen. Nachdem sich die kommunalen Gesellschafter des Mecklenburgischen Staatstheaters zu Schwerin und des benachbarten Landestheaters Parchim darauf einigten, künftig unter einem GmbH-Dach zu kooperieren, stieg das Land MV als Hauptgesellschafter ein. Der Jahresetat derzeit: rund 22 Millionen Euro. Sehr knapp bemessen für Oper, Sinfoniekonzerte, Ballett, Niederdeutsche Bühne, Jugendtheater und Schauspiel, sagt Lars Tietje, der dennoch der politischen Forderung nach einer Theaterreform offen gegenübersteht.
Anderen möglichen Erwartungen erteilt der vom Opernfach kommende Intendant gleiche eine Abfuhr:
"Ich bin überhaupt kein Freund von Zeigefinger-Theater. Also das ist keine Kunst. Oder man benutzt dann Kunst für eine politische Aussage. Das ist, denke ich, nicht unsere Aufgabe."
Die Regisseurin Mina Salehpour
Die Regisseurin Mina Salehpour © Holger Hollemann, dpa/ picture alliance
Auch nicht angesichts von knapp 21 Prozent für die AfD bei der Landtagswahl vor drei Wochen. Menschen zum Nachdenken über sich und die Welt zu bringen müsse anders gehen, so Tietje. Gut so, findet Theaterfreund Stephan Förster und ist umso gespannter auf die Inszenierung von Michail Bulgakows Erzählung "Hundeherz", einer Art russischer "Faust". Geschrieben 1925 zu stalinistischen Zeiten.
"Wie wird das auf die Bühne gebracht dieses Buch, das ja schon ziemlich skurril ist? Also die Wandlung vom Hund zum Menschen und wieder zurück. Das muss man ja auch rüberbringen mit der Maske, mit dem Schauspiel, mit der Körperhaltung. Das stellt ja auch schon hohe Anforderungen, aber ist eben auch ´ne tolle Chance, da wirklich was zu machen, was ungewöhnlich ist."
Darum kümmert sich die bundesweit vielgefeierte Regisseurin Mina Salehpour. Ihre bereits ausverkaufte Premiere in Schwerin: heute Abend.
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