"Erdogan spricht mit gespaltener Zunge"

23.12.2011
Der Leiter des Potsdamer Lepsiushauses, Rolf Hosfeld, hat die heftige Reaktion des türkischen Ministerpräsidenten Erdoğan auf den französischen Gesetzesentwurf kritisiert, der die Leugnung von Völkermord unter Strafe stellt.
Darunter würde auch der zwischen 1915 und 1917 im damaligen Osmanischen Reich begangene Völkermord an Armeniern fallen. Hosfeld sagte im Deutschlandradio Kultur, Erdoğan spreche mit gespaltener Zunge. Einerseits habe er erst kürzlich in Deutschland gesagt, Assimilation sei ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Auf der anderen Seite sei zum Beispiel "die ganze Kurdenpolitik (…) nichts als eine gewaltsame Assimilierungspolitik", kritisierte Hosfeld, der dasLepsiushaus in Potsdam leitet.

Notwendig sei, so Hosfeld, ein multiethnisches Verständnis von Türkentum: "Die politische Elite (..) muss sich beziehungsweise das, was sie unter Türkentum versteht, im Grunde genommen neu definieren und damit tut sie sich natürlich enorm schwierig."

Der Publizist sprach sich auch dafür aus, dass der Bundestag sich eindeutig zu dieser Frage äußern solle – "eindeutiger als in der Resolution von 2005". Damals hatte der Bundestag an die Türkei appelliert, den Massenmord an den Armeniern nicht länger zu leugnen, in seiner Entschließung den Begriff "Völkermord" aber vermieden.

Dass durch den französischen Gesetzesvorstoß sich die Fronten innerhalb der Türkei wieder verhärten könnten, wie manche Beobachter befürchten, glaubt Hosfeld nicht: "Die Türkei demokratisiert sich entweder oder sie demokratisiert sich nicht. Ich gehe davon aus, sie wird sich auf lange Sicht demokratisieren und das beinhaltet natürlich auch, dass die Freiheit der Rede über solche Fragen enttabuisiert werden muss."

Das vollständige Gespräch mit Rolf Hosfeld können Sie bis zum 23. Mai 2012 in unserem Audio-on-Demand-Angebot als MP3-Audio hören.
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