Enfant terrible zwischen Musik und Theater

Von Anna Deibele · 28.04.2008
Bereits nach wenigen Regiearbeiten gilt David Marton als eines der größten Talente der deutschen Theaterlandschaft. In seinen Arbeiten mischt der gebürtige Ungar Jazz mit Klassik und Theater mit Oper.
"Diplomierter Pianist, aber nur ein vordiplomierter Dirigent und auch überhaupt nicht diplomierter Regisseur."

David Marton, gebürtiger Ungar, 32 Jahre, lebt unverheiratet in Berlin:

Don Giovanni von Mozart. Zwei Menschen in Unterwäsche stehen auf der Bühne. Don Giovanni ist eine Frau:

Beide fangen an sich schnell anzuziehen. Leporello trägt nun einen Rock und ein Frauenjackett. Es beginnt eine wilde Verfolgungsjagd auf der Bühne, indem Don Giovanni Leporello in aufreizende Posen zwingt.

Im aktuellen Projekt von David Marton "Don Giovanni. keine Pause – nach Mozart/da Ponte" geht es um Lüge, Mord und versuchte Vergewaltigung inszeniert als Komödie. Jazz trifft auf Klassik, Theater auf Oper. Das Zusammentreffen der Gegensätze zielt beim Publikum auf völlig neue Hör- und Gefühlserlebnisse.

Der Musiktheater-Regisseur mit den schwarzen Locken hat etwas Jungenhaftes, fast Schelmisches an sich, wenn er mit seinen großen schwarzen Augen leicht fragend schaut. Er trägt eine braune Lederjacke mit schwarzen Hosen und hellen Turnschuhen. Seine zartgliedrigen Hände sind ineinander verschränkt.

Früher hat David Marton Klavier gespielt. Bereits seit der Grundschule. Mit zwölf Jahren kommt er auf das Musikkonservatorium in Budapest. In Ungarn ist das nichts Ungewöhnliches. Dort wird Musik wie Leistungssport betrieben:

"Es gibt wirklich nur eine Schule im ganzen Land dafür und dann ist man unter 20 in einem Jahr und dann möchte man auch gar nicht der Allerschlechteste sein und dann übt man auf einmal viel und dann ist man schon mitten drin, ohne dass man das gemerkt hat – mit so dreizehn, vierzehn."

Ganz unbeteiligt war die Familie an Davids Pianistenkarriere nicht: Von Kindesbeinen an ist David Marton von Kunst umgeben:

"Mein Vater ist Maler, Kunstmaler, und meine Mutter ist Übersetzerin von Literatur und ist auch Verlegerin. Und ich hab Halbbrüder, zwei Halbbrüder, aber die sind viel älter – wir haben nicht zusammengelebt. Der eine ist Schlagzeuger in einem Rockband und der andere ist auch Maler."

Mit 20 kommt David Marton als Klavierstudent für ein Auslandssemester nach Berlin. Er fühlt sich in der Stadt so wohl, dass er sein Studium an der Hanns Eisler Hochschule beendet. Doch dann überkommen ihn Zweifel, ob er mit der Pianistenkarriere weitermachen möchte.

"Film aber auch Malerei oder Theater waren Sachen, die mich sehr fasziniert haben. Und Klavierspiel mochte ich sehr und lief auch nicht schlecht, ist eine vollkommen andere Lebensform – sehr gebundene, sehr disziplinierte, sehr einsame."

Auf der Suche nach etwas Neuem fängt David Marton ein Dirigenten-Studium an. Aber auch das scheint nicht das Richtige zu sein:

"Durch Dirigierstudium fing ich an in einer Produktion in der Schaubühne musikalische Leitung zu machen und dann habe ich an der Volksbühne Produktionen mitgespielt bei Castorf, Marthaler... und das waren solche Erfahrungen, die schon überwältigend sind und mich eingesogen haben, in diese Theaterwelt."

Ein Jahr arbeitet David als Bühnenmusiker und studiert parallel Musiktheater-Regie. Dann wird er von der Hochschule vor eine Entscheidung gestellt. David Marton entscheidet sich für Marthaler, Castorf & Co. Bald darauf macht er sein erstes eigenes Projekt: Der Jung-Regisseur widmet sich in seiner Arbeit "Nackt entblößt, sogar" dem Freischütz. Es geht um den Glauben an Gott, den Glauben an uns selbst und das Scheitern eines Helden.

"Ich hatte es sehr studentisch vorgestellt. Dass ich hier irgendwo einen Ort anquatsche, ob wir da nicht ein Projekt machen dürfen – ein paar Sänger von der Hochschule und ich hätte ich mich sehr gefreut, wenn wir nen Ort kriegen- mir egal wo, nur irgendwas machen."

Seine schwarzen Augen fangen an zu leuchten. Es ist eine Begeisterung, die andere überzeugt und für sich einnimmt. Gleichzeitig strahlt David eine völlige Ruhe aus.

Seine Darsteller sind nicht einfach für eine Produktion zusammen gecastet. Mit seinem Studienkollegen, dem Pianisten Jan Czajkowki, nimmt er sich Zeit vielseitige Musiker zu finden, die nicht nur ihr Instrument beherrschen:

"Da sind wir fast ein Jahr lang immer wieder in die Hochschule gegangen zusammen oder in Clubs und Leute gehört und so langsam das Ensemble zusammengesucht."

Er nimmt sich die Freiheit auf der Bühne, auch mal mittendrin oder am Schluss anzufangen. Wenn nichts mehr weitergeht, erinnert er sich gern an die Proben von seinen Maestri – Größen wie Marthaler und Castorf:

"Das ist ein unbewusstes Lernen, wie man zum Beispiel Mut anlernt – Mut entweder am Probieren, Mut an Blödheit, Mut am Experimentieren."

"Das Austoben mündet immer wieder an bestimmten Tagen in panischen Angst und seitens des Publikums ist nie immer hundertprozentig das Gefallen und die Freude."

Auch Niederlagen bringen David Marton nicht zurück zum traditionellen Musiktheater. Es ist die ständige Suche, die ihn fasziniert. Nach neuen Stoffen, nach neuen Persönlichkeiten, nach neuen Blickwinkeln. Vielleicht ist es dieses Ungreifbare an David Marton, das sein Charisma ausmacht.