Energiewende

Sterbebegleitung für die Steinkohle

Von Michael Braun · 04.03.2014
Die Energiewende macht nicht nur RWE schwer zu schaffen. Strom aus erneuerbaren Quellen hat seinen Marktanteil deutlich erhöht. Kohlekraftwerke könnten überflüssig werden.
Versorger wie RWE sitzen in einer Falle. Die Bundesnetzagentur verpflichtet sie, unter allen Umständen Strom zu liefern, auch wenn dabei Verluste erwachsen. Zugleich bekommen konkurrierende Anbieter hohe, feste Preise für ihren Strom, solange er nur aus erneuerbaren Energien stammt. RWE-Manager Rolf Martin Schmitz stöhnte einmal:
"Blödes Geschäft, was man da hat."
Strom aus erneuerbaren Energien hat in diesem Umfeld seinen Marktanteil am Strommarkt in den letzten 13 Jahren von sechs auf 25 Prozent erhöht. Die Strombranche will diesen schnell wachsenden Konkurrenten nun in die Pflicht nehmen.
"31 Erneuerbare müssen Verantwortung übernehmen."
Sagt Hildegard Müller, die Hauptgeschäftsführerin des BDEW, des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft. Dass Strom aus erneuerbaren Energien bevorzugt ins Netz eingespeist werden muss, auch wenn ein Überangebot da ist, und das auch noch zu festen Preisen, das will der Rest der Branche nicht mehr mitansehen. Zumal dann, wenn es an Wind und Sonne fehlt, die Kohle- und Gaskraftwerke angeworfen werden müssen. Die liefern dann zu Preisen, die deutlich niedriger als früher sind, oft verlustreich sind. Der Markt müsse neu organisiert werden, meint Verbandschefin Müller:
"25 Prozent Marktintegration."
Feste Entgelte für sauberen Strom auch bei einem Überangebot gibt es im BDEW-Modell nicht mehr. Das ist die erste Säule des Modells. Und wird der grüne Strom knapp, müsste die zweite Säule tragen: Dort sollen Kraftwerke ihre Reservekapazitäten vermarkten können. Hat also ein Stromlieferant Strom zugesagt und bekommt ihn nicht aus Wind und Sonne, kauft er auf dem Markt für Reservekapazitäten. Dort sollten sich lohnende Preise bilden. Das wäre nach dem Geschmack von RWE & Co.
Auch die Industriegewerkschaft Bergbau, Energie, Chemie hat sich in die Debatte eingemischt. Sie fürchtet, werde der Strom für den Endkunden immer teurer, sparten die Unternehmen bei den Löhnen. Oder sie wandere ab. Der IG BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis:
"Es ist wirklich nicht komisch, wenn künstlich, politisch erhöhte Preise beispielsweise für Energie in ein Unternehmen einschlägt. Raten Sie mal, wo das ankommt. Das kommt in Rationalisierungsprozessen an und in Tarifrunden."
Die IGBCE schlägt deshalb vor, eine deutsche Kraftwerksunion zu gründen. In die sollen Konzerne wie Steag, E.ON, RWE, Vattenfall und ENBW ihre Steinkohlekraftwerke einbringen. Der Vorteil: Eine Kraftwerksunion hätte das betriebswirtschaftliche Interesse, nur die effizientesten Kraftwerke einzusetzen. Das senke die Kosten. Damit das nicht zu scharfen sozialen und lokalen Spannungen führt, wenn dabei Kraftwerke auf der Strecke bleiben, soll auch der Staat in die Kraftwerksunion einsteigen, um alles abzufedern.
In der Praxis dürfte das auf eine Konstruktion nach dem Vorbild der Ruhrkohle AG hinauslaufen. Die wurde gegründet, um den Tod der Kohlezechen finanziell zu begleiten. Droht jetzt das Ende der Kohlekraftwerke? Das könnte zumindest dann passieren, wenn Strom aus Wind und Sonne in großen Mengen gespeichert werden kann. Dann braucht man Kohlekraftwerke nicht mal mehr als Kapazitätsreserve.
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