Energiewende

Ein unmoralisches Angebot aus dem Öko-Muster-Dorf

Windräder stehen auf einem Feld bei Wormlage in der brandenburgischen Lausitz vor dem vom Sonnenuntergang rot gefärbten Abendhimmel.
Windräder auf einem Feld bei Wormlage in der brandenburgischen Lausitz © dpa picture alliance / Andreas Franke
Von Ludger Fittkau · 25.06.2014
100 Prozent regenerative Energien im Jahr 2020. Das ist für den rheinhessischen Wind- und Solarenergie-Entwickler JUWI keine Utopie - und der machte Angela Merkel deshalb ein "unmoralisches Angebot": Wenn sie es schafft, bis 2020 die Energiewende abgeschlossen zu haben, wird die Hälfte der Firma verschenkt.
Die 20-minütige Fahrt von Mainz nach Wörrstadt ist eine Reise in die Zukunft. In die Zukunft der Energie . Denn der Firmensitz des Wind- und Solaranlagen-Entwicklers JUWI ist eine Demonstrationslandschaft für regenerative Energien und nachwachsende Rohstoffe: Solartankstellen für Elektromobile gleich an der Einfahrt zum Firmengelände. E-Bikes im Schaufenster des Empfangsbereichs. Großzügige Gebäude aus unbehandeltem Holz, deren Dächer und Südfassaden komplett mit Sonnenkollektoren ausgestattet sind. Auch bei 30 Grad im Schatten ist es in den Gebäuden aus nachwachsendem Rohstoff angenehm kühl:
"Wir haben keine Klimaanlagen in dem Sinne, sondern machen das mit gekühltem Wasser, das abends durch das Gebäude gepumpt wird. Also wir versuchen, nachhaltige Technologien einzusetzen bei uns im Gebäude."
sagt JUWI -Pressereferentin Ricarda Schuller. Auch in den Außenanlagen von JUWI regiert der Nachhaltigkeitsgedanke: Der werkseigene Kräuter- und Beerengarten liefert Zutaten für die Kantine und für selbstgemachte Marmelade. Die dürfen die rund 1000 Solar- und Windkraftentwickler nach dem Feierabend-Schwitzen im Fitness-Center oder auf dem gepflegten Fußballplatz neben den schmucken Schilf-Fischteichen mit nach Hause nehmen. Rundherum Windräder auf den rheinhessischen Hügeln, so weit das Auge reicht. JUWI- Windräder. Selbst über der betriebseigenen Kita dieser Öko-Muster-Welt dreht sich eine der rund 500 Windkraftanlagen, die JUWI hierzulande schon errichtet hat. Die Firma ist jedoch längst ein Global Player – nicht nur bei der Errichtung von Windparks, betont Ricarda Schuller:
"Weltweit sind wir nicht nur im Bereich Wind aktiv, sondern auch im Bereich Solar. Vielleicht kann man verallgemeinernd sagen: Ein Global Player im Bereich der erneuerbaren Energien."
Gründer: Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien nicht besser geworden
Bundeskanzlerin Angela Merkel müsste das eigentlich sehr freuen. Denn der JUWI- Firmengründer Matthias Willenbacher machte ihr im vergangenen Jahr ein "unmoralisches Angebot", wie er es nannte: Sollte es der Kanzlerin bis 2020 gelingen, die politischen Weichen für eine Welt mit 100 Prozent erneuerbaren Energien zu stellen, will er seine millionenschweren Anteile an der Firma verschenken. Diese sollen dann an 500 deutsche Energiegenossenschaften, die Wind- und Solaranlagen betreiben, gehen. Das Angebot gilt weiter, bekräftigt JUWI- Maschinenbau-Ingenieur Christian Hinsch:
"Das Angebot war, jetzt die Weichen zu stellen, damit 2020 einhundert Prozent erneuerbare Energien in Deutschland genutzt werden können. Der Herr Willenbacher hat das Buch jetzt gerade aktualisiert und ins Englische übersetzt. Von daher ist das Angebot noch vorhanden, die Kanzlerin ist ja auch die Gleiche wie im letzten Sommer und von daher ist die Ansprechpartnerin auch nach wie vor die Gleiche. Allerdings müssen wir erkennen, dass die Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien nicht unbedingt besser geworden sind im Vergleich zur Vorgängerregierung. Und bei schlechten Rahmenbedingungen sind die Aussichten, dieses Ziel zu erreichen, eher schwieriger."
Keine großen Photovoltaikanlagen mehr
In den ersten Monaten des Jahres 2014 wurden in Deutschland nur noch halb so viele Solaranlagen errichtet, wie im Vergleichszeitraum des vergangenen Jahres, kritisiert Christian Hinsch. Aus dem Geschäft mit großen Photovoltaikanlagen in Deutschland hat sich JUWI aufgrund der schlechten Rahmenbedingungen deshalb zurückgezogen.
Hierzulande konzentriert man sich nun auf Windparks. Solaranlagen liefert JUWI nur vor allem in Entwicklungsländer. Ein Stichwort lautet "Off-Grid-Anlage" – dabei geht es um Solartechnik, die ohne Anbindung an Stromnetze genutzt werden kann:
"Wir haben eine Off-Grid-Abteilung, die vor allem netzferne Inselanlagen im Solarbereich, oft als Hybridanlage mit einem Dieselaggregat, das vielleicht schon vorhanden ist oder mit einem Windrad oder einem Batteriespeicher aufbaut. Weltweit natürlich ein gigantisch großer Markt, wenn man sich vorstellt, dass viele Menschen ja überhaupt keine Energieversorgung haben. Oder halt ein teures Dieselaggregat mitten in Afrika stehen haben, wo sie den Diesel für hohe Kosten erstmal hinbringen müssen."
Noch einmal rund 500 Entwickler weltweit beschäftigt JUWI zusätzlich zu den tausend Mitarbeitern auf dem rheinhessischen Muster-Öko-Hügel, um passende regenerative Lösungen auch für entlegene Gebiete auf dem Globus zu schaffen.
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