Ende der Milchquote

Kleinbauern vor dem Aus?

Rind aus Kunststoff mit den Deutschlandfarben angemalt und der Aufschrift: "Die faire Milch"
Rind aus Kunststoff mit den Deutschlandfarben angemalt und der Aufschrift: "Die faire Milch" © Imago / CHROMORANGE
Von Ernst-Ludwig von Aster · 30.03.2015
Drei Jahrzehnte hat die Quote die europäische Milchproduktion gesteuert - diese Milchquote wird zum 1. April 2015 abgeschafft. Künftig wird der freie Markt den Milchpreis bestimmen. Kleinere Milchviehbetriebe haben das Nachsehen. Zwei Milchbäuerinnen blicken in die Zukunft.
Elisabeth Böse stapft durch den Gang im halbdunklen Stall, die Bäuerin blickt nach links, stutzt:
"Ohh, die hat gekalbt, hier links, Franziska hat gerade ein Kalb geboren. Heute morgen."
Wackelig stakst das Kälbchen durchs Stroh. Die Mutter kaut entspannt.
"Wir haben so knapp 70 Kühe, die Milchkühe, die gemolken werden...das ist unser Altenstall, das ist Pallas Athene, die ist 18 Jahre alt, die kriegt das Gnadenbrot..."
Drei Generationen Kühe leben auf dem Biohof der Böse-Hartjes im niedersächsischen Thedinghausen. Und vier Generationen Bauernfamilie. Seit mehr als 200 Jahren leben die Böse-Hartjes von der Milch. Pallas-Athene ist eine altgediente Spitzenkraft. Und eine Quotenkuh. Wie viel sie und ihre Kolleginnen liefern durften, legt bis heute die Agrarkommission in Brüssel fest.
"Wir sind angefangen mit 150.000 Liter vor 25 Jahren, wie die eingeführt wurde, hatten wir 150.000 Liter Milchquote. Jetzt haben wir so 400.000, die wir liefern können, dieses Jahr noch... dann ist ja Schluss jetzt am 1. April, dann muss man mal sehen."
Die Milchquote wird zum 1. April abgeschafft – nachdem sie 30 Jahre den Markt reguliert hat.
"Diese Milchquote hatte ja den Zweck und der war absolut sinnvoll, dass wir keine Überproduktion betreiben, weil mit jedem Liter den wir über Bedarf produzieren fällt unser Preis, das ist ganz klar."
Butterberge und Milchseen wurden vermieden
Preisstabilität durch Mengenbegrenzung. Das war die Politik, um Butterberge und Milchseen zu vermeiden. Als die Böse-Hartjes mehr produzieren wollten, kauften sie Quoten von anderen Landwirten dazu. Sofamelker, wurden die genannt, weil sie nur kassierten. Ohne selbst Hand an den Euter zu legen. Aber nun soll das anders werden. Die EU spekuliert auf das weltweite Milchgeschäft. Auf steigende Nachfrage aus China und Osteuropa. Ab 1. April werden Angebot und Nachfrage die Milchproduktion regeln. Für Bäuerin Eliabeth Böse mit gerade mal 70 Kühen eine Herausforderung, denn die Konkurrenz ist mächtig.
"Es stehen ganz viele große neugebaute Betriebe in den Startlöchern, die dann richtig losballern...dann wird's hier richtig krachen."
Ihre Schwester Johanna kommt dazu. Die beiden gehen in den großen Auslaufstall. Elisabeth fingert eine Schachtel Zigaretten aus der Weste, Johanna das Feuerzeug. Gemeinsam bewirtschaften sie seit 25 Jahren den Biohof. Jetzt, wo sich die Spielregeln beim Milchmonopoly ändern, haben kleine Betriebe das Nachsehen, fürchten nicht nur die beiden Schwestern.
"Wir haben hier jetzt einen Betrieb,.., der hat jetzt für 600 Kühe gebaut, und einen Antrag gestellt, das er auf 1700 gehen kann. Das bedeutet letztendlich, dass dafür mindestens zehn Betriebe in der Region aufhören müssen..."
Große Betriebe profitieren vom globalen Wettbewerb
Die großen Betriebe, wo hunderte Kühe im Stall stehen, profitieren vom globalen Wettbewerb. Das sagen die Agrarfunktionäre des Deutschen Bauernverbandes. Der Verband der Milchviehhalter, in dem vor allem kleinere Betriebe organisiert sind, warnt vor einem allgemeinen Preissturz und befürchtet, dass sich die arbeitsintensive Weidehaltung, wie sie die Schwestern Böse-Hartje betreiben, dann nicht mehr rechnet.
"Wenn der Milchpreis abkackt, brauchen wir Gesetze, die es uns ermöglichen, in dem Moment die Menge um fünf Prozent runterfahren zu können Punkt. Was jeder tun muss. Und wer es nicht tut, der wird, wie im Straßenverkehr bestraft..."
Zurzeit bekommen die beiden Bäuerinnen für ihre Biomilch 46 Cent pro Liter, die konventionellen Landwirte kassieren 24 Cent. Das reicht kaum zum Überleben, versichern die Böse-Hartjes.
Noch ein kurzer Blick auf Katharinas Kälbchen, ein zärtlicher Klapps aufs Hinterteil von Pallas Athene – dann geht's in die Wirtschaftsräume.
Drittes Standbein mit mobilen Hühnerställen
Hier zeigt sich, dass Familie Böse Hartje bereits vorgesorgt hat: Käselaiber warten in den Regalen. Schwiegertochter Gesa steht an einem kleinen Tisch, sortiert Bio-Eier in Sechser-Kartons;
"Wir haben uns ein drittes Standbein geschaffen, in dem wir uns jetzt zwei mobile Hühnerställe zugelegt haben und Eier produzieren, und die auch an den Einzelhandel verkaufen. Und zu einem auskömmlichen Preis verkaufen, da sind wir ganz froh."
Eier, Käse und Rindfleisch verkauft die Bauernfamilie. Einmal im Monat laden die Böse-Hartjes zum Bauernmarkt. Denn die Milch allein reicht perspektivisch nicht zum Überleben, da sind sich die Bäuerinnen sicher. Schon heute produziert Europa 10 Prozent mehr Milch als es verbraucht, rechnen die Schwestern vor. Ist aber zu viel Milch auf dem Markt, drücken die Handelsketten und Discounter die Preise.
"Die Molkereien haben immer ihre Marge, die haben ihre Marge für die Verarbeitung, was sie dafür brauchen. Und wir Bauern sind Restgeldempfänger."
Nach dem 1. April heißt es deshalb womöglich für viele kleine Milchbauern: Abschiednehmen. Der globale Milchmarkt gehört den Großen.
"Und ich sage immer, dieser Hof wurde seit 1750 von den Kühen ernährt, alle Menschen, die hier gelebt und gearbeitet haben wurden von den Kühen ernährt. Und jetzt geht es nicht mehr..."
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