Elena Ferrante: "Die Geschichte eines neuen Namens"

Italienische Langeweile

Blick in eine Straße mit altmodischem Straßenpflaster und Torbogen, in Italien, Neapel
Der zweite Teil der neapolitanischen Saga ist grundsolide, rechtfertigt aber nicht den Hype. © dpa - Report / Lars Halbauer
Von Irene Binal · 19.01.2017
Der zweite Band der neapolitanischen Saga von Elena Ferrante stürmt die Bestsellerlisten. Dabei ist "Die Geschichte eines neuen Namens" im Grunde nur eine etwas zähe und ziemlich verschachtelte Familiengeschichte ohne große Höhepunkte.
Gleich vorweg: ein richtig schlechter Roman ist es nicht. Die Enge im Neapel der 1960er-Jahre, die komplizierten familiären Verstrickungen, die gesellschaftlichen Zwänge, denen gerade junge Mädchen unterworfen werden – all das fängt Elena Ferrante geschickt ein.
Ihre Hauptfiguren könnten gegensätzlicher kaum sein: Lila, die mit 16 Jahren den Lebensmittelhändler Stefano heiratet, sich aber schon kurz nach ihrer Hochzeit in der Ehe eingeengt fühlt und eine leidenschaftliche Affäre mit dem Studenten Nino beginnt, und Elena, die eigentlich in Nino verliebt ist, ihn aber an ihre Freundin abtreten muss und sich stattdessen ins Lernen stürzt.
An dramatischen Szenen, an lautstarken Streitigkeiten und handgreiflichen Auseinandersetzungen fehlt es nicht, es gibt dunkle Gestalten, übergriffige Väter und verrückte Witwen. Eigentlich wäre alles vorhanden, was ein großer Roman braucht. Aber der Funke will nicht so recht überspringen.
Am mitunter etwas unübersichtlichen Figurenkosmos liegt es wohl nur zum kleinsten Teil. Schließlich befinden wir uns in Süditalien, wo große Familien und ein ständiges Bäumchen-wechsle-dich in Beziehungsfragen zum Alltag gehören.

Keine mitreißenden Charaktere

So richtig mitreißend allerdings ist keiner der Charaktere, nicht einmal die beiden Hauptfiguren können echte Sympathie erwecken. Lila erscheint mal als Modepüppchen, mal als Femme fatale, und die Unverfrorenheit, mit der sie sich an Nino heranmacht – obwohl ihre angeblich beste Freundin seit Jahren in ihn verliebt ist – weckt ernsthafte Zweifel an ihrem Verständnis von Freundschaft.
Elena wiederum bleibt selbst als Erzählerin seltsam blass, ist wenig mehr als eine brave Chronistin der Ereignisse, die sie mit stellenweise dröger Ausführlichkeit schildert. Immer wieder schleicht sich eine gewisse Langeweile ein und wahrscheinlich hätte man den Roman ohne große Verluste um ein Viertel kürzen können.
Dass er es dennoch auf die Bestsellerlisten geschafft hat, dürfte zu einem nicht geringen Teil der Aufregung um die Identität seiner Autorin geschuldet sein, die ein italienischer Journalist vor kurzem mit großem Trara aufdeckte. Die fatale Tendenz, dass die Person des Autors wichtiger wird als sein Werk, hat damit einen neuen Höhepunkt erreicht.
Für sich genommen bleibt der zweite Band in Ferrantes "neapolitanischer Saga" ein Buch, das nicht wirklich schlecht, aber eben auch nicht wirklich gut ist, eine solide erzählte Geschichte ohne große Höhepunkte, die den großen Hype um sie nicht unbedingt verdient hat.

Elena Ferrante: "Die Geschichte eines neuen Namens"
Aus dem Italienischen von Karin Krieger
Suhrkamp, Berlin 2016
624 Seiten, 25,- Euro

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