Eine literarische Korrespondenz

05.12.2012
35 Jahre lang führten Peter Handke und Suhrkamp-Verleger Siegfried Unseld eine intensive Korrespondenz. Pünktlich zum 70. Geburtstag des Schriftstellers wird dieser Briefwechsel nun publiziert. Zu besichtigen sind hier zwei souveräne Persönlichkeiten - und ihre Liebe zur Literatur.
"Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass wir nach genauer Lektüre Ihres Manuskripts uns entschieden haben, Ihre Arbeit in den Suhrkamp Verlag zu übernehmen".

Mit diesen Sätzen beginnt im Jahr 1965 eine der erfolgreichsten literarischen Verbindungen der deutschen Nachkriegsepoche. Der Absender des Briefes ist Siegfried Unseld, Leiter des Frankfurter Suhrkamp Verlages. Adressat ist ein 23-jähriger Jurastudent aus Graz, Peter Handke. Gerade hat er sein erstes Romanmanuskript mit dem Titel "Die Hornissen" beendet, auf Umwegen ist es auf Unselds Schreibtisch gelandet und dieser erkennt sofort, womit er es hier zu tun hat: Mit einem unbekannten Debütanten, der nicht mehr lange unbekannt sein wird.

Im Jahr 1966 erscheinen "Die Hornissen" bei Suhrkamp. Es folgt eine Zusammenarbeit, die 35 Jahre, bis zu Siegfried Unselds Tod im Jahr 2002, währt und eine ebenso lang geführte, intensive Korrespondenz, die nun pünktlich zu Peter Handkes 70. Geburtstag publiziert wird.

Überraschend an den Briefen von Dichter und Verleger ist ihre Sachlichkeit, ihr ausdrücklicher Bezug aufs Handwerkliche, getragen von der spürbaren Entschlossenheit zweier starker, souveräner Persönlichkeiten, der gemeinsamen Sache, der Literatur zuliebe im Zweifelsfall alles Trennende zurückzustellen.

Natürlich gibt es in fast vier Jahrzehnten auch Briefe, die von Ärger, ja von Krisen zeugen. Zu einer solchen kommt es beispielsweise 1975. Peter Handke hatte das Manuskript seines neuen Romans "Die Stunde der wahren Empfindung" an Unseld übergeben. Nun wartet er ungeduldig auf eine Reaktion. Taugt der Text? Warum lässt Unseld nichts von sich hören? Er schickt einen bitteren Beschwerdebrief nach Frankfurt. Die Briefe, die daraufhin folgen, sind von beiden Seiten dem energischen Bemühen geschuldet, den Konflikt so schnell wie möglich aus der Welt zu schaffen.

Auch beim großen Krach im Jahr 1981 geht es um nichts Nebensächliches, sondern um die zentrale Reizfigur des deutschen Literaturbetriebs, um Marcel Reich-Ranicki, bekanntlich kein Handke-Fan. Der Dichter empfindet es als Verrat, dass Siegfried Unseld den verhassten Kritiker hofiert. Er bricht das Verhältnis zum Suhrkamp Verlag ab und schreibt in einem Brief: "Unsere Wege trennen sich hiermit, unwiderruflich."

Der Bruch dauert nicht länger als ein paar Wochen. Dann kehrt die Korrespondenz zum Wesentlichen zurück: Zur Arbeit am Buch, zu Fragen um Schriftgrößen, Titelgestaltung, Cover, um Auflagenhöhe und Autorenverträge. Handke weiß, was er künstlerisch will und setzt es hartnäckig durch. Unseld weiß, dass es sinnlos ist, einen Mann wie Handke künstlerisch zu knebeln und gibt sehr oft nach. In beidem aber erweist sich Respekt vor dem Tun und Können des anderen.

"Werden Sie der Sache nicht müde, wir werden es auch nicht". Dies, geschrieben von Siegfried Unseld am 18. Mai 1967, ist vielleicht der Schlüsselsatz dieser Korrespondenz. Sie führt einen überragenden Verleger und einen überragenden Schriftsteller vor Augen.

Besprochen von Ursula März

Peter Handke, Siegfried Unseld: Der Briefwechsel
Herausgegeben von Raimund Fellinger und Katharina Pektor
Suhrkamp Verlag, Berlin 2012
700 Seiten, 39,95 Euro
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