Ein Zauberer auf dem Sender

Historisches Großfoto mit Hans Flesch, Bereich "Anfänge"
Historisches Großfoto mit Hans Flesch, Bereich "Anfänge" © Deutschlandradio / Bettina Straub
Von Armin H. Flesch und Wolfgang Hagen · 25.10.2014
Als 1923/24 in Deutschland die ersten Programmgesellschaften gegründet wurden, herrschte zunächst oft Langeweile im Äther: morgens Gymnastik und kirchliche Feiern, mittags Kochrezepte und Zeitsignale, abends ein Konzert oder ein "belehrender Vortrag" und zum Schluss das Deutschlandlied.
Von allen deutschen Rundfunkleitern hat er als Erster eine klare Vorstellung von den Möglichkeiten des neuartigen Massenmediums. Bert Brecht, Kurt Weill, Walter Ruttmann, Ernst Krenek, Walter Benjamin, Paul Hindemith – lang ist die Liste derer, die er zur Mitarbeit im Funk gewinnt. Ab 1929 Intendant der "Berliner Funkstunde", wird Hans Flesch für die nationale Rechte die Galionsfigur des "System-Rundfunks". Schon 1932, unter Reichskanzler von Papen, werden die in der Reichsrundfunk-GmbH zusammengeschlossenen Rundfunkgesellschaften aufgelöst. Flesch wird aus dem Amt entlassen: Ein zentralistischer Staatsrundfunk entsteht!
Die "Lange Nacht" nimmt den 90. Jahrestag der Ausstrahlung von Fleschs Hörspiel "Zauberei auf dem Sender" zum Anlass, den Lebensweg des Rundfunkpioniers Hans Flesch nachzuzeichnen.
„Geheimnisvoll fährt der Lift zur Sendestation empor. Irgendetwas Besonderes ist los. Man merkt es an der scheinbaren Ruhe des Leiters, des Ansagers, der Sängerin – und selbst die Trommel kratzt sich neugierig ihr Fell. Punkt halb 9 Uhr beginnt es. Mit einer höllischen Fra-Diavolo-Ouvertüre. Alle Rundfunkteilnehmer fahren entsetzt in die Höhe. Aber was ist das? Dr. Flesch, der Herrscher des Sendereiches, wird in seinem Programm gestört ... Von der Märchentante, die auch einmal abends ein Märchen erzählen will. Und während noch gütlich mit ihr verhandelt wird, ertönen Zahlen nichts als Zahlen ...“ Mit Hörbeispielen
Der Neue Mensch und die Störung. Hans Fleschs vergessene Arbeit für den frühen Rundfunk. Es gibt in der Geschichte der Radiohörspiele wenige, die nicht so sehr ein Hörspiel, sondern vielmehr die Störung eines Hörspiels zum Inhalt haben. Ausgerechnet das allererste in der deutschen Radiogeschichte ist ein solches. Die "Zauberei auf dem Sender" von Hans Flesch, uraufgeführt im Frankfurter Sender am 24. Oktober 1924, spielt mit Störungen des Sendebetriebs am 24. Oktober des Jahres 1924.
… Man hat dieses vom Hessischen Rundfunk wieder ausgegrabene erste gesendete deutsche Hörspiel bisher als "formal belanglose Verulkung der damals noch fremdartigen Möglichkeiten des Mikrophons" (Schwitzke), als "Einfall" verstanden, der sich "kaum von einem Studentenulk" (Lauterbach) unterscheide …
Am 21. März 1933 wird vor den Toren Berlins, in der Kleinstadt Oranienburg, eines der ersten Konzentrationslager im Deutschen Reich errichtet. Das Wachpersonal bilden SA-Männer, die Häftlinge sind hauptsächlich KPD- und SPD-Mitglieder und -Funktionäre. Sehr schnell steht das KZ im Licht der Öffentlichkeit: Führungen werden für Journalisten organisiert, denen es als vorbildliche "Erziehungsanstalt" für Opfer der "Verführung" durch Marxismus und Kommunismus vorgestellt wird. Ziel dieser nationalsozialistischen "Öffentlichkeitsarbeit" ist es, der vom Ausland betriebenen "Greuelpropaganda" entgegenzuwirken.
Auf der Homepage des Hessischen Rundfunks finden Sie die HR-Chronik. Hier heißt es unter anderem: "24.10.1924 Das erste deutsche Hörspiel kommt aus Frankfurt. Mit dem Untertitel "Versuch einer Sendespiel-Groteske" inszeniert Hans Flesch seine "Zauberei auf dem Sender". Zuvor hat der Frankfurter Sender bereits Sendungen speziell für Kinder und Frauen eingerichtet, literarische Lesungen und Opern ausgestrahlt, Hörerwunschsendungen eingeführt."