Ein tätowierter Kunstprofessor will Präsident werden

Von Stefan Heinlein, Prag · 10.01.2013
Von Kopf bis Fuß ist Vladimir Franz schwarz-blau tätowiert, jetzt tritt der 53-jährige Künstler bei der tschechischen Präsidentschaftswahl an. Der promovierte Jurist will den politischen Stil auf der Prager Burg grundlegend verändern - und plädierte im Wahlkampf für mehr Freiheit und Toleranz.
Der Seminarraum der Prager Theaterhochschule ist bis auf den letzten Platz besetzt. Tschaikowski steht heute auf dem Lehrplan von Vladimir Franz. Der Professor ist nicht nur in Tschechien ein Star der modernen Klassik. Zu mehr als 120 Theaterstücken hat er die Musik komponiert.

Doch viel Zeit für neue Werke hat der 53-jährige Künstler derzeit nicht. Als einer von neun Kandidaten kämpft er um das höchste Staatsamt in Tschechien. Der promovierte Jurist will den politischen Stil auf der Prager Burg grundlegend verändern.

Franz: "Von den jungen Menschen weiß ich, wie sehr sie sich nach politischen Idealen und gesellschaftlichen Werten sehnen. Dafür will ich Präsident werden – für alle, die im Geist jung geblieben sind."

Tatsächlich ist die Kandidatur das Ergebnis einer Facebook-Kampagne seiner Studenten und Fans. Als er im Sommer seinen Hut dann tatsächlich in den Ring wirft, halten viele Tschechen die Nachricht dennoch zunächst für einen schlechten Witz. Von Kopf bis Fuß ist Vladimir Franz schwarz-blau tätowiert. Punk, Schlumpf und Avatar - diese Schmähungen seiner politischen Gegner nimmt er gelassen.

"Zivilisierte Menschen tolerieren meine Andersartigkeit. Nur wer totalitär denkt und intellektuell im Gefängnis hockt, den empört meine Visage."

In seinen Wahlkampfreden predigt Vladimir Franz deshalb die Tugend der Toleranz als Voraussetzung für Freiheit und Demokratie. Sein Land sei geprägt von der Korruption und stecke in einer moralischen Krise. Auch in Brüssel will der Künstler einen neuen Kurs steuern:

"Tschechien muss ein vertrauenswürdiges Mitglied der Europäischen Union sein. Es verbinden uns so viele gemeinsame Wurzeln und Werte. Darüber müssen wir sprechen und nicht über das, was uns trennt."

Obwohl manche Kritiker ihn als Phrasendrescher ohne jegliche politische Erfahrung bezeichnen, kann Franz mit der Unterstützung seiner Studenten rechnen. Auch für viele andere politikmüde Tschechen ist der tätowierte Professor eine echte Alternative.

Student: "Er wird so ganz anders sein als unser jetziger Präsident. Vaclav Klaus hat immer nur kritisiert und schlechte Stimmung gemacht. Wir leben doch in Europa und müssen uns besser präsentieren als mit Vaclav Klaus."

Tatsächlich sind die Chancen zumindest auf einen Achtungserfolg in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl gut. Rund jeder zehnte Tscheche will sein Kreuz bei Vladimir Franz machen. Bei Schülern und Studenten liegt der Blaumann sogar unangefochten auf Platz Eins.

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