"Ein anderer Schwerpunkt, der gesetzt wird"

Moderation: Hanns Ostermann · 19.01.2007
Bayerns Wissenschaftsminister Thomas Goppel geht davon aus, dass die Stoiber-Nachfolge für den CSU-Vorsitz auf dem Parteitag entschieden wird. Die Entscheidung über den CSU-Vorsitz müsse ein Votum für den inhaltlichen Schwerpunkt sein, sagte Goppel.
Ostermann: Am Telefon von Deutschlandradio Kultur begrüße ich Thomas Goppel von der CSU, den bayrischen Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Guten Morgen, Herr Goppel!

Goppel: Morgen, Herr Ostermann!

Ostermann: Hätte Edmund Stoiber nicht schon früher die Zeichen der Zeit erkennen und sich diesen unrühmlichen Abgang ersparen können?

Goppel: Darf ich Ihre ersten beiden Worte kritisch anmerken, Sie haben gesagt, will nicht mehr. Edmund Stoiber wird nicht mehr. Ich glaube, es ist ein Unterschied im Aufgeben zwischen einzelnen Persönlichkeiten, und Edmund Stoiber gehörte nicht zu denen, die wollen, aufhören wollen oder in irgendeiner Form uns klarmachen möchten, jetzt ist es dann genug. Er ist einer der wenigen, die nicht von Ehrgeiz zerfressen, sondern von Einsatzfreude wirklich getrieben bis in die letzte Feder auch jeden Augenblick nutzt, um die Politik zu machen. Natürlich hätte er zu einem anderen Zeitpunkt entscheiden können, können wir alle, aber ich glaube, wenn man von einer Aufgabe beseelt ist, dann ist es besonders schwer und besonders schwierig, und ich habe das gemerkt, weil ich in den letzten Wochen häufig mit ihm zu reden Gelegenheit hatte.

Ostermann: Günther Beckstein sprach gestern von einer souveränen Rücktrittankündigung Stoibers. Sieht Souveränität nicht anders aus?

Goppel: Nein, das ist eine Frage, die Sie mit der Person verknüpfen müssen und die Sie ganz deutlich an der Person festzumachen haben. Ich glaube, dass Edmund Stoiber in der Weise, in der wir ihn einschätzen und ihn in den letzten Jahren kennen gelernt haben, souverän entschieden hat, denn er hat am Ende ja wohl auch niemanden mehr außer sich selbst und, ich nehme an, seiner Frau ganz intensiv gefragt, wie es weitergehen soll, und hat dann in einer großen Geschwindigkeit entschieden. Die letzten vier Tage waren ja wohl doch dazu angetan, sich zu überlegen, wie schnell das gehen kann, muss.

Ostermann: Hat die Landtagsfraktion da eigentlich mit offenen Karten gespielt? Zunächst sprach sie mit ihm, man einigte sich nach zig Stunden, dann fährt er zurück nach München, und am Morgen haben sich die Landtagsabgeordneten anders entschieden, so jedenfalls gestern die Meldungslage. Ist das christlich, was sich da abgespielt hat.

Goppel: Ich war da gestern früh dabei, Herr Ostermann. Der Eindruck außen mag so gewesen sein, die Realität ist eine andere. Es gibt ganz sicherlich unter 120, 123 Abgeordneten auch ein paar, und vielleicht sogar zwei oder drei handvoll, die bei ihren Beweggründen eher ihre Zukunft als die Gegenwart der Partei im Auge gehabt haben, das will ich gar nicht bestreiten. Aber die große Mehrheit ist erstens zur Arbeit übergegangen, und die ganz große Mehrheit hat dabei in erster Linie im Auge gehabt, dass wir in den nächsten Tagen wieder standfest und aktionsfähig werden müssen.

Ostermann: Aber hätte man das dem Ministerpräsidenten nicht während der Sitzung selbst sagen können?

Goppel: Das ist gesagt worden, darauf dürfen Sie sich verlassen, es war allerdings eine Sitzung im Haus, und deswegen will ich nicht die Übertragung nach außen hiermit beginnen.

Ostermann: Das verstehe ich gut. Nach all den Diskussionen der letzten Wochen, wie groß ist der Schaden für Ihre Partei? Das Tief in den Umfragen dürften Sie ja wahrscheinlich noch nicht erreicht haben.

Goppel: Das weiß ich nicht. Das kann ganz schnell anders gehen, dazu tragen ja auch Sie und manchmal Gespräche wie dieses ja bei, weil die Leute anfangen zu verstehen, warum manches so schwierig und so kompliziert war. Es kann ein richtiges Tief werden, und es kann ein Tief bleiben, weil ein Teil davon ja Realität ist, aber es kann auch genauso gut einen guten Schwung nehmen. Bekanntermaßen braucht man beim Aufstieg ins Gebirge ein paar Minuten länger als beim Abstieg beziehungsweise es hängt an den Beinen und ihrer Fähigkeit, sich nach vorne zu bewegen. Die haben wir.

Ostermann: Und vielen fällt ja das Absteigen schwerer. Jetzt deutet sich ein Streit an um den Parteivorsitz. Könnten Sie sich eine Kampfabstimmung zwischen Wirtschaftsminister Huber und Horst Seehofer vorstellen, oder wird da vorher nach einer einvernehmlichen Lösung gesucht?

Goppel: Ich will noch mal zu Ihrem Abstieg, der schwieriger ist, einen Augenblick zurückkommen. Ich höre nämlich zu, ich bitte um Entschuldigung, der Abstieg ist deswegen schwerer, weil man mit mehr Gewicht wieder nach unten geht und dabei die Kniegelenke sehr viel mehr beanspruchen kann.

Ostermann: Sehe ich auch so.

Goppel: Ich wollte es nur ausdrücklich sagen, und Kniegelenke sind in der Politik ja nicht unwichtig.

Ostermann: So wie der Rücken ja auch.

Goppel: In Ordnung. Jetzt sind die zwei neuen Kandidaten da. Das ist ein anderer Schwerpunkt, der gesetzt wird. Der Erwin Huber hat große Erfahrungen in der Begleitung von Edmund Stoiber in den Jahren von 2002 an, seiner Kanzlerkandidatur und darüber hinaus jetzt samt der Großen Koalition. Er war sehr häufig derjenige, der bei den Diskussionen Edmund Stoiber ersetzt hat, insoweit bringt er viel mit. Und Horst Seehofer ist logischerweise umgekehrt derjenige, der die Berliner Szene besser kennt. Jeder von beiden hat einen Nachholbedarf, und insoweit muss man sich für den ersten Einstieg und den Schwerpunkt dabei entscheiden. Das werden die Delegierten des Parteitags tun.

Ostermann: Herr Goppel, wer ist Favorit, oder wollen Sie sich da nicht in die Karten schauen lassen?

Goppel: Da lasse ich mir nicht in die Karten schauen, weil ich – wie andere Delegierte auch – zu denen gehöre, die sich erst einmal anhören, was der Mensch sagt, bevor man ihn wählt oder nicht wählt.

Ostermann: Inwiefern könnten die letzten privaten Nachrichten über Horst Seehofer seiner Karriere dann wirklich geschadet haben?

Goppel: Wenn wir morgen wählen würden, bin ich überzeugt, dass viel vordergründigere Überlegung dabei ist jenseits aller anderen Beweggründe, die da dazugehören, aber da wir das doch wohl noch erst in einem zumindest früher einberufenen und zu einem anderen Zeitpunkt laufenden Parteitag tun, bin ich überzeugt, dass es nicht mehr im Vordergrund stehen wird.

Ostermann: Wie groß sind bei dieser Personalentscheidung denn, der zukünftige Ministerpräsident, da gehe ich davon aus, der dürfte feststehen, widersprechen Sie mir, wenn Sie anderer Meinung sind, aber wie groß sind die Spannungen zwischen den bayrischen Abgeordneten und denen der Berliner CSU-Landesgruppe?

Goppel: Also erstmal bin ich ein Demokrat und gehe nicht davon aus, dass einer gesetzt ist, bevor er gewählt ist, und da wollen wir dann gemeinsam die Diskussion haben, unabhängig davon, dass Günther Beckstein jemand ist, der auch in der Bevölkerung riesigen Rückhalt hat und deswegen wahrscheinlich Ihre Behauptung rechtfertigt, das ist eine andere Geschichte. Das Zweite ist, dass wir zwischen der Landesgruppe und uns, ich glaube, lange nicht so ein gutes Einvernehmen hatten, wie wir es jetzt haben, jenseits davon, dass wir in der Bewertung einzelner Persönlichkeiten womöglich Unterschiede finden.