Ehre für die Grzimeks

Von Mathias Schulenburg · 04.04.2010
Der Film "Serengeti darf nicht sterben" von Bernhard und Michael Grzimek wurde in Deutschland gleich nach seinem Erscheinen 1959 Kult. Ein Jahr später erhielt das Werk über die Tierwelt eines afrikanischen Nationalparks auch noch den Oscar als bester ausländischer Beitrag - heute vor 50 Jahren.
"Da sitze ich nun in einem kleinen Flugzeug und fliege zusammen mit meinem Sohn Michael allein von Frankfurt bis tief hinab nach Afrika. Das sind 10.000 Kilometer, ein Weg beinahe doppelt so weit wie von Frankfurt bis nach New York. In so einer winzigen Maschine schwebt man nicht Tausende von Metern hoch über den Wolken wie in einem Verkehrsflugzeug, sondern man sieht etwas von unserer Erde, genau wie ein Zugvogel."

Es war ein sehr langer Flug für Bernhard und Michael Grzimek, der zu einem Naturfilm mit spektakulären Bildern führen sollte: "Serengeti darf nicht sterben." Das Werk bekam am 4. April 1960 einen Oscar in der Rubrik "Beste Dokumentation" - eine Sensation.

"Michael hat vor ein paar Jahren unseren Film "Kein Platz für wilde Tiere" mit viel Sorgen und Schulden fertiggestellt, dann war es ganz unerwartet ein großer Erfolg."

Der auch genug Geld einbrachte, das Folgeprojekt in Gang zu setzen, den Serengeti-Film. Der auch an der Kinokasse sehr erfolgreiche Streifen machte einerseits auf die Bedrohung des Tierparadieses in Tansania aufmerksam und beschrieb andererseits die Bemühungen des Landes, einen Nationalpark mit vernünftigen Grenzen zu schaffen, die die Wanderungen der riesigen Herden im Park nicht behinderten. Die Grzimeks lieferten die Informationen dazu mithilfe ihres Flugzeugs, das fotogene Zebrastreifen zierte.

"Die Serengeti in Tanganjika, der früheren deutschen Kolonie Ostafrika, ist eine Wildnis von etwa 12.500 Quadratkilometern. Das ist knapp so viel wie Schleswig-Holstein. Für den riesigen Kontinent Afrika und das große Land Tanganjika also gewiss keine so große Fläche, die man ganz allein den Tieren vorbehalten hat. Und doch ist die Serengeti eines der sieben Wunder dieser Erde."

Das Drehbuch zum Film hatte Michael Grzimek geschrieben, aber den Oscar konnte er nicht mehr entgegennehmen, denn er verunglückte während der Dreharbeiten tödlich mit dem Flugzeug. Der Vater führte das Projekt zu Ende.

Damit der Film "Serengeti darf nicht sterben" einen Ertrag abwarf, musste er von der Wiesbadener Filmbewertungsstelle mindestens das Prädikat "wertvoll" erhalten. Das aber wollte das anonyme Gremium nur dann erteilen, wenn Grzimek diese Stelle strich:

"Diese letzten Reste des afrikanischen Tierlebens sind ein kultureller Gemeinbesitz der ganzen Menschheit, genau wie unsere Kathedralen, wie die antiken Bauten, wie die Akropolis, der Petersdom und der Louvre in Paris."

Und sollten deshalb ebensolchen Schutz genießen. Die Filmbewertungsstelle wertete das als "unerlaubte Gleichsetzung". Und dann hatte Grzimek die Löwen als sehr sozial dargestellt und den Schluss gezogen:

"Es wäre besser um die Welt bestellt, wenn die Menschen sich untereinander wie Löwen benähmen."

Auch das wollte die Filmbewertungsstelle entfernt wissen.

Doch Bernhard Grzimek dachte nicht daran, sondern überzog die Bewerter mit Schmähungen, bis diese entnervt nachgaben und sich ein "wertvoll" abrangen.

Die Szene, an der die prüden 50er-Jahre am ehesten hätten Anstoß nehmen können, ließ die Filmbewerter überraschend kalt: Eine fröhliche Gruppe junger Massai-Frauen badet gänzlich unbekleidet in einem Tümpel und nimmt ebenso nackt vor einem unsichtbaren Raubtier Reißaus – zufällig ist die Kamera dabei.

Heimlicher Star des Filmes war ein Buschbaby, ein kleiner sogenannter Feuchtnasenaffe, dessen bevorzugter Aufenthaltsort während der Dreharbeiten Michael Grzimeks Hemd war. Das eichhörnchengroße Tier konnte mit aufgerecktem Schweif aufrecht wie ein Känguru durchs Gras springen, mit anrührend menschlichem Blick, wie ein Marsupilami.

Grzimek setzte seinen Ruhm konsequent für seine Tiere ein – auch als Fernsehmoderator mit Einschaltquoten bis zu 70 Prozent. Er konnte die Serengeti tatsächlich vor der Zerstörung bewahren, prangerte daneben die Robbenjagd an und setzte die bis heute fortdauernde Käfighuhndebatte in Gang, mit einem versteckt aufgenommenen Film.

Bernhard Grzimek starb im März 1987; er ist zusammen mit seinem Sohn Michael am Rand des Ngorongroro-Kraters in der Serengeti begraben.