DVD

Die Geschichte zweier Brüder

Blick auf den East River mit Manhattan im Hintergrund, aufgenommen vom Ufer in Williamsburg, Brooklyn, New York am 22.06.2014.
Der Film fängt die Atmosphäre des New Yorks der 70er Jahre ein. © picture alliance / dpa / Alexandra Schuler
Von Jörg Taszman · 22.11.2014
Zwei Brüder, einer Cop, einer Bulle, davon erzählt der Regisseur Guillaume Canet in dieser französisch-amerikanischen Co-Produktion. Ein sehenswerter Genrefilm, der aber entscheidende Schwächen hat.
New York 1974. Chris erhält nach einer langjährigen Gefängnisstrafe erstmals Hafturlaub. Sein Bruder Frank, ein New Yorker Cop und holt ihn aus dem Knast ab und versucht, ihm einen Job zu beschaffen. Als Chris seine Exfrau Monica und seine Kinder wieder sieht, spürt man anhand des peinlichen Schweigens, dass er als Vater und Ehemann nie eine Rolle gespielt hat.
"Kids, this is your father."
"Hey, it's me. I am your father. Come here. Give me a Kiss."
Regisseur Guillaume Canet hat in seinem ersten englischsprachigen Film viel Wert darauf gelegt, das Feeling der 70er Jahre in New York einzufangen. Die Detailtreue in der Ausstattung und der Musikauswahl helfen ihm dabei. Er selbst beschreibt die Handlung seines Films kurz und treffend im Making Of.
"Es ist die Geschichte zweier Brüder. Einer ist Bulle und der andere ist ein Gauner. Man sieht sie in ihrem so unterschiedlichen Alltag, bei ihren Lebens- und Liebesgeschichten. Man sieht aber auch, wie diese beiden Figuren keine gemeinsame Sprache finden. Für mich geht es darum, dass man sich seine Familie nicht aussuchen kann."
Vor allem die Darstellerriege kann sich sehen lassen und Guillaume Canet, der selber nicht mitspielt, beweist erneut, wie gut er Schauspieler führen kann. In den Hauptrollen als Chris und Frank sieht man Clive Owen und Billy Cudrup, denen es sehr gut gelingt, den Zwiespalt zwischen Liebe und Abneigung, Treue und Verrat vor allem durch Schweigen und physische Ausbrüche darzustellen. Aber es sind auch drei ganz starke Frauen und Schauspielerinnen, die Guillaume Canet mit viel Zuneigung und Verständnis filmt. So sieht man Mila Kunis als Natalie, ein liebes Mädchen aus einer Autowerkstatt, die mit Chris zunächst anbandelt und ihn später im Auto auf einen Drink einlädt.
Die deutsche Synchronisation schadet den Figuren
Die Nacht verbringen Chris und Natalie dann bereits zusammen. Frank, der Cop stellt dagegen seiner Exfreundin Vanessa nach, einer "Farbigen" wie es damals hieß, zu der er sich lange Zeit nicht bekannte. In einer Schlüsselszene schickt Vanessa Frank zunächst fort und wirft ihm vor, sie seit Wochen zu beschatten. Zu tief sitzt bei ihr noch die Enttäuschung über die Feigheit des Ex-Partners.
"You have been following me for weeks. I've seen you. What do you want, Frank?"
"I have been thinking of you a lot. I've been thinking of you what happened to us and how it ended... I wanted to see if we could be friends."
"Yeah? Can you be seen with me now ? Can you be seen with a coloured girl?"
"Come on...things are different now."
"Leave me alone!"
Zoe Saldana vermag als Vanessa diese im Film wohl originellste und komplexeste Figur sehr einfühlsam zu verkörpern. In der deutschen Synchronfassung wird sie stimmlich viel zu maskulin und taff gesprochen. Und so verliert nicht nur ihre Figur an Subtilität. Auch Guillaume Canets Lebensgefährtin Marion Cotillard sieht man sich lieber im Original an. Sie spielt Monica, eine Italienerin und Exfrau von Chris als eine schöne, aber vom Leben gezeichnete Frau und Mutter. Sie betont in diesem Kurzinterview, dass diese Figur nicht nur drogenabhängig ist und sich gelegentlich prostituiert, sondern auch Mutter und Frau bleibt, die nach Liebe sucht.
"Oui, c'est une droguee, ou c'est une prostituée mais c'est surtout une maman et une femme amoureuse."
Auch wenn Guillaume Canet ein sehenswerter Genrefilm mit gelegentlich interessanten, sozialen Aspekten gelungen ist, floppte das Werk total. Das liegt auch an dramaturgischen Mängeln und einer mitunter klischeehaften Figurenzeichnung. Im Bonusmaterial sieht man jedoch in den "entfernten Szenen" mitunter großartige, emotionale Szenen, die aus unerfindlichen Gründen nicht verwendet wurden, dem Film jedoch mehr Tiefe und Komplexität verliehen hätten. So ist diese Blu Ray vor allem ein Muss für alle, die sich für die Herstellungsgeschichte eines Filmes interessieren, für seine Fehler und verpassten Chancen. So hat "Blood Ties" das Zeug dazu, in einigen Jahren als verkannter Genrefilm doch noch Anerkennung zu finden.

DVD PREMIERE
"Blood Ties"
FR/USA 2013
Regie: Guillaume Canet mit Clive Owen, Billy Cudrup, Marion Cotillard, James Caan