Durchs Schreiben zum Glauben

Warum Jon Fosse zum Ka­tho­li­zis­mus kon­ver­tier­te

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Der norwegische Dramatiker Jon Fosse in Bergen, Norwegen; Aufnahme vom August 2009
Der norwegische Dramatiker Jon Fosse in Bergen, Norwegen; Aufnahme vom August 2009 © picture alliance / dpa
Von Alexander Musik · 01.02.2015
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Jon Fosse ist einer der meistgespielten Theater-Autoren weltweit. Er ist Katholik und hat einen außergewöhnlichen Glaubensweg hinter sich.
Jon Fosse hatte als Treffpunkt eigentlich das legendäre Café "Bräunerhof" vorgeschlagen, weil dort Thomas Bernhard am liebsten saß. Dann lässt sich der Autor, der mit dem Zug aus Hainburg angereist ist, aber schnell zu einer stilleren, untouristischen Alternative überreden. Seine neue Wahlheimat ist ein Städtchen mit gut 6.000 Einwohnern und liegt direkt an der Donau.
"Meine Frau und ich, wir haben eine Wohnung in Hainburg gekauft, weil sie aus Slowakia, aus Bratislava kommt. Es ist wichtig für sie, dort dann und wann zu kommen, weil sie ihre Doktorarbeit fertig macht."
Fosse hat ein Buch mitgebracht: Es ist der sechste Band seiner ins britische Englisch übersetzten Stücke, das soeben erschienen ist. Das Schreiben hat Jon Fosse zu einem religiösen Menschen gemacht. Es komme zu ihm, er plane es nicht und denke es sich auch nicht aus. Es passiere einfach. Aber woher kommt dieser Impuls? Fosse hat es bis heute nicht herausfinden können, sagt er. Doch er weiß, dass die Erfahrung des Schreibens ihn von seinem früheren vulgärmaterialistischen Denken abgebracht hat, erklärt Fosse mit großem Ernst und Nachdruck. Er denkt nach: Mit 23 oder 24 Jahren sei er ein religiöser Mensch geworden.
"Der Protestantismus wollte die Mystik und die Poesie aus der Kirche und Glauben verschwinden lassen. Mit dem Ergebnis, dass heute, in unseren aufgeklärten Zeiten kein Mensch mehr buchstäblich glauben kann. Buchstäblich. Man muss in eine allegorische Weise die Bibel lesen, und der Glaube wie ein Mysterium erleben, nicht als etwas Sachliches als ein weltliches Faktum. Es ist ein Mysterium nicht eine Art Faktizität."
Die Quäker schienen zunächst ein Ausweg zu sein
Immer wieder fällt Fosse vom Englischen ins Deutsche, wenn er seine Gründe für den Austritt aus der norwegischen evangelischen Kirche formuliert, die noch bis 2012 den Status einer Staatskirche hatte.
Ein Ausweg aus dieser protestantischen – und säkularisierten – Gesellschaft in seiner norwegischen Heimat schienen Fosse lange Jahre die Quäker zu sein. Der Glaubensgemeinschaft mit ihren vielleicht 100 Mitgliedern in Norwegen gehörte er bis 2013 an.
"Einerseits schien die Entfernung zwischen den Schweige-Treffen der Quäker – ohne Priester, ohne Sakramente, ohne Liturgie – bis zu dem 'Theater' der katholischen Kirche ziemlich groß. Andererseits sind sie aber nicht – denn im Zentrum des Glaubens der Quäker findet man das, was sie den Gott in einem selbst nennen oder das innere Licht, was, wie die Quäker glauben, das Licht Gottes in einem Menschen ist. Durch die Treffen versucht man der Stille so nah wie möglich zu kommen, dem inneren Licht in einem selbst - und im Anderen natürlich. Und im Katholizismus versucht man Gott durch die Kommunion nahe zu kommen."
Jon Fosse erwähnt sein neues Buch "Das Geheimnis des Glaubens", das im April in Norwegen erscheinen wird. Es wird darin auch um seinen Übertritt zum Katholizismus gehen. Doch der entscheidende Punkt läßt sich kürzer formulieren.
"Seit den 80er Jahren habe ich viel Meister Eckhard gelesen, und ich habe gedacht: Konnte er Katholik sein, dann kann ich es auch sein! So einfach kann ich es auch sagen."
Das Denken des Dominikanermönches und Philosophen Eckhard umkreiste die Frage nach der Berührung von Seele und Gott. Meister Eckhard nannte die Seele das innere Licht, und den Geburtsort Gottes den Seelengrund. Die mystische Spiritualität, die Einheit mit Gott, also die unio mystica - darauf kam es ihm an. Und darauf kommt es auch Jon Fosse an.
"Man kann sich dem Glauben nicht wissenschaftlich nähern. Denn dann existiert Gott nicht. Er ist hinter allem, was existiert. Oder vielleicht ist er auch Teil von Allem, was existiert, aber nicht so, dass man ihn in diesem oder jenem Ding nachweisen kann. Man kann alles, was existiert, wissenschaftlich ergründen. Aber nicht das, was allem, was existiert, gemeinsam ist und was im Deutschen nach Heidegger die Seinsfrage heißt."
Seine Frau ist ebenfalls gläubige Katholikin
"Kann man nicht antworten. Die Seinsfrage und die Frage nach Gott und Meister Eckhart dieselbe Frage: Das absolute Sein und das absolute Nichts ist dasselbe, wie Hegel gesagt hat."
Jon Fosse besucht katholische Gottesdienste in Wien und Hainburg - und in Oslo (natürlich). Die katholische Gemeinde in Norwegen umfasst etwa 5.000 Mitglieder.
"Der große Unterschied ist, dass in Norwegen, wenn man zur Messe in Oslo geht zum Beispiel, ist es normalerweise fast nur Ausländer in der Messe, polnische, aus Asien, aus Lateinamerika, aber hier gibt es jedenfalls in Hainburg am meisten Österreicher (lacht). Und fast nur Österreicher ohne mich."
Hat der frisch gebackene Katholik in Österreich Wohnsitz genommen, weil das Land eine so ausgeprägte katholische Tradition hat? Nein, sagt der Dichter. Es liege daran, dass seine Frau, ebenfalls eine gläubige Katholikin, eben Slowakin sei und Slowakisch so schwierig zu erlernen sei. Also seien sie in die Nähe der Slowakei gezogen. Dass in Österreich immer mehr Menschen aus der katholischen Kirche austreten, ist für ihn kein Problem. Das könne er gut verstehen, sagt Fosse lachend, als Österreicher wäre ihm das vielleicht auch passiert.
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