Drohnen und Co

Unerklärte Geheimkriege

Von Sabina Matthay · 15.12.2013
Der Journalist Mark Mazzetti hat versucht herauszufinden, wie die CIA sich von einer Spionagezentrale zu einer "Tötungsmaschine" entwickeln konnte: indem die Tötungsaktionen als Kriegshandlungen verzeichnet werden.
Der amerikanische Journalist beschreibt diesen Wandel in seinem Buch "Killing Business". Wobei der Untertitel der deutschen Ausgabe - "Der geheime Krieg der CIA" - auf eine falsche Fährte lockt: denn die Auslandsagenten der CIA kämpfen nicht alleine, sondern gemeinsam mit dem Militär.
"Vor dem Terrorangriff betrieb des Pentagon kaum Spionage mit menschlichen Quellen – und die CIA war nicht befugt, Menschen zu töten. Danach jedoch haben beide Institutionen viel von dem getan, was sie vorher nicht taten. Und es ist ein militärisch-geheimdienstlicher Komplex entstanden, mit dem eine neue amerikanische Art des Krieges geführt wird."
Neue Aufgaben für Soldaten und Spione
Die strategischen Aufgaben von amerikanischen Soldaten und Spionen haben sich also im Laufe des vergangenen Jahrzehnts verändert und verwischt. Bekanntestes Beispiels: die Ergreifung und Tötung des Osama Bin Laden in Pakistan 2011 durch eine Spezialeinheit der Marine, die zu diesem Zwecks kurzerhand der CIA unterstellt wurde. Mazzetti, sicherheitspolitischer Korrespondent der New York Times, weiß, wie der Geheimdienst solche verdeckten Aktionen nennt: "sheep-dipped".
"'Sheep-dipped, das ist, wenn man im Handumdrehen zum CIA-Agenten erklärt wird. Eigentlich ist man Navy SEAL und dann wird man für einen Einsatz einfach CIA-Agent unter verdeckter Befehlshoheit. Das ist ein bürokratischer Trick, der die Arbeit an Orten gestattet, an denen man normalerweise nicht arbeitet."
Nicht minder charakteristisch für die neuen amerikanischen Schattenkriege in Pakistan, Jemen, Somalia und anderswo sind gezielte Tötungen der CIA, insbesondere durch Drohnenangriffe.
Zunächst hatte der Geheimdienst nach dem 11. September 2001 Geheimgefängnisse eingerichtet und die Inhaftierten mit Foltermethoden wie water boarding verhört, um Erkenntnisse über Al Kaeda und seine Verbündeten zu gewinnen. Gegen Ende der Amtszeit von Präsident George W. Bush wich dieses rechtlich und moralisch unhaltbare Programm direkten Attentaten auf die Al Kaeda-Führung:
"Bewaffnete Drohnen und generell gezielte Tötungen eröffneten dem Geheimdienst, der sich durch seine Jahre im Inhaftierungs- und Verhörgeschäft ausgebrannt und befleckt sah, ein neues Betätigungsfeld. Leute per Fernbedienung umbringen stellte die Antithese zur dreckigen und sehr direkten Verhörarbeit dar und schien irgendwie sauberer, weniger persönlich."
Beim Drohnenangriff riskiert kaum ein Soldat das Leben
Der "Krieg gegen den Terror" wandelte sich nicht allein aus technologischen und juristischen Gründen, sondern auch aus innenpolitischen Erwägungen: anders als bei Bodenoperationen riskiert bei Drohnenangriffen kaum ein amerikanischer Soldat sein Leben und die Kosten sind deutlich niedriger.
Ungeachtet der Auseinandersetzungen innerhalb der US-Administration über den strategischen Wandel, die Mark Mazzetti ausführlich darstellt, hat die CIA den Einsatz von Drohnen unter Präsident Obama dramatisch ausweiten können:
"Es ist überraschend, wie sehr diese Schattenkriege Obamas Außenpolitik inzwischen bestimmen. Er hat den Krieg im Irak beendet und fährt jetzt die Truppen in Afghanistan zurück. Bei seiner zweiten Amtseinführung sprach er von einem Jahrzehnt der Kriege, das nun zu Ende gehe. Aber das ist nur das Jahrzehnt der Kriege, von denen wir wissen, es endet das Jahrzehnt der öffentlichen Kriege. Die geheimen Kriege gehen weiter und zwar so stark wie eh und je."
Ob dieser Kriegführung die Zukunft gehört, lässt Mark Mazzetti offen.
Obamas neuer CIA-Direktor John O. Brennan hat sich dafür ausgesprochen, dass der Geheimdienst sich wieder stärker auf seine Kernaufgaben konzentriert, also auf das Sammeln und Analysieren von Geheimdiensterkenntnissen.
Von Umwälzungen in arabischer Welt überrascht
Denn diese Fähigkeiten der CIA haben durch ihre gewandelte Rolle im "Krieg gegen den Terror" gelitten. Die Umwälzungen in der arabischen Welt sah der Geheimdienst nicht voraus.
Außerdem hat die Neuausrichtung neue Feinde geschaffen und das Verhältnis zu Verbündeten belastet: CIA-Drohnenangriffe in Pakistan mögen von Regierung und Geheimdienst des Landes geduldet werden, doch haben sie den Anti-Amerikanismus in der Bevölkerung geschürt und den Taliban in die Hände gespielt.
Mazzetti schildert auch den Fall des Raymond Davis, der in Pakistan festgenommen wurde, nachdem er in der Großstadt Lahore zwei Menschen auf offener Straße getötet hatte. Davis war ein Söldner in Diensten der CIA. Die Ermittlungen führten den Pakistanern ein Ausmaß an amerikanischen Geheimdienstoperationen auf eigenem Staatsgebiet vor Augen, das sie weder kannten noch genehmigt hatten. Ein weiterer Schlag für das ohnehin schwierige Verhältnis zu den USA.
In den Vereinigten Staaten erregen die neuen Schattenkriege dagegen kaum Aufmerksamkeit, umstritten sind sie schon gar nicht, politisch werden sie in seltener Eintracht von beiden großen Parteien getragen.
"Jeder Drohnenanschlag ist eine Exekution"
Dabei bestehe durchaus Anlass zur Sorge für die Amerikaner, zitiert Mark Mazzetti einen ehemaligen CIA-Agenten:
"Jeder Drohnenschlag ist eine Exekution. Aber wenn wir schon am laufenden Band Todesurteile verhängen, dann sollte das auf irgendeine Weise öffentlich nachprüfbar sein, und es sollte auch eine öffentliche Debatte darüber geben."
Das Buch "Killing Business" hat durchaus Schwächen. Die Erzählung ist gelegentlich unzusammenhängend, weil Mazzetti Einzelfälle referiert, deren Bedeutung eher anekdotisch ist, weil er Episoden erzählt, die vom Gesamtbild ablenken. Manchmal macht er sich auch zum Sprachrohr der Prahlerei seiner Informanten.
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Mark Mazzetti: "Killing Business"© Berlin Verlag
Doch insgesamt bietet der Pulitzerpreisträger mit diesem Buch ein umfassendes Porträt der unerklärten Geheimkriege der USA und der Faktoren, die sie möglich machen. Das ist investigativer Journalismus, der sich im besten Sinne um das öffentliche Interesse verdient macht, in den USA ebenso wie im Ausland.

Mark Mazzetti: Killing Business
Der geheime Krieg der CIA
Berlin Verlag
416 Seiten, € 22,95 Euro (als Ebook € 16,99)