Drittes Reich

Kurz und kritisch

Juden im Mai 1941 vor ihrer Deportation nach Auschwitz auf dem Bahnsteig von Pithiviers in Frankreich.
Juden werden 1941 nach Auschwitz deportiert. Walter Kahn blieb dieses Schicksal erspart. © dpa / picture alliance
23.02.2014
Das Für und Wider des Christseins: Kurt Flasch argumentiert gegen den Glauben, Hans-Martin Barth dafür. Und Peter Badde hat ein berührendes jüdisches Porträt aufgeschrieben.
Am Ende ist der Leser nicht klüger. Warum Kurt Flasch mitteilen möchte, dass er kein Christ ist, wird nicht recht deutlich. Es ist ja auch eine höchst private Angelegenheit.
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Cover: Kurt Flasch: "Warum ich kein Christ bin"© C.H. Beck Verlag
Wirklich bedauern muss man, dass dem Philosophen das Handwerkszeug entglitten ist: die Stringenz. Er selbst habe keine schlechten Erfahrungen mit dem Christentum gemacht. Und doch leiht er sich – allein um der Provokation willen – den Titel seines Buches von einem Autor, der bereits 1994 bekannte, warum er kein Muslim sei. Unter dem Pseudonym Ibn Warraq warf dieser dem Islam religiösen Faschismus vor.
Flasch mag sich mit einem Ortspfarrer über Bibelexegese streiten, ein Todesurteil in Form einer Fatwa droht ihm nicht. Er hält das Christentum für nicht vernünftig - und scheitert erneut methodisch. Glaube will nicht vernünftig sein, sonst wäre es kein Glaube, der anfängt, wo die Vernunft nicht hinreicht. Und so übersieht er auch, dass der religiöse Wahrheitsbegriff mit dem philosophischen nicht identisch ist.
Wer neue Argumente erwartet, wird enttäuscht sein, wer den Autor gern beim Nachdenken und Meditieren begleiten will, vielleicht weniger.

"Warum ich kein Christ bin", Kurt Flasch berichtet und argumentiert
C.H. Beck Verlag, München 2013
280 Seiten, 19,95 Euro, auch als ebook

Hans-Martin Barth möchte Kurt Flasch verstehen, der Theologe den Philosophen. Und er geht dabei gründlich und wissenschaftlich exakt vor. Er möchte verstehen, warum der Glaube an Gott und das Christsein ihm so sehr am Herzen liegen, während die Religion andere Menschen kalt lässt. Ja, er empfindet Areligiosität und Religionslosigkeit als Herausforderung.
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Cover: Hans-Martin Barth: "Konfessionslos glücklich"© Gütersloher Verlagshaus
Im Grunde versucht er das Unmögliche: die Kirche einerseits den Gläubigen zu erhalten und sie andererseits für die Noch-Nicht-Gläubigen zu überwinden. Das Evangelium soll zu den Menschen getragen werden, ohne dass Konfession und Religion behindern oder verschrecken. Gut reformatorisch bekennt er sich zur Freiheit des Christenmenschen, verkennt aber, dass Martin Luther auf diese Weise die Kirche nicht nur erneuerte, sondern auch spaltete.
Wen sollte eine solch reformierte Kirche "konfessionslos glücklich" machen? Lässt ein konfessionsloses Christentum nicht die Gläubigen auf der Strecke, ohne den Nicht-Gläubigen mehr zu bieten, als "substanzlos glücklich" zu sein? Aber egal, ob man mit ihm übereinstimmt, er hat ein wichtiges Buch geschrieben, das es verdient, ernsthaft diskutiert zu werden.

"Konfessionslos glücklich", Hans-Martin Barth auf dem Weg zu einem religionstranszendenten Christsein
Gütersloher Verlagshaus, 2013
272 Seiten, 19,99 Euro, auch als ebook

Walter Kahn erlebte als kleiner Junge, wie die Juden der Nachbarschaft von den Nationalsozialisten abtransportiert wurden. Er selbst galt als Vierteljude, doch seine nichtjüdische Mutter schützte ihn. Das hat ihn tief geprägt. Er bewahrte sich seine Menschenliebe, wehrte sich zeitlebens gegen gesellschaftliche Normen – konvertierte zum Christentum und gab sich den Namen Raphaël.
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Cover: Paul Badde: "Raphaël"© Herbig-Verlag
55 Jahre nach dessen Tod erzählt der Journalist Paul Badde diese ungewöhnliche Lebensgeschichte. Selbst Katholik interessiert ihn die Suche eines jungen Mannes nach dem Glauben, folgt dessen Spuren, die erklären, warum er sich mit einem Erzengel identifizierte – und sieht in dem wurzellosen Menschen, in der verkrachten Existenz zuletzt wirklich einen Engel, weil man, so Martin Buber, den erst erkenne, wenn er vorübergegangen sei.
Und so beschreibt er zugleich, was dieser Walter Kahn während der Recherche in ihm auslöste. Allerdings hätten etwas weniger Pathos und größere sprachliche Präzision dem Portrait gutgetan.

"Raphaël. Die Wiederkehr eines Erzengels", geschrieben von Paul Badde
Herbig-Verlag, München 2013
224 Seiten, 14,99 Euro, auch als ebook