Drew Daywalt/ Oliver Jeffers: "Der Krieg der Farben"

Duncan macht die Farben glücklich

Buntstifte
Rot hat bei Duncan viel zu tun, Weiß überhaupt nicht... © picture-alliance / dpa / Horazny Josef
Besprochen von Sylvia Schwab · 28.07.2016
Eines Tages sucht der Schüler Duncan vergeblich seine bunten Stifte. Doch dann stellt er fest, dass sie ihm Briefe geschrieben haben. Ganz viele: Jede Farbe teilt ihm mit, warum sie sich von ihm ungerecht behandelt fühlt. Ein bezauberndes Kinderbuch mit ganz besonderen Illustrationen.
Wachsmalstifte in knalligen Farben purzeln über das Vorsatzblatt vorne und hinten, ein bunter fröhlicher Start und ein ebensolcher Schluss für eine kreative Geschichte, die so beginnt: "Eines Tages in der Schule sucht Duncan vergebens seine Farbstifte. Statt ihrer findet er einen Stapel Briefe mit seinem Namen drauf." Auf der gegenüberliegenden Seite zum Text sieht man ihn dann – abfotografiert – diesen kleinen Stapel Briefen in verschiedenen Formaten, zusammengebunden mit einem rot-weißen Bindfaden. Absender: Unbekannt! Zunächst zumindest.
Denn auf den kommenden zwölf Doppelseiten wird schnell klar - die Stifte aus seiner Farbstifte-Box selbst haben ihm geschrieben. Zwölf Stück an der Zahl. In manchmal krakeliger Kinderschrift verfasst, in der Farbe des Absenders. Auf liniertem, weißem oder schwarzen Papier. Die jeweiligen Blätter sehen aus wie aus Heften herausgerissen: mit Stockflecken, Eselsohren, Fettflecken, Rissen. Briefe von Kinderhand, manches ist durchgestrichen, anderes unterstrichen. Alle sehen aus wie echt! Oliver Jeffers hat sie so liebevoll gemalt, dass man sie einfach lesen muss.

Nur Grün ist glücklich!

Fast alle Buntstifte wollen sich bei Duncan beschweren: Rot, weil er zu viel, Pink, weil er gar nicht arbeiten muss. Lila, weil Duncan so unsauber ausmalt. Die Farbe Beige fühlt sich ungerecht behandelt. Grau ist überarbeitet. Weiß fühlt sich unnütz. Und Schwarz meckert, weil es nur Umrandungen malen darf. Gelb und Orange sind miteinander verzankt und Blau fordert für sich eine Pause. Nur Grün ist glücklich!
Neben dem Brief haben alle Stifte in ihrer eigenen Farbe Duncan noch dazu ein Bild gemalt. Bilder die aussehen wie die von Erstklässlern: schwungvoll, frech, fröhlich. Wirklich streiken will keiner, eher umgekehrt: Jeder will seine Wichtigkeit unter Beweis stellen. Sie agieren wie Schulkinder, die sich von ihrer Lehrerin nicht gerecht behandelt fühlen und ihre Wünsche und Ideen deshalb in Briefen aufschreiben und malen.

Eine einfache Geschichte, die zum Nachdenken anregt

Der amerikanische Filmemacher Drew Daywalt und der bekannte Illustrator Oliver Jeffers erzählen eine ganz einfache und zugleich zum Nachdenken anregende Geschichte. Es geht um Gerechtigkeit und um Wettbewerb, um Streit und Freundlichkeit – und um Kunst. Denn wer legt eigentlich fest, was in welcher Farbe gemalt wird? Große Künstler wie Franz Marc habe genau das durchbrochen. Insofern ist dieses Buch fast schon eine Art Hommage an ihn.
Dazu passt auch das Ende: Duncan will natürlich, dass seine Stifte glücklich sind. Da hat er die rettende Idee – die sich jeder Erwachsene schon denken kann: Er bricht aus den Farbenklischees aus. Pferde malt er nicht mehr braun, sondern rosa. Krokodile blau statt grün und Elefanten nicht mehr grau sondern rot. Und der Himmel ist gelb. Am Schluss hat er so nicht nur alle Stifte gerecht behandelt, sondern auch ein tolles Bild gemalt! Was kann man mehr wollen – als Maler und als Buntstift?!

Drew Daywalt/Oliver Jeffers: Der Krieg der Farben
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Anna Schaub
Nord/Süd Verlag, Zürich 2016
40 Seiten, 15,99 Euro

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