Die Online-Eliteuni Minerva College

"Vorlesungen sind schrecklich"

Studium online: Eine junge Frau arbeitet mit ihrem Lehrbuch am Laptop.
Studium online: Eine Universität an der amerikanischen Westküste bietet ihre Kurse im Internet an. © dpa / picture alliance / Jens Kalaene
Von Wolfgang Stuflesser · 27.08.2015
Benannt nach der griechischen Göttin der Weisheit und strukturiert wie ein Start-up: Das Minerva-College in San Francisco will die US-Universitätslandschaft aufmischen. Das Besondere: Es gibt keinen Campus, alle Kurse werden online unterrichtet.
Die Seminare beim Minerva College sind ein bisschen anders als sonst. Studentin Alisha Fredriksson kann sie von überall auf der Welt besuchen − Hauptsache, sie hat ihren Laptop dabei:
"So I open up my laptop ... and I sign on."
Sie klappt ihn auf, wählt sich auf die Minerva-Webseite ein, und los geht's:
"In this session today ..."
Das Ganze sieht aus wie ein großer Video-Chat. Professor Dan Levitin, sein Bild ist etwas größer, begrüßt seine Studenten, den Gründungsjahrgang der Uni, und führt sie ins Thema ein − sie sollen lernen, wie man eine These formuliert und begründet. Oben am Rand des Bildschirms sind 16 kleine Köpfe zu sehen: Die Live-Videos der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Wegschnarchen geht nicht: Ruck-Zuck wechselt der Professor die Methode und teilt die Studis in kleinere Lerngruppen ein, einfach, indem er sie zusammenklickt.
Vorlesungen gibt es bei Minerva nicht. Das hat Gründer Ben Nelson entschieden:
"Vorlesungen sind eine schreckliche Art zu lernen. Wenn man nur zuhört, internalisiert man die Informationen nicht, man muss sich aktiv damit beschäftigen. Unis halten aber an Vorlesungen fest, weil sie billig sind: Ein Professor vor 500 Studenten, das ist sehr effizient fürs Lehren − aber schrecklich fürs Lernen."
Nelson hat als Manager bei einer Online-Firma viel Geld verdient und dann beschlossen, eine Uni zu gründen. Er hat sich die amerikanischen Hochschulen genau angeschaut und kam zum Schluss, dass das Minerva College keinen Campus braucht:
"So machen das traditionelle Universitäten. Sie sagen: Lasst uns einen Campus bauen. Dazu gibt es Mensen, Sportstudios, grüne Wiesen − und wissen Sie was? Jemand muss dafür zahlen."
Und weil Minerva auf teure Unibauten verzichtet, bleibt mehr Geld, um zum Beispiel kleinere Lerngruppen zu ermöglichen:
"100 Prozent unserer Seminare haben weniger als 20 Studenten pro Kurs. So lernen sich die Studenten gegenseitig kennen, sehen genau die Reaktionen ihrer Kommilitonen und ihres Professors. Und der Professor kennt schon am ersten Tag den Namen jedes Studenten − das gibt es an einer traditionellen Uni nicht."
Alle Studenten wohnen zusammen
Die Studierenden zahlen 10.000 Dollar Gebühren pro Jahr und noch mal so viel fürs Wohnen. Denn die Uni legt Wert darauf, dass die Studis zusammen leben. Studentin Alisha Fredriksson:
"Unsere Seminare sind online, aber wir sind keine Online-Uni. Wir leben alle zusammen in einem Wohnheim hier in San Francisco, alle 28 auf demselben Stockwerk. Wir verbringen viel Zeit miteinander und unterstützen uns gegenseitig beim Lernen."
28 Studierende sind im ersten Jahrgang, beim nächsten sollen es schon mehr als 200 sein. Ben Nelson sagt, er lege großen Wert auf die Auswahl der Studentinnen und Studenten. Wie Alisha Fredriksson: 19 Jahre alt, aufgewachsen in Kanada, mit schwedischen und chinesischen Wurzeln. Die High School hat sie in Indien abgeschlossen und wurde dort von einem Mitarbeiter des Minerva College angeworben. Das Konzept hat sie gereizt:
"An einer Uni wie Princeton oder Stanford hat man als Student keine Stimme und bleibt anonym. Hier helfen wir als Gründungsjahrgang mit, die Strukturen aufzubauen. Es geht im Studium um viel mehr als nur die Seminare."
Wenn alles klappt, hat Alisha 2019 nicht nur ihren Abschluss − einen BA in Betriebswirtschaft − sondern auch eine Menge Erfahrung mit einem ganz anderen Typ Universität.
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