Die letzten Tage

Der trügerische Frieden im Sommer 1914

Frauen, Männer und Kinder 1913 im Familienbad in Ahlbeck beim Baden
Frauen, Männer und Kinder 1913 im Familienbad in Ahlbeck beim Baden © picture alliance / dpa /
Von Bastian Brandau · 25.06.2014
Sommerfeste, Regionalparlamentsbeschlüsse und Familienstreit - die Deutschen hatten im Sommer kleine Sorgen um ihren großen und kleinen Wohlstand. In ihrem Alltag spielte Krieg keine Rolle.
Alltag im Sommer 1914. Kurzmeldungen in der Rhön-Zeitung.
"Mühlhausen in Thüringen, 6 Juni. Der zur Zeit in Magdeburg tagende Städtetag für die Provinz Sachsen und das Herzogtum Anhalt hat heute beschlossen, den nächsten Städtetag im Jahre 1915 in Mühlhausen abzuhalten."
Berlin, 21. Juni. Tagebuchnotizen der Textildesignerin Annemarie Pallat:
"Sehr heiß. Ludwig kam um halb 12 zurück aus Leipzig. Onkel Robert war da und nachmittags kamen Kraffts aus Wetzlar. Edmund musste sprengen, Peter lag stellenweise zu Bett weil sein Heuschnupfen besonders schlimm war. Die ersten Erdbeeren für Ludwg gepflückt."
Alltag im Sommer 1914. Ein Sommer wie viele andere, mit den Banalitäten und den Dramen des privaten Lebens. Das Neuköllner Tageblatt berichtet:
"Moderne Jugend. Zwei Passanten sahen gestern morgen gegen 9 Uhr, wie am Lohmühlenplatz ein junges Mädchen in selbstmörderischer Absicht in den Schiffahrtskanal sprang. Beide Herren machten sich sofort an das Rettungswerk und es gelang ihnen auch, die Lebensmüde, wenn auch bereits bewußtlos, dem nassen Element zu entreißen. Nun wurde das Mädchen als die 16jährige Arbeiterin Agnes Schumacher festgestellt, welche Jägerstraße 50 bei den Eltern wohnt; sie wurde nach der elterlichen Wohnung gebracht. Wie wir hören, hatte das Mädchen sich der Mutter gegenüber ungehörig benommen, hatte deshalb von dieser eine wohlverdiente Ermahnung erhalten und zur Strafe für ihr Betragen kein Fahrgeld bekommen, so daß sie gestern morgen zu Fuß nach ihrer Arbeitsstelle gehen sollte. Aus Aerger hierüber hatte die Sechzehnjährige dann den Selbstmordversuch unternommen."
"20. Juni 1914: Wunderschön in der Laube gesessen und an meiner Decke gearbeitet. Nachmittags lange geschlafen und Abends mit Edmund und Frau Tolles nach Schlachtensee zu dem Gartenfest bei Niemans, wo die .. Kinder tanzten. Fabelhaft üppig, leider etwas kühl, aber doch sehr schön."
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