Die Finanzkrise und die strudelnde Automobilwirtschaft

Von Roland Tichy, Chefredakteur der "Wirtschaftswoche" · 01.11.2008
Alle Bänder stehen still, wenn die Finanzkrise es will. Opel, BMW und Mercedes legen Fabriken still, fahren Feiertagsschichten, verlängern die Weihnachtsferien nach vorne und nach hinten, feuern Zeitarbeiter.
Das sind die Schlagzeilen. Weniger spektakulär, aber wirtschaftlich mindestens ebenso dramatisch: Auch bei den Zuliefer-Unternehmen der großen Marken wird nicht produziert, wenn bei den großen Marken keine Autos mehr vom Band rollen.

Bislang war ja die Finanzkrise etwas Unfassbares für die meisten Bürger. Das waren Fremdwörter wie Subprime und Interbankenmarkt, das waren Entlassungen von Bankern in New York, ein Sachverhalt den man bei Lehmann Brothers mit einer gewissen Schadenfreude gesehen hat.
Finanzkrise, das war die Krise der Banken und die Rettungsaktion der Regierungen.

Jetzt sind es nicht mehr die anderen, sondern auch unsere Arbeitsplätze. Jetzt kriecht die Depression in die Kleider wie die Kalte, lähmt und macht Angst. Wer um seinen Job fürchtet, um das Sparbuch und die Altersversorgung schiebt den kauf eines Neuwagens schnell auf die lange Bank.
Der Alte tut’s auch noch.

Hinter der spektakulären Kaufverweigerung steht allerdings schon eine sich länger aufbauende Schwächephase der deutschen Hersteller. Sie sind in das CO2-Gewitter gefahren, und das bei offenem Dach. Zwar sind deutsche Autos vergleichsweise sauber – aber eben nur vergleichsweise, wenn man ihr Gewicht und ihre Kraft in Rechnung stellt. Von der absoluten Größe her sind sie – Stinker.

Die Umweltdebatte hat aber die Konsumenten bewusster gemacht.
Weniger Auto tut’s auch, ist billiger und sauberer. Auf diese Problemstellung, die sich so auch in den anderen Märkten der industrialisierten Welt stellt, haben die deutschen Luxushersteller bislang keine richtige Antwort gefunden.

Sie haben auf den Dieselmotor gesetzt, der tatsächlich viel zur Lösung der Umweltprobleme beitragen könnte. Aber im Riesenmarkt USA, der Vorreiter und Volumenmarkt gleichzeitig ist, hat der Diesel keine Chance, er steht für Lärm und Gestank, da helfen auch keine Werbekampagnen auf die Schnelle und Rallyes quer durch den Kontinent. Die Konsumenten sind nicht für den Diesel zu begeistern.

Jetzt rächt sich, dass die deutschen Hersteller zu lange den schrittweisen Übergang zum Elektroauto verlacht und verpasst haben. Der Hybrid, also der Benziner mit der Batterie und Elektromotor gilt als chic und grün. Diesen Trend haben die Deutschen verpasst. Aus dem Objekt der Begierde wird ein Auto, das zu groß ist und schmutzt.

Und jetzt springt also die Bundesregierung der Autoindustrie zur Seite. Was den Banken recht ist, soll für die Autobauer billig sein. Aber billig wird es nicht. Zukünftig, so der Plan, soll für schadstoffarme Autos die Kfz-Steuer entfallen.

So sollen Kunden in die Schauräume gelockt, zum Kauf animiert und der Umwelt geholfen werden. Klingt gut – aber wird wohl so nicht funktionieren.

Die Steuerersparnis beträgt, natürlich je nach Hubraum, weniger als 300 Euro. Für 300 Euro Ersparnis - das wird nicht reichen. 3000 Euro kann heute schon sparen, wer einigermaßen geschickt mit dem Verkäufer verhandelt. Das Maßnahmepaket der Bundesregierung – das sind nun wirklich Peanuts, und die kriegen auch die Käufer importierter Autos. Wir subventionieren also Arbeitsplätze in Japan, Korea, Italien und Frankreich. Keine gute Idee.

Was hier zu beobachten ist, wurde übrigens schon 1932 von Alexander Rüstow, einem der Vordenker des Neoliberalismus, gedacht und formuliert. Im "Deutschen Volkswirt", dem Vorgänger der heutigen Wirtschaftswoche, spricht er davon, dass der Staat zur Beute der Interessengruppen gemacht wird. Und der Appetit, so Rüstow damals, kommt beim Essen.

Erst die eine Gruppe dann die nächste. Erst eine Milliarde, dann zehn. Erst die Banken, jetzt die Autoindustrie. Nein, die Bundesregierung sollte über dieses Paket noch einmal sehr, sehr gründlich nachdenken.