Die Erben-Generation

Was passiert, wenn man plötzlich Millionär ist

560 Euro mit Geschenkschleife - Symboldbild: Bedingungsloses grundeinkommen
Wer erbt, bekommt Geld ohne eine Gegenleistung. Manche finden das nicht gerecht, bei anderen löst das Neid aus © imago/Christian Ohde
Von Carolin Pirich · 20.03.2017
Wer viel erbt, wird finanziell auf eine andere Ebene katapultiert: Man kann sich plötzlich all das leisten, wovon die meisten anderen Menschen nur träumen. Aber wie verändert ein großes Erbe das Leben? Der Student und Millionenerbe Florian Weise hat entschieden, offen damit um zugehen, reich durch Erbschaft zu sein. Carolin Pirich hat ihn getroffen.
Ein Mietshaus in Berlin-Wilmersdorf. Es liegt gegenüber eines Krankenhauses, die Stadtautobahn hört man nicht weit entfernt rauschen. Altbau, vierter Stock ohne Aufzug. Florian Weise lebt in einer Vierer-WG.
"Ich habe vier Jahre allein gewohnt, da wollte ich wieder mit Leuten wohnen. Ich hatte Lust auf andere. Dann hab ich mich für die WG entschieden."
In der WG-Küche füllt Weise Kaffee in zwei Kaffeebecher. Ein Blick in den Kühlschrank - doch, einen Schluck Milch gibt es noch.
Die Wohnung sieht aus, wie eine Studenten-WG eben aussieht: Ein ewiger Flur, von dem die Zimmer abgehen. Man schlängelt sich um einen Wäscheständer herum. Die Schuhe an der Garderobe liegen in einem sympathischen Durcheinander.
"Das ist auch nicht so einfach, das ist ziemlich chaotisch."
Nichts deutet darauf hin, dass hier ein Millionär lebt: 29 Jahre alt, aufmerksames Lächeln, dunkles Haar, auffallend helle Augen hinter der schicken Brille. Sein Klamottenstil ist wie der anderer Studenten auch: Kapuzenpulli mit Reißverschluss, bequeme Hose. Nur wenn man genauer hinschaut, fällt auf, dass dieser Student vielleicht etwas mehr für seine Sachen ausgegeben hat.

Er wird nie im Leben arbeiten müssen

Vor ein paar Monaten hat Weise seinen Mitbewohnern gestanden, dass er geerbt hat. Dass er sich keine Gedanken machen muss, ob er mit seinem Studium - er macht gerade den Bachelor in Politik und Deutsch - eines Tages einen Job bekommen wird. Dass er nie in seinem Leben arbeiten muss.
"Es wird ja in Deutschland ein sehr starker Geheimniskult um Reichtum gemacht. An der Schule war es schrecklich, man soll niemandem davon erzählen, Jan Philipp Reemtsma wurde auch entführt und so weiter. Irgendwann habe ich entschieden, mich zu outen."
Seine Mitbewohner hätten positiv reagiert, sagt er. Nach und nach hat er allen Freunden erzählt, dass er reich ist.
"Die Neidgeschichten, das verbalisiert keiner, das spürst du eher. Daran zerbrechen Beziehungen auf längere Sicht. Du merkst, dass die Leute deswegen nicht mehr mit dir Kontakt haben möchten. Du bemühst dich und bemühst dich und der andere will nichts mehr mit dir zu tun haben, weil er diese Ungerechtigkeit nicht erträgt und auch keine Lust hat, sich damit auseinander zu setzen."
Der Kontakt zu einem Freund ist sogar ganz abgebrochen.
Das Erbe? Vor allem Immobilien. Florian Weise wusste von seinem Anteil, seitdem er etwa zwölf Jahre alt war. Seitdem er 18 ist, hat er darauf Zugriff.

Fünf Stunden die Woche Vermögensverwaltung

Die Vermögensverwaltung macht etwa fünf Wochenstunden Arbeit, sagt Weise, aber viel Kopfzerbrechen - er macht sich Gedanken um Nachhaltigkeit und ökologische Verwendung seines Geldes. Oder darüber, was er tun soll, wenn zum Beispiel jemand einen Kredit nicht zurückzahlt.
"Da sagt man: Will ich das denn jetzt? Will ich mit Gewalt das Geld abholen? Dass jetzt dieser Mensch mit dem Unternehmen draufgeht, nur weil ich mein Geld wichtiger schätze? Da kann ich schon sagen, mein Geld ist nicht so viel wert ..."
Die soziale Gerechtigkeit. Das Thema beschäftigt Florian Weise.
"Dieses: Du bist das glückliche Kind mit dem goldenen Löffel, die anderen haben nur Bronze oder vergiftetes Metall. Da ist schon das Gefühl, du musst dir das verdienen. So eine doppelte Schuld, diese doppelte Last. Du hast ja zwei Biografien. Die eine, das Vermögen zu verwalten. Die andere: du arbeitest an der Uni."
Es gibt Erben, die das komplette Vermögen spenden. Florian Weise macht das zum Teil. Zum Beispiel für die "Bewegungsstiftung", die soziales Engagement für Frieden, Ökologie und Menschenrechte finanziert.
"Man könnte den Weg nehmen: Ich verschenke alles. Kommt für mich auch nicht infrage. Das Eigentum bleibt immer da. Nur: Wer handelt damit? Handeln dann die damit oder ich? Wenn ich es abgebe, gebe ich die Kontrolle darüber ab. Ich wüsste nicht, ob das besser wäre. Wenn man es selber tut, dann lernt man dazu und kann ein mündigerer Bürger werden. Ich versuche, ein ausgeglichenes Leben zu führen, nicht ein reicher Pöbel, der nur für sich lebt. Und anhäuft und akkumuliert."

Was man im Kopf hat ist wichtiger

Weise ist erzogen worden nach der Maxime, dass das, was man im Kopf hat, mehr wiegt als das, was auf dem Konto liegt. Aber welche Träume hat einer, der sich alles leisten kann, wofür andere ein ganzes Leben brauchen?
"Ich denke, das Hauptproblem ist, dass man denkt, man kann nichts mehr erreichen, weil man schon alles hat. Man ist ja schon Besitzer von allem, wonach alle streben. Aber das ist ein Irrtum."
Wenn er 50 Jahre alt ist, will Florian Weise zwei oder drei Sachbücher geschrieben haben und mehrere Sprachen sprechen. Er will Kinder haben und vielleicht ein Haus in Frankreich auf dem Land. Bei ihm ist nicht die Frage, ob er sich das erfüllen kann. Sondern eher, wann er sich dazu aufrafft.
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