Die Deutschen und Obama

Achterbahn der Gefühle

US-Präsident Barack Obama bei einem Bier-Stopp im bayerischen Krün.
Ein zünftiges Bier im bayerischen Krün, aber geht das - ohne Lederhose? © dpa / picture alliance / Daniel Karmann
Von Burkhard Birke · 16.11.2016
Der scheidende US-Präsident Barack Obama bereist derzeit Europa. Nach seinem Abschiedsbesuch in Griechenland wird er am Mittwochabend in Berlin erwartet. Nach der Wahl von Donald Trump gewinnt er hierzulande wieder an Strahlkraft.
"I have to admit that I forgot to bring my Lederhosen, but I am going to see if I can buy some while I am here."
Beim Weltwirtschaftsgipfel letztes Jahr in Elmau hatte Obama seine Lederhose vergessen und wollte ein Paar kaufen. Auch ohne Krachlederne ist der scheidende Präsident heute in Berlin ein gern gesehener Gast – wieder, ist man geneigt zu sagen. Dabei begann alles so hoffnungsvoll.

Obama und das Brandenburger Tor

200.000 begeisterte Zuschauer lauschten dem Präsidentschaftskandidaten Barack Obama in Berlin an der Siegessäule. Das Brandenburger Tor als Kulisse hatte die später von ihm mit der Freiheitsmedaille geehrte Kanzlerin der schwarzen Lichtgestalt fürs Weiße Haus verwehrt.
Kein optimaler Start für die Beziehung einer politisch überkorrekten Angela Merkel und den für viele zum Messias auserkorenen Hoffnungsträger Barack Obama.
Die Menschen der Welt schauten nach Berlin, wo eine Mauer fiel, erinnerte 2008 der Kandidat Obama. Heute blickt der scheidende Präsident gemeinsam mit der Kanzlerin eher sorgenvoll auf die Mauer, die Nachfolger Trump an der Grenze zu Mexiko errichten will.
Immerhin war es Obama im Sommer 2013 vergönnt, vor eben jenem Brandenburger Tor zu sprechen, wo ihm die Menschen einen warmen Empfang bereiteten. So warm, dass sich Obama seiner Jacke entledigte, weil er sich unter Freunden so wohlfühlte.

Von der Offenheit, andere abzuhören

Und das obwohl doch gerade die rege Spionagetätigkeit der NSA den transatlantischen Haussegen ein wenig schiefhängen ließ. Wie war das mit der Freiheit und den Werten, die durch die friedliche Revolution in der DDR erkämpft worden waren?
"Unsere Werte haben gewonnen, Offenheit hat gesiegt, Toleranz und Freiheit", sagte Obama damals. Doch sicher nicht die Offenheit, andere abzuhören – selbst die Kanzlerin auf dem Handy!?
Angela Merkel: "Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht, und zwar gegenüber niemandem, das gilt für jeden Bürger und jede Bürgerin Deutschlands. Dafür bin ich als Bundeskanzlerin auch verantwortlich, das durchzusetzen."
Aus erster Hand informiert, wusste Obama zumindest, was er an der Kanzlerin hat: Er schätzt sie wohl als integere, zuverlässige Partnerin, als die starke Frau Europas. Gerne überließ er ihr das Ukraineproblem, hofft wohl, dass sie in Europa ein mögliches Gegengewicht zu einem allzu isolationistischen Präsidenten Trump aufbaut, und hat ihr mittlerweile die Enthaltung Deutschlands im UN-Sicherheitsrat zum Lybieneinsatz seinerzeit nachgesehen.

Neue Strahlkraft trotz durchwachsener Bilanz

Neben Donald Trump, dem Meister des politisch Unkorrekten, gewinnt Obama wieder an Strahlkraft: Sein Glanz war etwas erloschen. Missachtete rote Linie in Syrien, freies Feld für Russlands Machtspielchen, Chaos in Nahost, aufstrebendes China: Trotz anfänglichen Abrüstungserfolges mit Russland sieht die außenpolitische Bilanz des Friedensnobelpreisträgers eher mager aus – was freilich nicht allein ihm anzulasten ist. Der frühere Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, der Christdemokrat Ruprecht Polenz, brachte es auf den Punkt:
"Als er das erste Mal antrat, hat er Erwartungen geweckt, aber noch mehr sind Erwartungen auf ihn projiziert worden, die kein Mensch erfüllen konnte. Die Welt ist kompliziert und auch der mächtigste Mann der Welt kann sie nicht so gestalten, allein wie er das möchte."
Deshalb sitzen noch immer 60 Häftlinge im Lager Guantanamo – auch weil kein Land diese aufnimmt. Immerhin hat Obama Kuba besucht und den Atomdeal mit dem Iran auf den Weg gebracht. Die USA hat er aus der Finanzkrise gesteuert, die Banken besser reguliert und mit Obamacare Millionen Amerikanern zu einer Krankenversicherung verholfen. Weitere Reformen etwa zur Einbürgerung der Illegalen scheiterten an einem republikanisch dominierten Kongress. Und den Rassismus im Land kann ein Schwarzer im Weißen Haus auch nicht allein besiegen.
Wenn Obamas Popularität zuletzt wieder auf über 50 Prozent gestiegen ist, so mag das an seinem Nachfolger liegen, vor allem aber daran, dass der brillante Rhetoriker und seine Familie absolut skandalfrei gelebt haben. Der erste Schwarze im Weißen Haus hat eine lupenrein weiße Weste. Willkommen Barack Obama in Berlin oder wie sagten Sie neulich in Elmau: "Grüß Gott!"
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