Die Anfänge des automatisierten Suchens

13.07.2009
Der Züricher Technikhistoriker David Gugerli geht in "Suchmaschinen. Die Welt als Datenbank" den Anfängen und Voraussetzungen heutiger Suchmaschinen nach. Er erklärt ihre Wirkungsweise anhand von vier Beispielen und erläutert den gesellschaftlichen Hintergrund.
Hier unüberschaubare Datenmengen, dort ein verzweifelter Nutzer, der sich im Datendschungel hoffnungslos zu verheddern droht. Dank einer Suchmaschine herrscht plötzlich Übersicht: Google oder andere Programme liefern uns eine Trefferliste und fischen scheinbar mühelos die gewünschten Informationen aus dem World Wide Web. In Zeiten, in denen eine übermächtige Datenkrake unser Leben immer mehr ordnet und damit auch steuert, wirft David Gugerli in seinem Buch "Suchmaschinen" einen Blick zurück auf die Anfänge und Grundlagen des automatisierten Suchens.

Eine Suchmaschine kann nur Informationen oder Gegenstände finden, die sich klar anhand verschiedener Merkmale identifizieren lassen. Das Gesuchte muss zudem beschriftet sein, eine klare Adresse haben: Was die Suchmaschine nicht kennt, kann sie auch nicht finden. Schließlich folgen Suchmaschinen bestimmten automatisierten Prozeduren. Zwar scheint das Ergebnis der Suche immer offen zu sein, aber die Suche selbst folgt klaren Mustern.

David Gugerli erklärt die Wirkungsweise von Suchmaschinen ebenso unterhaltsam wie informativ anhand von vier Beispielen. Die haben zum Teil nichts mit Computern zu tun. Da geht es zunächst um das Fernsehratespiel "Was bin ich?", das Beruferaten von Robert Lembke. Auch "Was bin ich?" war eine Suchmaschine, die bestimmte Tätigkeiten aus der Menge aller Berufe heraussuchen und dem Kandidaten im Studio zuordnen musste. Weiter geht es mit der Fernsehfahndung "Aktenzeichen XY", in der nur Fälle behandelt werden, die klar definierte Fragen aufwerfen, die die Zuschauer lösen könnten. Eduard Zimmermann sprach, wie Gugerli ausführt, ausdrücklich vom "lebenden Computer Zuschauergemeinde". Die Sendung nutze gezielt Methoden der Datenverarbeitung, um via Bildschirm die Informationen in Millionen Hirnen gleichzeitig abzufragen.

Im dritten Beispiel geht es um die computergestützte Rasterfahndung, die das Bundeskriminalamt in den 70er-Jahren eingeführt hat und bei der nach bestimmten Mustern in den Datenmengen geforscht wird. Im letzten Teil stellt Gugerli die Arbeit von Edgar F. Codd vor, einem Mathematiker, der vor gut 40 Jahren mit einer allgemeinen Maschinensprache und einer neuen Form, Daten in Tabellen zu organisieren, die Grundlagen moderner Suchmaschinen geschaffen hat.

David Gugerli (1961 geboren) ist Professor für Technikgeschichte an der ETH in Zürich. In seinem Essay stellt er nicht nur die Arbeitsweise unterschiedlicher Suchmaschinen vor. Er führt uns auch den Interessenkonflikt vor Augen, der zwischen denen besteht, die suchen wollen und denen, die gesucht werden. Eine Suchmaschine bewegt sich immer im Spannungsfeld zwischen Übersicht und Überwachung. Im Idealfall ist sie eine fundamentaldemokratische Einrichtung, die allen alle verfügbaren Informationen zugänglich macht. Im schlimmsten Fall ist sie ein Instrument vollkommener Überwachung.

Da Gugerli auch den gesellschaftlichen Hintergrund beleuchtet, vor dem die Suchmaschinen zum Einsatz kommen, ist sein Büchlein gerade in den ersten drei Teilen auch eine wunderbare bundesrepublikanische Sittengeschichte – und man erfährt nebenbei viel über die Gemütlage in den 60er- und 70er-Jahren. Wer allerdings mit diesem Buch verstehen will, wie genau Google unser Leben ordnet und steuert, der wird dann eher doch enttäuscht sein. Allerdings stehen am Ende Unmengen von Anmerkungen und Hinweisen auf weiterführende Literatur, um sich noch gründlicher mit diesem Thema zu befassen. Dabei hilft am besten – eine Suchmaschine.

Besprochen von Dirk Lorenzen

David Gugerli: Suchmaschinen. Die Welt als Datenbank
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009
118 Seiten, 10,00 Euro