Deutschlands Waffenexporte

Entscheidung hinter verschlossenen Türen

Einer Kundgebung gegen die deutschen Rüstungsexporte im Februar vor dem Berliner Reichstag.
Kundgebung gegen die deutschen Rüstungsexporte vor dem Berliner Reichstag © Daniel Naupold, dpa picture-alliance
Von David Lauer · 26.02.2017
Der weltweite Waffenhandel hat deutlich zugelegt und Deutschland ist als fünftgrößter Rüstungsexporteur vorn mit dabei. David Lauer plädiert für eine transparente politische Abwägung über Waffenexporte. Sonst könnten wirtschaftlichen Interessen über moralische Bedenken gestellt werden.
Waffen als solche betrachtet sind nicht böse. Böse sind allenfalls bestimmte Zwecke, zu denen sie als Mittel eingesetzt werden können. Darin unterscheiden sie sich nicht von Küchenmessern - oder, wie wir seit Nizza und Berlin wissen, von Lastkraftwagen. So lautet eines der Mantras von Waffenlobbyisten.
Verblüffend ist allerdings, dass dieser Gedanke häufig als Prämisse in Argumenten verwendet wird, die sich gegen Einschränkungen des Waffenhandels richten sollen. Tatsächlich müsste der Gedanke zur gegenteiligen Konklusion führen: Wenn es allein auf die Ziele der potenziellen Waffennutzer ankommt, dann sollte man sich deren anzunehmende Absichten so genau wie möglich anschauen, bevor man ihnen die Wumme in die Hand drückt – und im Zweifelsfall auf den Deal verzichten.
Dieselbe Überlegung trifft auch auf den internationalen Handel mit Rüstungsgütern zu. Dessen Volumen steigt seit der Jahrtausendwende kontinuierlich an. Und Deutschland, der fünftgrößte Rüstungsexporteur der Welt, ist vorneweg dabei. Dass dieser Handel schwerwiegende moralische Probleme mit sich bringt, liegt auf der Hand. Jeder Waffenexport ist eine Intervention in einen aktuellen oder potenziellen kriegerischen Konflikt. Eine solche Intervention ist nie moralisch neutral. Es muss also in jedem Einzelfall gefragt werden: Sind die Zwecke, zu denen der Käufer die gelieferten Waffen einzusetzen plant, moralisch gerechtfertigt? Wer könnte zum Opfer eines Missbrauchs der gelieferten Waffen werden? Ist der Käufer in der Lage, dauerhaft zu garantieren, dass sie nicht in falsche Hände geraten?

Entscheidung über Waffenexporte muss transparenter werden

Nun werden solche Fragen tatsächlich gestellt, denn jeder Rüstungsexport bedarf der Genehmigung durch die Bundesregierung. Allerdings fallen die entsprechenden Entscheidungen hinter verschlossenen Türen und fußen lediglich auf den "Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen", die rechtlich unverbindlich sind. Es existiert also weder eine wirksame parlamentarische Kontrolle, noch sind die Entscheidungen vor deutschen Gerichten anfechtbar. Und leider gibt es immer wieder Grund zu der Annahme, dass bei bestimmten Entscheidungen moralische Bedenken gegenüber nackten wirtschaftlichen Interessen oder realpolitischer Opportunität zurückstehen müssen.
Dass zahlreiche zivilgesellschaftliche Akteure, darunter die christlichen Kirchen, angesichts dieser Situation ein neues Rüstungsexportkontrollgesetz fordern, ist völlig berechtigt. Oder sollten wir lieber konsequent sein und Rüstungsexporte gleich ganz verbieten? Aber hinter einem solchen gesinnungsethischen Rigorismus verbirgt sich letztlich der Reflex, vor den Zumutungen einer moralisch verantwortbaren politischen Entscheidungsfindung in das Reich moralischer Unantastbarkeit zu fliehen. Die Kristallreinheit solcher Prinzipien hält der Komplexität der Wirklichkeit nicht stand. Dem Opfer einer Bedrohung die Mittel zur Verfügung zu stellen, um die es nachsucht, um sich selbst verteidigen oder Aggressoren abschrecken zu können, kann verantwortungsethisch gerechtfertigt, wenn nicht geboten sein.

Sich seiner Verantwortung stellen

Es ist unerträglich, wenn Menschen für den Profit von Rüstungskonzernen sterben, die sich ihrer moralischen Verantwortung nicht stellen. Es ist nicht weniger unerträglich, wenn Menschen sterben, damit wir unser reines pazifistisches Gewissen pflegen dürfen – und uns damit unserer moralischen Verantwortung ebenfalls nicht stellen.
Wer es für möglich hält, dass Waffengewalt manchmal der einzige und letzte Weg sein kann, der bleibt, um ein noch größeres Übel zu verhindern, der muss es für möglich halten, dass Waffenexporte unter strengen Auflagen in manchen Fällen legitim sind. Die Entscheidung darüber, in welchen Fällen das der Fall ist, und das Risiko, durch diese Entscheidungen schuldig zu werden, kann uns niemand abnehmen.
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