Deutsche Waffen für das verschuldete Griechenland

Von Bruno Schoch · 25.01.2012
Griechenland hält Europa in Atem. Es lebt am Rande des Staatsbankrotts und gefährdet den Euro. Ob die neue Koalition diesen für Millionen überaus schmerzhaften Spar- und Sanierungskurs durchstehen kann, wissen die Götter. Denn ein Ende der Krise ist nicht in Sicht.
Zu dieser Misere hat Deutschland das Seine beigetragen. Diese Behauptung mutet widersinnig an – und doch ist sie die Wahrheit. Gewiss hat niemand so sehr wie Berlin darauf gepocht, Athen auf den Weg haushaltspolitischer Tugend zu bringen, ja: zu zwingen. Aber das Image vom unerbittlichen Sparkommissar ist nur die halbe Wahrheit.

Die Kehrseite ist: Deutsche Unternehmen profitieren enorm davon, dass Griechenland am Rande des Ruins steht – gemeint sind deutsche Waffenschmieden. Darüber redet eine Regierung nicht gerne, die der Öffentlichkeit zusammen mit einer vom Boulevard angeheizten Kampagne lange weismachte, der arbeitsscheue "Olivengürtel" Europas hätte nichts anderes im Sinn, als den fleißigen Deutschen ihr Geld aus der Tasche zu ziehen.

Man erinnert sich an das böse Wort, die Griechen gingen zu früh in Rente – populistische Sprüche, mit der die Berliner Regierung versuchte, ihre lange Untätigkeit in Sachen Europa-Krise zu kaschieren! Sie lenkten auch ab von enormen Rüstungsexporten – und die muss in Deutschland bekanntlich die Regierung genehmigen.

Dem neuesten Rüstungsexportbericht der "Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung" – das ist eine im Auftrag des Evangelischen Entwicklungsdienstes und der katholischen "Justitia et Pax" arbeitende Expertenkommission – ist zu entnehmen, dass die Bundesregierung allein 2010 Waffenlieferungen nach Griechenland in Höhe von 35,8 Millionen Euro bewilligte.

Zwischen 2005 und 2009, so der Bericht ein Jahr davor, hatten weltweit nur China, Indien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Südkorea mehr Waffen importiert als Griechenland. Ihm wurden zwischen 1999 und 2009 aus Deutschland mehr als 700 Kampfpanzer und Panzerhaubitzen geliefert. Plus Schiffe, U-Boote und Flugzeuge made in Germany.

Gemessen an der Bevölkerung hat Griechenland von allen europäischen Ländern den höchsten Militärhaushalt: gut 7 Milliarden Euro, an die 3 Prozent seines Bruttosozialprodukts. Das ist mehr als das Doppelte des deutschen Anteils. Und jetzt weiß die Hamburger "Zeit" zu berichten, dass der Sozialhaushalt Griechenlands in diesem Jahr um weitere 9 Prozent schrumpfen, der Verteidigungshaushalt hingegen um 18 Prozent wachsen soll!

"Ist's Wahnsinn auch, so hat es doch Methode". Hintergrund ist das ruinöse Wettrüsten mit der Türkei, das in alten Rivalitäten und Ängsten gründet. In die Türkei wiederum exportierte Deutschland zwischen 2002 und 2009 Waffen für 13,7 Milliarden Euro. Und dieses Wettrüsten ist völlig obsolet. Nicht nur, weil Griechenland pleite ist.

Griechenland und die Türkei sind bekanntlich beide in der NATO. Zudem muss aus europäischer Sicht oberste Priorität im Mittelmeerraum sein, gemeinsam die Freiheitsbewegungen zwischen Tunesien und Syrien tatkräftig zu unterstützen und die gesamte Region zu stabilisieren. Diese Zusammenhänge sind es, die meines Erachtens in den Mittelpunkt der Diskussion über Verschuldung und Sanierung Griechenlands gehören.

Während populistische Sprüche von den Faulenzern an den Gestaden des Mittelmeers nichts als Demagogie für den nationalen Hausgebrauch sind, ist es wahr, dass zur griechischen Schuldenkrise deutsche Rüstungsexporteure nicht wenig beigetragen haben. Sie scheren sich weder um das Gemeinwohl Griechenlands, noch um das Europas.

Bruno Schoch, geb. 1947 in Zürich, studierte Geschichte und Philosophie in Basel und Frankfurt am Main. Er ist Mitarbeiter der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (seit 1978) und einer der Mitherausgeber des jährlich erscheinenden "Friedensgutachtens" (seit 1995). Seine Arbeitsschwerpunkte sind "Nationalismus und Demokratisierung", die Region "Balkan" sowie der "gewaltbereiten Islamismus".


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