Der vergessene Widerstandskämpfer

Von Otto Langels · 26.02.2012
Er kämpfte gegen den Nationalsozialismus und wurde anschließend über Jahrzehnte vergessen: Der Widerstandskämpfer Nikolaus von Halem verweigerte 1933, den Eid auf Hitler zu leisten, und plante ein Attentat auf den Diktator. Am 26. Februar 1942 wurde er von der Gestapo in Berlin verhaftet und 1944 ermordet.
"Nikolaus von Halem: Einer derjenigen, die gegen den Nationalsozialismus gekämpft haben, die lange Jahrzehnte vergessen gewesen sind","

erklärt Johannes Tuchel, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin. Nikolaus von Halem zählt zu den weitgehend unbekannten Gegnern des Nationalsozialismus, denn nur wenige Quellen geben Auskunft über sein Leben. Er wollte, wie Claus von Stauffenberg und Georg Elser, ein Attentat auf Adolf Hitler verüben, konnte seinen Plan aber nicht ausführen. Nikolaus Christoph von Halem wurde am 15. März 1905 als viertes Kind eines ostpreußischen Landrats geboren. Während des Ersten Weltkriegs zog die Familie nach Berlin.

""Nikolaus von Halem kommt in die evangelische Klosterschule Roßleben nach Thüringen, eine bemerkenswerte Schule, aus der insgesamt sechs Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 stammen, die ihr Engagement mit dem Tod büßen mussten."

Vermutlich wurde in der Klosterschule der Grundstein für seinen späteren Widerstand gegen den Nationalsozialismus gelegt. Zunächst aber wandte er sich nach dem Abitur antirepublikanischen Kreisen zu. In Heidelberg schloss er sich als Jurastudent einer schlagenden Verbindung an, aus der er wegen starker Trunkenheit ausgeschlossen wurde. Anschließend engagierte er sich in der illegalen Schwarzen Reichswehr, einer rechtsextremen paramilitärischen Truppe.

"Nach alledem, was wir über Halem wissen, ist er, wie viele andere in seiner Zeit, ein national begeisterter Mensch, die den Versailler Vertrag grundsätzlich als Unrecht gegenüber Deutschland angesehen haben."

Die Ausflüge in das rechte Milieu machten Nikolaus von Halem nicht blind für die Gefahren des Nationalsozialismus. Der Radikalismus und Terror der Nazis stieß den aus einem alten Adelsgeschlecht stammenden Juristen ab. Fabian von Schlabrendorff, ein entschiedener NS-Gegner, schrieb über seinen Freund:

"Ein Mann von ungewöhnlich großer Gestalt, mit blonden Haaren und blauen Augen. Eigentlich der Typ der von den Nazis über den grünen Klee gelobten nordischen Rasse. Von Hitler sprach er nur als dem Postboten des Chaos oder von der Unperson."

Johannes Tuchel: "Nach seinem Jurastudium ging er dann in den Referendardienst, den er aber nicht beendete, weil er keinen Eid auf Hitler leisten wollte."

Direkt nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten schlug er aus politischer Überzeugung die Karriere im Staatsdienst aus und ging in die Privatwirtschaft. Nach der von den Nazis als "Röhm-Putsch" verschleierten Mordaktion im Juni 1934 knüpfte er enge Kontakte zu Regimegegnern wie Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg, Henning von Tresckow und Herbert Mumm von Schwarzenstein. 1939 lernte Nikolaus von Halem den kommunistischen Widerstandskämpfer Beppo Römer kennen, einen ehemaligen Freikorpsführer. Johannes Tuchel:

"In den Jahren 1939 und '40 versuchen beide ein Attentat auf Hitler vorzubereiten, ganz konkret bis hin zur Frage, welcher Gewehrtyp, welche Granate möglicherweise genutzt werden könnte. Diese Planungen werden nicht zu Ende geführt, denn Römer wird verhaftet."

Unter der Folter gab Römer vermutlich die Namen der Mitverschwörer Halem und Schwarzenstein preis. Halem wurde am 26. Februar 1942 in Berlin verhaftet und während einer zweijährigen Odyssee durch verschiedene Gestapo-Gefängnisse und Konzentrationslager "in der tierischsten Weise" gefoltert, wie Freunde berichteten. Aber er verriet niemanden. Am 22. April 1944 erhob der Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof Anklage wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens:

"Schwarzenstein, ein Staatsfeind aus homosexuell bedingter Charakterschwäche, und Halem, ein Staatsfeind aus anglophiler Einstellung, haben Pläne durchzuführen versucht, die in Anschlägen auf den Führer zur Beraubung seiner verfassungsmäßigen Rechte und sogar seiner Ermordung gipfelten."

Am 16. Juni 1944 verurteilte der Volksgerichtshof beide zum Tode. In einem seiner letzten Briefe schrieb Nikolaus von Halem an seine Frau:

"Wenn ich von meiner jetzigen Lage aus auf mein Leben zurückblicke, reut mich zwar manches. Wenn ich mich aber frage, was ich bin oder wer ich bin, dann bedrückt oder bedrängt mich gar nichts mehr. Deshalb kann ich auch mein Schicksal in tiefer Ruhe auf mich nehmen."

Am 9. Oktober 1944 wurde Nikolaus von Halem im Zuchthaus Brandenburg hingerichtet. Johannes Tuchel von der Gedenkstätte Deutscher Widerstand:

"Man kann bei ihm lernen, dass es auch bei einer aufkommenden Diktatur möglich ist, konsequent sich der Diktatur zu verweigern und eben nicht mitzumachen. Man muss nicht mitmachen, sondern man kann auch den anderen Weg gehen. Und das ist ein Zeichen, das wir bei Nikolaus von Halem ganz klar erkennen können."
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