Der Vater des Opern-Nachwuchses

Von Brigitte Neumann · 01.01.2013
Das "Teatro Lirico Sperimentale" bietet seit 25 Jahren Stipendien für junge Sänger aus ganz Europa, die dann, am Ende ihrer Ausbildung, eine komplette Opernaufführung in der umbrischen Stadt Spoleto bestreiten. Claudio Lepore ist nicht nur Generaldirektor des Teatro Lirico in Spoleto, sondern auch ein Theaterfunktionär und Strippenzieher im Hintergrund.
Das Herz des Betriebs schlägt in einem ehemaligen Waisenhaus am Fuße der hügeligen umbrischen Stadt Spoleto. Genauer gesagt im Büro von Claudio Lepore. Und noch genauer gesagt: Das Herz des Betriebs ist Claudio Lepore.

Er sitzt an diesem Julimorgen krumm und leicht ermattet über sein Notebook gebeugt, hinter einer Bastion aus Papierstapeln.

"Ich bin der Generaldirektor dieses Hauses. Und gleichzeitig die Sekretärin des Generaldirektors und sein Chauffeur bin ich auch. Das heißt, ich hab hier die Verantwortung für alles."

Der 56-Jährige grinst, rückt ein paar Stapel zur Seite, damit das Mikrofon besser bis zu ihm durchkommt.

"Die Arbeit ist immer das Wichtigste. Ich bin hier quasi immer präsent."

Er deutet nach oben. Hinter ihm führt eine Treppe direkt ins Notbett. Das braucht er, wenn der Betrieb in die heiße Phase eintritt, im Sommer, wenn eine Opern-Aufführung nach der anderen läuft. Letztes Jahr zum Beispiel: X mal La Traviata, oder eine Auftragsarbeit Lepores: Die "Opera Migrante".

Dann ist das Team des Teatro Lirico Sperimentale, das im Winter aus sechs Mitarbeitern besteht, auf Maximalgröße angeschwollen.

"Das was Frau Merkel immer sagt: flexibel sein ... die neue Art zu wirtschaften ... wir kennen sie gut."

Claudio Lepore nimmt die Brille ab, sieht plötzlich zehn Jahre jünger aus und guckt verschmitzt:
"Mein Titel kommt erst richtig zum Tragen während der zwei Monate, in denen unsere Organisation auf 150 Personen anwächst: Chor, Sänger, Orchester und weitere Mitarbeiter."

Lepore, Vater von zwei erwachsenen Töchtern, die beide an italienischen Theatern arbeiten, liebt seinen Job hinter den Kulissen. Er liebt seine Rolle als Ermöglicher für junge Leute, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen. Und er hasst es, dass alle immer auf Nummer sicher gehen und die Netrebko wollen. Und dass er, der die Aufbauarbeit leistet, sich abrackern muss, damit der Nachwuchs aus Spoleto auch noch ein paar Brosamen Aufmerksamkeit abkriegt.

"Wir produzieren hier keine Events. Wir leisten Grundlagenarbeit, das ganze Jahr über."

Die Lehrer holt Lepore von Musikhochschulen und Opernhäusern. Sie unterrichten: Stimmbildung, Bühnenpräsenz, Rezitation, Tanz oder auch Solo-Gesang mit Klavierbegleitung.

"Das sind Sänger, die das Stipendium in diesem Jahr gewonnen haben."

Eine davon ist Chiara Osella:

"Bei uns lernt man nicht singen. Wenn einer es bis Spoleto schafft, dann hat er das schon drauf. Hier lernen die Sänger alles weitere, alles was sie brauchen, um auf der Bühne zu bestehen."

Eigentlich hätte Claudio Lepore Lehrer werden sollen, wenn es nach seiner Mutter gegangen wäre. Aber das wollte er auf keinen Fall, auch nicht Polizist werden wie sein Vater. Er wollte ans Theater, dort aber hinter die Kulissen. Und so hat er sich hochgearbeitet vom technischen Mitarbeiter zum Manager freier Gruppen, und schließlich - seit 2004 - zum Generaldirektor des Teatro lirico sperimentale in Spoleto. Dass er nun auch noch Präsident des Dachverbands der staatlichen Italienischen Bühnen ist, stärkt seine Position, wenn er um den Erhalt seines Hauses kämpfen muss.

"Der schlimmste Moment war im Jahr 2011, als der italienische Wirtschaftsminister Tremonti verkündete, dass man Kultur nicht essen kann und damit geplante Subventionskürzungen von 50 Prozent für Musik und Theater begründet hat. Dagegen gab es große Demonstrationen in Rom. Wir waren auch dabei."

"Wirkungsvoller war aber ganz offensichtlich der Protest des Dirigenten Ricardo Muti in der Mailänder Scala auf der Premiere von Nabucco. Der Präsident der Republik saß im Publikum. Und die Fernsehkameras schwenkten auf ihn, als Muti sagte, diese Kürzungen seien nicht in Ordnung."

Hätte Tremonti sich durchgesetzt gäbe es das Teatro Lirico Sperimentale in Spoleto nicht mehr. Dabei arbeitet Lepore daran, die italienische Oper, also einen wichtigen Teil der italienischen Kultur, in der ganzen Welt bekannt zu machen. Dauerhafte Kooperationen bestehen mit Konservatorien in China, Qatar und seit 2004 mit Japan.

"Der schönste Moment war für mich der Applaus am Ende unserer Vorstellung in Osaka. 3000 Personen im Publikum. Es war unser erster Auftritt in Japan. Das erste große Theater, das wir außerhalb Italiens bespielt hatten. Das war ein großartiges Gefühl und mein schönster Moment."

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