Der swingende Salonlöwe

Von Daniela Mayer · 22.08.2006
Wenn Tante Paula bei Salonmusik Tomaten isst, dann ist Klaus Thomsen in seinem Element. Der Lebemann aus Düsseldorf hört, sammelt und verkauft Schlager und Swingmusik aus den 20er und 30er Jahren. Zusammen mit den Mitgliedern seines Vereins "Kakadu" besitzt er inzwischen tausende von Schellackplatten, brennt die Musik auf CD und verkauft sie auf Märkten.
Ein gemütliches Café, abseits der Düsseldorfer Kö. Hier, zwischen Luxusboutiquen und Delikatessgeschäften ist die Welt noch in den friedlichen Duft der Schwarzwälder Kirschtorte gehüllt. Adrette Damen servieren in Schürzchen Kännchenweise Kaffee. Ehemalige Bundespräsidenten schütteln in goldenen Bilderrahmen Hände. Mitten drin sitzt Klaus Thomsen, der selbst ernannte:

"Gralhüter der verloren gegangen Töne."

Mit seinen kinnlangen, grau melierten Haaren, seiner lässigen weißen Hose mit passendem schwarzem Sakko dazu, wirkt er in der Kaffeekränzchengesellschaft irgendwie deplatziert. Zwar schätzt der 62-Jährige Lebemann inzwischen die Ruhe, doch etwas ganz bestimmtes, glaubt er, fehlt den Leuten hier: die passende Salonmusik

"Wenn die hier laufen würde, würden die schon anfangen nervös zu werden. Und mit den Beine leise unter dem Tisch zu zucken.

Ich kann nur sagen, da ist ein Rhythmus drin, der irgendwie glücklich macht. Oder fröhlich stimmt. Ich kann’s nicht erklären. Man muss es hören."

Das Leben genießen - ohne Swing und ohne Schlager, das ist für Klaus Thomsen undenkbar.

"Das fing damit an, meine Mutter war Sängerin und ist sogar im Krieg aufgetreten. Man nannte sie den Spatz von Schleswig. Sie spielte auch Klavier, sang, und so wurde ich als kleines Kind schon damit groß mit der Musik. Hab dann die Leidenschaft sehr früh entwickelt."

Seitdem haben ihn die Tanzorchester aus der ganzen Welt durch sein Leben begleitet. Von seinem Geburtsort Schleswig nach Düsseldorf zum Beispiel, wo er mit Anfang 20 sein erstes Grammophon erstand.

"Es stand auf einem Flohmarkt in der Altstadt, das war aus einem Wiener Kaffeehaus. Dabei waren 30 Schellackplatten, Und dann nahm ich die mit nach Hause und hab sie abgespielt. Und dann sagte ich, Mensch was haben die für witzige Texte.
Und dann ging die Sammelleidenschaft los. Dann ging ich auf alle möglichen Flohmärkte weltweit, von Paris London nach New York, von Havanna bis Russland. Ich hab nur Schellack zusammengetragen und das über Jahrzehnte."

Inzwischen hat Klaus Thomsen tausende von Platten, verteilt auf unzählige Lagerräume und Garagen in ganz Düsseldorf. Zu Hause bleibt so Platz für andere Schätze aus der Schellackzeit.

"Das fängt an mit dem Grammophon, dann geht das weiter mit den Möbeln, dann geht das weiter mit der Kleidung. Man geht immer mehr in die Zeit zurück. Und man lebt zwar in der Neuzeit, aber man lebt, wenn man zu Hause ist, in einer ganz anderen Zeit. Und fühlt sich auch tierisch wohl."

Und das obwohl, oder gerade weil Klaus Thomsen beruflich immer auf der Suche nach dem aktuellen Zeitgeist war. Jahrelang arbeitete er erfolgreich als Unternehmer in der Modebranche, erfand in den 70er Jahren den Nikipulli und führte später eine angesagte Boutique auf Sylt. Seine Leidenschaften für den alten Swing- und Schlagersound hat immer wenig Geld gebracht, aber die Musik hat für den Geschäftsmann ideellen Wert.

"Ja, für mich war es immer ein Glücksgefühl, eine Euphorie, für mich hat es eine unwahrscheinliche magische Kraft.

Die Musik ist so. Die hat was Positives und diese positive Art die geht in die Beine, steigt in Sekundeschnelle in die oberen Etagen, schlägt das Herz an und man fühlt sich wohl."

Deshalb erstellt Klaus Thomsen jetzt auch eine "musikalische Hausapotheke", eine CD mit guter Laune-Swing Musik. Es ist die Vierzigste CD, die er aus verschiedenen Liedern von originalen Schellackplatten zusammengestellt hat, englische oder lateinamerikanische Tanzmusik, aber auch spezielle Titel.

"’Dine an Dance’ zum Beispiel, 5 Uhr Tee, oder die Berliner Schlager Kokolores. Das sind dann so Nonsens-Schlager wie ‚Tante Paula liegt im Bett und isst Tomaten’ oder ‚Mein Hund beißt jede schöne Frau ins Bein’."

Entstanden sind die CDs zusammen mit den Mitgliedern des Vereins Kakadu, den Klaus Thomsen mit Musik- und Sammlerfreunden aus ganz Deutschland gegründet hat. Regelmäßig treffen sie sich in ihrem alten amerikanischen Schulbus am Düsseldorfer Hafen und hören Musik, in den seltensten Fällen aber auf dem Grammophon.

"Weil uns dieses Rauschen und Knacken gestört hat. Wenn wir mit dem Grammophon diese Sachen abgespielt haben, hat uns das als lästiges Beigeräusch gestört."

Auf CD klingt die Musik nicht nur besser, sie lässt sich so auch einfacher gerade jungen Hörern näher bringen.

"Darum geht’s. Auch jüngeren Generationen das zu vermitteln. Weil der Fachhandel tut’s nicht. Es ist ja nicht mehr vor handen. Das Rohmaterial ist weg."

Klaus Thomsen plant deshalb sogar ein eigenes Swing-Museum und regelmäßige Tanzabende im 20er Jahre Stil. Schon jetzt veranstaltet er regelmäßig sein eigenes Musikfest, in einem kleinen Pavillon auf Messen und Märkten in Düsseldorf, Köln und Paris. In stilvoller Kleidung und mit stilechtem Grammophon beschallt er dort das gesamte Umfeld über moderne Boxen mit der Musik seiner Schellackplatten und CDs. Das lockt nicht nur junge Kundschaft, sondern auch immer wieder Prominenz an.

"Wie neulich auf dem Markt, das war lustig. Da war der Max Raabe bei uns am Stand, der Robert Kreis und das ganze Palastorchester. Und da hat er bestimmt sechs oder sieben CDs gekauft, die er noch nicht kannte. Kann jetzt sein, dass wir den Herrn Raabe jetzt mir unserer Musik hören, aber ich find das okay. Ich freu mich darüber, wenn die Musik weiter lebt. Auch umarrangiert wird und neu gemacht wird."