Der Kölner Bankenskandal

Von Hartmut Goege · 16.02.2009
Dass Banker ihr Geldhaus mit einer Spielbank verwechseln, das gibt es nicht nur heute, sondern hat es schon früher gegeben. Der Konkurs der Herstatt-Bank 1974 war der größte Bankenskandal in Deutschland seit der Weltwirtschaftskrise. Vor 25 Jahren wurde deshalb der Kölner Bankier Iwan David Herstatt zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt.
Viereinhalb Jahre Gefängnis für einen besonders schweren Fall von Bankrott und Untreue. Die sechste Große Strafkammer des Kölner Landgerichts machte Iwan D. Herstatt am 16. Februar 1984 hauptverantwortlich für den Konkurs seiner Kölner Privatbank. Als sein Geldinstitut im Juni 1974 vom Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen geschlossen wurde, hatten Herstatts Devisenspekulanten 480 Millionen Mark verzockt. Doch noch bis 14 Tage vor der Schließung wollte der Bankier von allem nichts gewusst haben:

"Mir selbst als Leiter war bis zum 10. Juni von Verlusten nichts bekannt. Aber es ist also scheinbar doch so gewesen, dass die Devisenabteilung mehr Geschäfte gemacht hat, als sie der Geschäftsleitung gegenüber zugegeben hat."

Das aber nahmen ihm die Richter nicht ab, denn sie konnten ihm nachweisen, dass er schon für 1973 bewusst die Bilanz um 100 Millionen gefälscht hatte, um Verluste aus Devisenspekulationen zu kaschieren. Den Schwarzen Peter versuchte Herstatt an seinen Chefdevisenhändler Dany Dattel weiterzureichen. Dessen Fehlspekulationen, so Herstatt, hätten die Pleite maßgeblich verursacht. Doch Dattel wehrte sich:

"Er hat die Verantwortung zu tragen, das war seine Bank, das war seine Geschäftspolitik, und dazu hat er zu stehen."

"Geldanlegen darf kein Glücksspiel sein", ein Slogan, mit dem die 1955 gegründete Herstatt-Bank als zweitgrößte deutsche Privatbank auf Kundenfang ging. Man bot etwas mehr fürs Festgeld, nahm etwas weniger für Kredite und verstand sich ansonsten auf persönlichen Service. Das lockte mehr und mehr Kunden, ob einfache Bürger mit ihren Ersparnissen, Karnevalsvereine, den Kölner Stadtkämmerer, den Sparverein des Eroscenter oder das Kölner Erzbistum. Um alle kümmerte sich der große, zweieinhalb Zentner schwere Chef in seiner jovialen Art als Kölsches Urgestein.

"Na ja, wenn die Lawine mal läuft, dann läuft sie ja erfreulicherweise. Ich bin ja in 52 Vereinen gewesen, nicht, davon in zwölf Vereinen Schatzmeister. Und habe also nun auf allen Gebieten Beziehungen gesammelt und das natürlich immer mit der Akquisition eines Kontos verbunden."

Das Bankhaus lebte drei Jahre sehr gut von seinen Erträgen - weniger aus den mageren Zinsmargen, als vielmehr aus dem Glücksspiel des Devisenhandels, finanziert von den Einlagen der wachsenden Kundenschar. 1971 war das System der festen Wechselkurse gegen ein flexibles ersetzt worden und damit der spekulative internationale Devisenhandel geboren. Und Dany Dattel hatte ein besonders glückliches Händchen.

Er und seine sechs Mitarbeiter - Herstatt nannte sie seine Goldjungs - hatten enorme Gewinne mit einem fallenden Dollar eingefahren. Den Vorwurf des Glücksspiels aber wies Dattel zurück:

"Das ist eine sehr seriöse Arbeit. Das ist kein Spielcasino. Sie können nicht immer auf die Wohltaten dieses Systems zurückgreifen auf der einen Seite und auf der anderen Seite die Mechanismen dieses Systems ignorieren oder gar verteufeln."

Irgendwann aber saßen Dattel und seine Mitarbeiter auf einem Haufen Dollar fest, der ständig an Wert verlor. Die "Goldjungs" kauften zu teuer und mussten zu billig verkaufen. Eine Todsünde in der Branche. Die Lawine begann in die falsche Richtung zu laufen. Erst 1983 erfassten Experten der Bundesbank das Ausmaß: In den letzten 18 Monaten bis zum Schließungstag wurden über 67.000 Devisengeschäfte mit einem Volumen von 1,5 Billionen DM abgeschlossen, täglich also telefonisch über vier Milliarden Mark weltweit hin - und herverschoben. Am Ende stand ein Verlust von 1,2 Milliarden Mark. Herstatt ignorierte die Tatsachen einfach.

"Ich hatte mir einen Freispruch erhofft, aber das ist eben nicht so gelaufen."

"Sie werden in die Revision gehen?"

"Selbstverständlich!"

Sein Anwalt schaffte tatsächlich die Aufhebung des Urteils. Während für die Bankkunden die Pleite dank eines Sicherungsfonds glimpflich abgelaufen war - Kleinanleger hatten ihre vollen Einlagen zurückerhalten, große Gläubiger bis zu 75 Prozent - wurde der Prozess um die Schuldfrage 1987 neu aufgerollt. Und der zog sich.

Ein medizinisches Gutachten bestätigte Herstatt ein sogenanntes Pickwick-Syndrom. Ein Phänomen, bei dem der Patient ständig drohte einzuschlafen. So saß während der Verhandlungen immer ein Arzt in der Nähe, um Herstatt notfalls wieder aufzuwecken. Immerhin, am Ende hieß es nur noch zwei Jahre auf Bewährung. Herstatt allerdings war bis zu seinem Tod 1995 von seiner Unschuld überzeugt.