Der "bestgehasste" Mann in der arabischen Welt

Moderation: Birgit Kolkmann · 16.01.2008
US-Präsident George W. Bush ist nach Einschätzung des Nahost-Experten Günter Meyer in der arabischen Welt nicht willkommen. Bush werde für das Elend im Irak verantwortlich gemacht. Die Kommentare in den arabischen Medien seien bissig bis herablassend, sagte der Leiter des Zentrums für Forschung zur Arabischen Welt an der Universität Mainz.
Birgit Kolkmann: Zum Schluss geht es noch mal ans Meer, in den ägyptischen Badeort Scharm El-Scheich. Dort beendet US-Präsident Bush heute seine Nahost-Reise. Bei Israelis und Palästinensern verbreitete er Optimismus und die Erwartung, dass bis Ende des Jahres ein Friedensvertrag ausgehandelt wird. In den Vereinigten Arabischen Emiraten wetterte er gegen den Iran, und beim saudischen Königshaus wurde er mit Pomp empfangen, er sah Falkenjagd und mehr als 100 edle Araberrösser – ein Texaner im vorderen Orient und ein Präsident kurz vor dem Ende seiner Amtszeit. Professor Günter Meyer vom Zentrum für Forschung zur Arabischen Welt an der Uni Mainz und Vorsitzender der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Vorderer Orient, ein Kenner also der gesamten Region, ist jetzt in Deutschlandradio Kultur. Schönen guten Morgen.

Professor Günter Meyer: Einen wunderschönen guten Morgen, Frau Kolkmann.

Kolkmann: Professor Meyer, ist Georg W. Bush ein gern gesehener Gast in der Arabischen Welt?

Meyer: Keineswegs. Die Medien haben sehr deutlich gemacht, dass er hier nicht willkommen ist. Die Berichte sind überwiegend ablehnend, die Kommentare bissig bis herablassend. Wobei im Vergleich zu der Stimmung in der arabischen Bevölkerung das noch sehr dezent ausgedrückt ist, denn Bush wird verantwortlich gemacht für den Überfall auf ein arabisches Land, auf das Elend im Irak. Als wichtigster Unterstützer der Israelis wird er auch verantwortlich gemacht für die Besatzungspolitik im Bereich des Westjordanlandes. Das heißt, er ist nicht nur der mächtigste Mann, sondern als solcher wird er in der arabischen Welt auch als der bestgehasste angesehen.

Kolkmann: Also vor allen Dingen die Bevölkerungen hassen die USA, hassen den Präsidenten. Beispiel Saudi-Arabien, dort werden ja sehr viele El-Kaida-Kämpfer rekrutiert, wie geht die Regierung damit um, wenn sie gleichzeitig milliardenschwere Militärhilfe aus Washington kassiert?

Meyer: Für die Regierung ist El Kaida der größte innenpolitische und außenpolitische Feind. Insofern ist die Allianz der Herrschenden, gerade auch der Fahd-Familie, mit den USA durchaus verständlich. In El Kaida haben sie durchaus einen gemeinsamen Feind. Der Kampf gegen den Terror wird hier durchaus ernst genommen, denn El Kaida ist die wichtigste innenpolitische Bedrohung innerhalb von Saudi-Arabien.

Kolkmann: Saudi-Arabien ist ja keine Demokratie, andere Staaten würden vielleicht von westlichen Staaten geächtet, wenn sie sich so gebärden würden. Die Saudis aber werden hofiert. Alles nur wegen Öl?

Meyer: Alles nur wegen Öl. Saudi-Arabien verfügt über den größten Anteil weltweit im Bereich der Erdölressourcen. Das heißt, die strategische Bedeutung von Saudi-Arabien ist ungeheuerlich. Und um diese strategische Bedeutung im Interesse der US-amerikanischen Politik zu nutzen, wird Saudi-Arabien, wird die saudische Regierung entsprechend hofiert.

Kolkmann: Nun sieht das ganz so aus, als wären die USA, als wäre der Westen von Saudi-Arabien abhängig. Gibt es aber auch umgekehrt eine Abhängigkeit?

Meyer: Es gibt eine wechselseitige Abhängigkeit, denn das Wirtschaftswachstum des Westens, der Welt insgesamt ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass auch so hohe Ölpreise wie gegenwärtig gezahlt werden können. Hinzu kommt, dass aus Saudi-Arabien alleine etwa 700 Milliarden Dollar in den USA investiert worden sind. Das heißt, die saudische Regierung hat durchaus ein Interesse daran, dass es etwa durch extrem hohe Ölpreise keineswegs zu einer Rezession in den USA kommen wird. Und das steht jetzt bei den nächsten OPEC-Verhandlungen an, wo sich gerade auch Saudi-Arabien auf Druck von Bush jetzt darum bemühen wird, die Fördermengen zu steigern und so den Ölpreis zu senken.

Kolkmann: Nun ist Bush ein Präsident auf Abruf. Zum Schluss seiner Amtszeit bemüht er sich noch einmal um den Frieden in Nahost. Wie ernst wird er da genommen im Nahen Osten vor allen Dingen bei den arabischen Regierungen? Warten sie eher auf eine neue US-Regierung?

Meyer: Sie warten auf jeden Fall auf eine neue US-Regierung. Dieser Präsident steht auf Abruf und es sind sich alle darüber im Klaren, die berühmte lahme Ente kann in den letzten Monaten ihrer Regierungszeit herzlich wenig ausrichten. Dennoch ist sehr kritisch eben zu sehen die Situation mit dem Iran. Und hier ist die Politik von Bush durchaus gescheitert, denn seine Zielsetzung war hauptsächlich eine sunnitische Allianz gegenüber den schiitischen Iranern zusammenzubringen. Dieser Versuch ist weitgehend daneben gegangen, denn die arabischen Regierungen in der Golfregion sind sich sehr wohl im Klaren darüber, dass eine feindselige Haltung gegenüber dem Iran nur dazu führen wird, dass sie sich selber schaden. Was wir gerade in den letzten Wochen und Monaten erleben ist – im Unterschied zu Bush, der eine Abgrenzung, eine feindliche Haltung gegenüber dem Iran will – von arabischer Seite aus ein Herangehen an den Iran. Ahmadinedschad wurde eingeladen zum Treffen des Golfkooperationsrates nach Katar. Er wurde eingeladen, um an der Pilgerfahrt nach Mekka in Saudi-Arabien teilzunehmen. Auch erstmals wieder zeichnet sich eine Annäherung zwischen dem Iran und Ägypten ab, das heißt, überall in der arabischen Welt stehen die Zeichen auf Annäherung an den Iran, auf eine positive Haltung. Und in dieser Situation waren deshalb auch gerade die Reden, die Bush zwar in den Vereinigten Arabischen Emiraten gehalten hat, wo er den Iran als wichtigsten Verbreiter des Terrorismus angeprangert hat, die permanente Gefahr für den Weltfrieden hier im Iran gesehen hat, diese Reden sind einfach nicht ernst genommen worden. Und selbst der saudische Außenminister hat deutlich zu verstehen gegeben, wir wollen Harmonie mit dem Iran. Wir wollen keine Konfrontationspolitik, wie sie von Georg W. Bush propagiert wird.