Debatte um Fußballspieler Ched Evans

Aus dem Knast zurück in den Profisport?

Fußballspieler Ched Evans (r)
Bis 2009 spielte Ched Evans (r) bei Manchester City. Hier im Duell mit Dean Cox (l) von Brighton & Hove Albion. © AFP / Foto: Glyn Kirk
Von Peter Sawicki · 22.02.2015
Ched Evans spielte in der Premier League, vergewaltigte 2011 eine 19-Jährige und kam in Haft. Das Opfer musste mehrmals die Identität wechseln, Evans selbst entschuldigte sich erst nach seiner Entlassung im letzten Jahr. Er hofft jetzt auf eine zweite Chance.
In Großbritannien hat der Nationalsport Fußball schon viele emotionale Diskussionen entfacht. Die Debatte, die zurzeit um den Stürmer Ched Evans geführt wird, erregt die Gemüter auf der Insel jedoch besonders stark. Das Land streitet darüber, ob der Waliser als verurteilter Vergewaltiger wieder auf den Platz zurückkehren dürfe.
Eine Frage, auf die es bisher keine klare Antwort gibt, wie auch die Meinungen einiger Passanten in London zeigen:
"Man könnte meinen, nach dem Ende seiner Haftzeit müsste er wieder arbeiten dürfen. Fußball zu spielen ist aber kein üblicher Job, und auf dem Platz sollte er sein Team und sein Land nicht mehr repräsentieren." / "Natürlich sollte er wieder spielen dürfen! Er hat ein Verbrechen begangen und wurde dafür entsprechend bestraft, doch nun muss er auch mit seinem Leben fortfahren können." / "Nein, das ist doch kein Vorbild für die Jugend! Er sollte seinen Namen ändern und was anderes machen, aber nicht mehr im Rampenlicht stehen."
Einem Gericht in Nordwales zufolge wurde der 26-Jährige im Mai 2011 straffällig. In einem Hotelzimmer hatte Evans Sex mit einer 19-jährigen Kellnerin – einvernehmlich, wie er aussagte.
Fünfjährige Haftstrafe für Eans
Die Frau war aber stark alkoholisiert und hätte ihm keine bewusste Einwilligung zum Geschlechtsakt geben können, so das Gericht. Im April 2012 erhielt Evans eine fünfjährige Haftstrafe; vergangenen Oktober wurde er wegen guter Führung vorzeitig entlassen. Seitdem sucht er einen neuen Arbeitgeber und bittet in einer Videobotschaft um eine zweite Chance:
"Es ist ein besonderes Privileg, Profifußballer sein zu dürfen. Nach dem Ende meiner Haftstrafe hoffe ich sehr auf eine zweite Chance im Fußball, auch wenn ich weiß, dass damit nicht jeder einverstanden ist. Wenn mich aber ein Verein aufnehmen sollte, würde ich alles daran setzen, mich auf und auch neben dem Platz positiv einzubringen."
Evans beteuert, dass er unschuldig ins Gefängnis gehen musste und will sich juristisch rehabilitieren. Im englischen Fußball haben sich viele für seine Rückkehr stark gemacht – darunter Erstliga-Trainer Harry Redknapp.
Mehrere Clubs wie Evans‘ Ex-Verein Sheffield United wollten ihn wieder engagieren, lösten damit aber große Empörung aus. 170.000 Menschen protestierten per Online-Petition gegen ein Evans-Comeback, Sponsoren drohten mit Rückzug. Die Vereine zogen ihre Angebote zurück.
Der Fall werfe ein schlechtes Licht auf den gesamten Sport, betont Owen Gibson, Sportredakteur bei der Tageszeitung "The Guardian":
"Die Evans-Debatte zeigt deutlich, dass der englische Fußball noch immer in seiner eigenen Welt lebt. Seit den 80er-Jahren hat sich da kaum etwas verändert. Die Vereine hätten früher in einem solchen Fall versucht, sich einfach weg zu ducken – in der Hoffnung, dass sich die Aufregung bald legt und sie ihren Spieler in Ruhe wieder einstellen können. In der digitalen Ära geht das aber nicht mehr so einfach. Solche Fälle passieren nicht im luftleeren Raum. Darauf muss der Fußball endlich Antworten finden."
Prekäre Lage des Opfers
Kritiker machen auch auf die prekäre Lage des Opfers aufmerksam. Nach Evans‘ Verurteilung war in sozialen Netzwerken der Name der Kellnerin zu lesen, verbreitet von einigen seiner Fans. Fünfmal musste die Frau seitdem ihre Identität wechseln. Evans selbst entschuldigte sich ausdrücklich bei ihr erst Monate nach seiner Freilassung, was ihm viele übelnahmen.
Das seien wichtige Gründe für den Widerstand gegen Evans‘ Rückkehr in den Profifußball, meint Sportjournalist Gibson:
"Im Fußball drehte sich die Diskussion einzig um Evans und die Frage nach seiner Zukunft als Profispieler. Die Situation des Opfers stand dagegen komplett außen vor. Dabei wurde die Frau nicht nur Opfer eines schlimmen Verbrechens, sondern auch einer regelrechten Hetzjagd im Internet. Und genau das hat viele Menschen in England so verärgert."
Ched Evans ist nicht der einzige Sportler mit einer kriminellen Vergangenheit. In der Fußball-Bundesliga durchlebt Paderborn-Spieler Süleyman Koc zurzeit seine zweite Chance im Profisport. 2011 war er wegen Beteiligung an Raubüberfällen knapp ein Jahr im Gefängnis, bevor er als Freigänger wieder für seinen Ex-Klub SV Babelsberg spielen durfte. Seit einem Jahr ist er nun in Paderborn unter Vertrag, und ist glücklich über seine neue Chance:
"Ich bereue das immer noch und ich selbst habe meine zweite Chance bekommen und habe sie genutzt und wünsche es jedem anderen Inhaftierten oder Jugendlichen, der seine zweite Chance bekommt und sie nutzt."
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