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Die Stasi und die Computer

Ein Computer der Marke Robotron
Ein Computer der Marke Robotron steht am 15.01.2005 im Archiv der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes in Berlin. © picture alliance/dpa/Foto: Tim Brakemeier
Von Azadê Peşmen · 07.12.2016
Viele Daten fielen in der DDR besonders auch bei der Stasi an. Schon in den 1960er-Jahren war der Staatssicherheit klar, dass Computer viele Möglichkeiten zum Ausspionieren bieten. Die Technik dafür kam auch aus Westdeutschland.
"Es war zum Schluss, eine kaum noch überschaubare Palette von Anwendungen."
Stephan Konopatzky beschäftigt sich in der Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen mit Daten, die elektronisch auf Stasi-Computern erfasst wurden. Für die DDR-Führung war schon Ende der 60er-Jahre klar, dass Computer der Stasi neue Möglichkeiten bieten. Erich Mielke, Minister der Staatssicherheit, auf einer Delegiertenkonferenz der Hauptverwaltung Aufklärung, dem Auslandsnachrichtendienst der DDR:
"Die Sache ist nämlich so: wenn wir erst anfangen mit dem Computer und wenn dann einer dran sitzt, Genossen, der alles herausdrücken kann, dann muss das schon ein treu ergebener Mensch sein, der muss – wir wollen hier nicht überheblich sein – noch besser sein als Markus Wolf, Heidenreich und ich vielleicht auch und mancher andere und Genosse Fruck. Das muss er!"
Schon Ende der 1960er gab das Ministerium für Staatssicherheit 23 Millionen D-Mark für drei Großrechner aus, bestellt im Westen, bei Siemens:
"Wenn man sich anschaut, wie hat die Stasi sich diese Rechner beschafft…"

Rüdiger Bergien, Historiker am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam, forscht zum Computerausbau in west- und ostdeutschen Polizeibehörden und Nachrichtendiensten. Gekauft, sagt Bergien, wurden die Rechner offiziell nicht von der Stasi…
"…natürlich über eine Legende, man hat dann quasi einen wissenschaftliches Institut vorgeschoben, dass dann mit Siemens Verhandlungen geführt hat. Was dann ja auch wichtig war, war, dass Siemens Techniker, die Siemens Rechner in der DDR aufgestellt haben eine gewisse Zeitlang auch gewartet haben. Es lief dann auch die ganzen 70er-Jahre hindurch ein Kontakt zwischen Siemens und der Stasi."
Getarnt als "Zentralinstitut für Information und Dokumentation" baute die Stasi die Elektronische Datenverarbeitung aus.
"Begonnen hat man mit kleineren Sachen, eigentlich mit den Passierscheinabkommen damals, das war sogar die erste Erfassung von Passagierschein-Anträgen."

Vier große Rechenzentren in Ostberlin

Kurz vor dem Mauerfall gab es dann allein in Ostberlin mindestens vier große Rechenzentren. Der Stasi wurde relativ früh klar, dass die Anfragen und die Verwaltung der Daten digital ablaufen muss, betont Stephan Konopatzky von der Stasi-Unterlagen Behörde.
"Dann gab es kaum noch etwas, was nicht elektronisch zumindest teilweise bearbeitet wurde. Wenn man das Beispiel nimmt die große Personenkartei, mit gut fünfeinhalb Millionen Einträgen, die wurde schon ab der Hälfte der 70er-Jahre erfasst."

Auch die Reisedatenbank wurde elektronisch erfasst. Dabei hat die Stasi nicht nur die Technologie aus dem Westen gekauft. Die Staatssicherheit ließ auch eine eigene Software entwickeln, bei dem Kombinat Robotron:
"Es war so gigantisch, dass sogar zwei unabhängige Kanäle existierten, von unterschiedlichen Abteilungen, die eigene Entwicklungsunterstützungen bei Robotron hatten. Die Kader, wie man es in der DDR genannt hat, wurden schon vorher ausgewählt, nur die besten sollten diese Software-Sachen entwickeln."
Trotzdem konnte die Computerisierung in der DDR mit der Westdeutschen nicht immer Schritt halten. Rüdiger Bergien vom Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam:
"Man konnte dann von Grenzübergangsstellen auf den Zentralcomputer des BKA zugreifen, per Datenfernübertragung, man konnte die Landesrechner der Landeskriminalämter mit dem Zentralrechner vernetzen. Das war in der Stasi nur eingeschränkt möglich. Also konkret gesagt eine Kreisdienststelle oder eine Bezirksbehörde für Staatssicherheit in Magdeburg konnte erst 88/89 per Datenfernübertragung Abfragen im Zentralrechner in Ostberlin stellen."
Daten vielen bei der Spitzel-Behörde viele an. Genügend Speicherkapazität für all diese Daten, das war die größte digitale Sorge der Stasi. Davon hätte sie nicht genug bekommen können, ergänzt der Archivar Stephan Konopatzky. Das sei heute aber nicht anders:
"Die NSA kann ja auch nicht genug kriegen. Die bauen ein Rechenzentrum nach dem anderen, obwohl das Speicherkapazitätsmäßig unvorstellbar mehr ist, als die Stasi hätte jemals speichern können. Trotzdem ist es nie genug. So wäre es bei der Stasi natürlich auch gekommen."
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