Das Stifterpaar Carlo und Karin Giersch

Vom Glück der Geldgeber

Die Förderer der Frankfurter Goethe-Universität, Karin (l) und Carlo Giersch (r) sitzen am 18.10.2014 in der Paulskirche in Frankfurt am Main (Hessen) beim Festakt zum 100-jährigen Bestehen der Universität in der ersten Reihe.
Die Förderer der Frankfurter Goethe-Universität, Karin (l) und Carlo Giersch (r) © picture alliance / dpa / Frank Rumpenhorst
Von Ludger Fittkau · 14.04.2015
Das Frankfurter Ehepaar Giersch hat gleich zwei Stiftungen gegründet. Ihr Engagement ist beispielhaft für das Stiftungswesen in Deutschland. Und ihre Arbeit zeigt: Stiften heißt nicht einfach nur Geld einzahlen.
Carlo Giersch empfängt mich alleine zum Interview. Seine Frau Karin muss nämlich zu einem Pressetermin. Es geht um Teddybären. Genauer gesagt: Um 1500 sogenannte "Rettungsteddys". Die steril verpackten Kuscheltiere übergibt Karin Giersch an die Feuerwehren und Rettungsdienste der Städte Frankfurt am Main und Offenbach. Bei Unfällen sollen sie Kindern helfen, den ersten Schock zu verarbeiten. Während seine Frau die Teddys übergibt, erzählt der 78 Jahre alte ehemalige Unternehmer Carlo Giersch, wie es zu den vielfältigen Stifter-Aktivitäten des Ehepaares kam. Es begann damit, dass das Paar vor einigen Jahrzehnten von Ärzten erfuhr, es könne keine eigenen Kinder haben:
"Und ich wollte partout nicht - theoretisch hätten wir eine ganze Menge Erben gehabt, nämlich Neffen, die unser Vermögen bekommen. Warum? Sie haben überhaupt nichts dazu beigetragen zum Erfolg der Firma."
Mit Elektronik-Bauteilen machte Carlo Giersch bis vor zwei Jahrzehnten einen Milliarden-Umsatz. Doch 2000 zog er sich aus der Firma zurück und gründete mit Ehefrau Karin zwei Stiftungen. Die erste entstand in Darmstadt. Die dortige Technische Universität hatte die Gierschs gebeten, eine studentische Begegnungsstätte in den Alpen zu kaufen:
"Es ging nämlich um den Ankauf eines Chalets in den französischen Bergen in der Nähe von La Clusat. Wo man also den deutsch-amerikanischen – ganz speziell – oder überhaupt den Studentenaustausch pflegen konnte. Wenn Menschen überhaupt acht Tage Tag und Nacht an einem Ort zusammen sind, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Sie lieben sich anschließend, oder sie versuchen sich immer aus dem Weg zu gehen. Das war eigentlich der Beginn dieser Stiftungen."
Vorbild ist das Stifterwesen in den USA
Längst gibt es eine "Carlo & Karin Giersch Stiftung" an der TU Darmstadt, die mit rund 400.000 Euro pro Jahr Uni-Projekte fördert. Diese zusätzlichen Mittel dienen Vorhaben, für die man im regulären Etat des Landes Hessen kein Geld hätte. Das Stifterwesen in den USA sei hier ein gutes Vorbild, betont der Uni-Finanzdezernent Volker Schultz:
"Ich glaube, dass ist ein ganz wichtiger Teil, der in Deutschland gar nicht so verbreitet war wie in anderen Ländern. Beispielsweise in Amerika. Das ist aber ein wichtiger Bereich, weil wir damit Sachen finanzieren können, die wir aus den Landesmitteln gar nicht finanzieren könnten."
Etwa Preise für besonders gelungene Beispiele in der Lehre. Von Darmstadt aus weitete das Stifter-Ehepaar die Aktivitäten auf ihre Heimatstadt Frankfurt am Main aus. Auch dort profitierte zunächst die Wissenschaft von der eigens für die Mainmetropole gegründeten zweiten Stiftung, die mit rund 60 Millionen Euro ausgestattet ist. Carlo Giersch:
"Wir haben mitgegründet und haben es jetzt auch ausgebaut, das Giersch-Science-Center. Es gibt nur noch zwei Institute, die ähnlich sind, einmal Shanghai und einmal Princeton. Das heißt die Grundlagenforschung betreiben in den Bereichen Physik, Chemie, Biologie und Mathematik. Dort sind höchst-karätige Wissenschaftler tätig und können sich frei entfalten, ein halbes Jahr oder ein Jahr."
180 Wissenschaftler arbeiten inzwischen in diesem Forschungszentrum, für das die Gierschs die Anschubfinanzierung gewährleisteten. Doch in Frankfurt am Main fördert das Stifterehepaar längst nicht nur die Wissenschaft, sondern auch die Kunst. Das Ehepaar Giersch sammelt seit langem selbst Gemälde regionaler Künstler. Auch hier fällt das Auge des Stifterpaares besonders auf den Nachwuchs. Die Gierschs finanzierten den Bau der 2006 fertiggestellten Ausstellungshalle "Portikus" auf einer Maininsel mitten in der Stadt. Der "Portikus" ist mittlerweile ein Wahrzeichen von Frankfurt am Main und bietet Schülerinnen und Schülern der renommierten Städel-Kunstschule die Gelegenheit, sich vor einem großen Publikum zu präsentieren. Carlo Giersch:
"Weil ich glaube, dass die Städel-Schüler, die Studenten dort irgendeinen Ort brauchen, wo sie sich präsentieren können. Ein MMK oder ein Städel kann die Werke der Studenten nicht ausstellen. Aber wenn die ein eigenes Experimentierhaus haben und das dann noch an exponierter Stelle, glaube ich, ist das eine Alleinstellung, die ihnen auch gut tut."
Stiftungsmittel sollen auch andere Geldgeber motivieren
Nur wenige hundert Meter vom Portikus entfernt steht am Museumufer das "Museum Giersch". Hier ist die eigene Kunstsammlung des Stifterpaares untergebracht. Seit einigen Monaten wehen vor dem Museum Fahnen mit der Aufschrift: "Museum der Universität Frankfurt am Main". Die Gierschs haben die Sammlung nämlich der Uni übergeben:
"Plus die Infrastruktur der Räumlichkeiten. Wenn man das alles hochrechnet, sind das auf die 30 Jahre gesehen zwischen 22 und 25 Millionen."
Dennoch muss auch die Uni etwas beisteuern, um das Museum zu unterhalten. Carlo Giersch betont, dass es ihm immer wichtig sei, dass die Stiftungsmittel, die er einsetzt, auch andere motivieren, Ressourcen locker zu machen. Mit dem Stifter-Geist vieler Industriemanager ist er allerdings nicht zufrieden:
"Genauso wie unsere Erben-Generation, mit der ich einen gewissen Konflikt habe. Genauso wie ich mit vielen Reichen einen gewissen Konflikt habe. Denn es ist ganz komisch. Wenn die Manager dieser Nation, die viel Geld verdienen sollen – ich bin nicht mit meinem Unternehmen so groß geworden, weil ich billige Manager hatte, sondern weil ich hochbezahlte hatte - aber das die mal auf die Idee kommen, aus ihrer Tasche etwas zu geben, ist ganz selten."
Das Stifterehepaar Giersch gibt viel aus eigener Tasche – ohne aber auf die Annehmlichkeiten des Lebens verzichten zu müssen. Man lebt gleich neben dem eigenen Museum in einer zweiten Villa am Mainufer. Geld genug für schöne Reisen ist auch noch vorhanden. Doch das größte Glück bringt den Gierschs der Alltag als Mäzene in Darmstadt und Frankfurt am Main:
"Es ist, das gebe ich zu, ein Glücksgefühl. Denn wir haben immer noch genug zu essen und zu trinken. Es ist auch eine Mentalitätsfrage. Nicht, dass sie den Eindruck gewinnen, dass wir darben."
Die TU Darmstadt will nun, dass das Engagement des Ehepaars Giersch für die Wissenschaft Schule macht. Volker Schultz, der Uni-Finanzdezernent:
"Wir achten jetzt auch darauf im Bereich des Fundraising, dass bewusst solche Leute angesprochen werden. Und es soll jetzt auch eine Hochschulstiftung unabhängig davor gegründet werden, die kleineren Stiftern ermöglicht, Geld einzubringen. Und aus der dann auch Projekte finanziert werden können."
Vielleicht motiviert auch andere potentielle Stifter das Argument, dass Carlo Giersch am Ende des Gesprächs zum Leben eines Stifters noch ins Feld führt:
"Ich habe auch gelesen, dass wurde in einer Studie festgestellt, dass Stifter zwei Jahre länger leben als normale Menschen Auch das war für uns ein Anlass – Spaß muss sein!"
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