"Das ist vollkommen unwissenschaftlich"

Markus Beckedahl im Gespräch mit Elke Durak · 07.06.2012
Die Schufa will die Daten sozialer Netzwerke, wie zum Beispiel Facebook, heranziehen, um Erkenntnisse über die Kreditwürdigkeit der Nutzer zu gewinnen. Dies wäre nicht nur aus Sicht des Datenschutzes bedenklich, sondern auch unwissenschaftlich, sagt der Netzexperte Markus Beckedahl.
Elke Durak: Was sind schon Körperscanner an Flughäfen gegen die Menschenscanner Schufa? Vielleicht geht Ihnen diese Formulierung ein bisschen zu weit, aber die Schufa sammelt eben so viele Informationen, die Sie bekommen kann, über Menschen und fasst sie zu einer Bewertung zusammen, und das Urteil dann reicht aus, um beispielsweise eine Wohnung mieten zu können oder einen Kredit zu bekommen – oder eben auch nicht.

Die neue Idee der Schufa ist, das Internet zu durchsuchen, alle sozialen Netzwerke. Und da hat man sich an Wissenschaftler gewandt, das Hasso-Plattner-Institut, und ob der allgemeinen Aufregung des Vormittags hat sich das Institut wiederholt zu Wort gemeldet: Es sagte auch gegenüber unserem Sender ausdrücklich, dass es sich nicht um einen Projektplan gemeinsam mit der Schufa handele, sondern um eine Ideenliste und man habe auch von der Schufa keinen Auftrag erhalten, diese Ideenliste Punkt für Punkt abzuarbeiten. Man spricht bei dem Institut sogar von skandalöser Medienarbeit. Ausführlich haben wir dazu in unserer Nachmittagsortszeit nach den 17-Uhr-Nachrichten ein Interview mit einem Mitarbeiter des Instituts.

Wir haben uns aber mal auf unserer eigenen Facebook-Seite inzwischen umgehört – umgelesen, da schreibt Doris Mirke beispielsweise:

"Das Ganze ist eine riesige Schweinerei und muss verboten werden!"

Und Pat Cetera sagt:

"Was ist denn das für eine Logik, wenn jemand eine negative Schufa hat, soll daraus abgeleitet werden, dass dessen soziale Kontakte auch ein potenzielles Kreditausfallrisiko haben?"

So geht das weiter, anderweitig auch.

Markus Beckedahl ist Chefredakteur des Blogs netzpolitik.org. Er hat die Neuigkeiten zur Schufa natürlich heute Morgen auch gleich in seinen Blog gestellt, selbst aber dazu nicht kommentiert, wir wollen aber seine Meinung wissen. Herr Beckedahl, zunächst mal schönen guten Tag!

Markus Beckedahl: Guten Tag!

Durak: So, Sie haben nicht kommentiert, aber ich frage: Es wurden Grenzen überschritten, meinen Datenschützer. Meinen Sie das auch?

Beckedahl: Also, bisher wurden noch keine Grenzen überschritten, aber ich glaube, dass das Medieninteresse und die aktuelle heutige Diskussion dazu führen kann, mal Grenzen einzuziehen, und diese Grenzen scheinen notwendig zu sein, wenn die Schufa tatsächlich sich – wenn auch in einem wissenschaftlichen Experiment – überlegt, auf diese Daten bei sozialen Medien zuzugreifen.

Durak: Worin besteht denn die Grenzüberschreitung, wenn man das tut? Und noch einmal wiederholt, das Institut legt Wert darauf, es ist eine Idee.

Beckedahl: Ja, also die mögliche Grenzüberschreitung besteht darin, dass man einfach denkt, dass man so in die Profile von Bürgern in sozialen Medien einfach so eindringen kann. Dazu muss man sagen: Natürlich stehen diese Daten auf Facebook und auf Twitter öffentlich zur Verfügung, aber wir haben ein verändertes Bewusstsein für Privatsphäre und für einen öffentlichen Raum, und für viele Menschen sind diese Profile vielleicht vergleichbar mit ihrem Vorgarten, vielleicht aber auch mit ihrem Wohnzimmer. Das sind private Räume, auch wenn sie öffentlich zugänglich sind, und da sollte man eine klare Grenze ziehen, diese Daten gehen die Schufa einfach nichts an.

Durak: Das ist das eine, das andere ist, wenn es nun Menschen gibt, und davon gibt es noch eine ganze Menge, die sich in überhaupt keinen sozialen Netzwerken herumtreiben. Sind die dann auffällig anderweitig bei der Schufa, und die zieht dann ihre merkwürdigen Schlussfolgerungen draus?

Beckedahl: Ja, das ist eine interessante Frage, die wir halt heute auch nur stellen können, aber nicht beantworten können. Wird es eine Form von Diskriminierung geben, wenn man halt bewusst sich von sozialen Medien wie Facebook und so weiter fernhält, weil man seine Daten nicht amerikanischen Unternehmen schenken möchte, wo man gar nicht weiß, was sie damit tun, also wird man dann später schlechter bewertet, weil dann die Schufa jemandem misstraut? Das wird dann die Schufa selbst nur beantworten können?

Durak: Wer kontrolliert die Schufa eigentlich? Wissen Sie das?

Beckedahl: Ja, das ist so eine gute Frage. Also theoretisch kontrollieren die Schufa die Datenschutzbehörden. Aber niemand weiß so genau, wie diese Algorithmen arbeiten. Niemand weiß genau, warum man jetzt einen Kredit verweigert bekommt und warum nicht. Oftmals, wie im Vorgespräch schon gesagt oder beziehungsweise in dem Vortext da, hängt es davon ab, mit welchen Nachbarn man im selben Haus zusammen wohnt. Und da hat man ja sehr wenig Einfluss drauf.

Durak: Ja, und das ist eigentlich auch unglaublich, ein ziemlicher Eingriff in persönliche Angelegenheiten. Ich habe gelesen, auch nicht öffentliche Datenbanken sollen genutzt werden. Ist das rechtlich überhaupt möglich?

Beckedahl: Ja, das ist leider rechtlich alles so möglich. Also hier hat der Gesetzgeber in den letzten Jahren verpasst, aufgrund sehr starker Lobbys der Datenhändler einfach mal den Datenschutz der Bürger zu verbessern und bessere Grenzen einzuziehen. Wir wissen teilweise gar nicht mehr, in wie vielen Datenbanken Informationen über uns gespeichert sind. Und hier brauchen wir ganz klar ein Umdenken, hier brauchen wir ganz klare Grenzen. Ich möchte als Bürger informiert werden, in welchen Datenbanken ich drinstehe, damit ich mein Recht auf informationelle Selbstbestimmung ausüben kann.

Durak: Ich sehe noch ein anderes Problem, abschließend kurz gefragt, darin: Die Mitarbeiter der Schufa sammeln alle möglichen weichen Informationen und schlussfolgern daraus. Das ist doch eigentlich schlechte Geheimdienstarbeit, oder sonst was, oder?

Beckedahl: Ja, das ist eher so schlechte Hexerei. Das Problem ist, diese Daten sind alle nicht so richtig wissenschaftlich aussagefähig. Das heißt, man rätselt rum, und dann kann man auch oftmals einfach würfeln, und die Würfel bringen dann das Ergebnis, ob jemand kreditwürdig ist. Das ist vollkommen unwissenschaftlich, und hier brauchen wir mehr Transparenz.

Durak: Die werden wir dann auch weiter verfolgen. Besten Dank, Markus Beckedahl, Chefredakteur des Blogs netzpolitik.org. Wie gesagt, in unserer Nachmittagssendung nach den 17-Uhr-Nachrichten mehr zu diesem Thema.


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.


Weitere Links zu den Schufa-Plänen auf dradio.de:

Wenn das Facebook-Profil über den Hauskredit entscheidet
Schufa will soziale Netzwerke zur Prüfung der Kreditwürdigkeit heranziehen

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